Die BVV fasste auf ihrer Sitzung am 18.01.2023 folgenden Beschluss:
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Die Bezirksverordnetenversammlung ersucht das Bezirksamt, eine möglichst vollständige Auflistung der im Rahmen der am 18.05.2019 eröffneten Ausstellung "Forschungswerkstatt: Kolonialgeschickte in Tempelhof-Schöneberg" recherchierten Standorte mit Adresse und Bezeichnung der Standorte anzufertigen und im Internet transparent zu machen.
Das Bezirksamt teilt hierzu mit der Bitte um Kenntnisnahme mit:
Im Rahmen der Ausstellungen „Forschungswerkstatt: Kolonialgeschichte in Tempelhof und Schöneberg“ und „Auf den Spuren der Familie Diek. Geschichten Schwarzer Menschen in Tempelhof-Schöneberg“ im Schöneberg Museum in den Jahren 2017 und 2023 konnten verschiedene Orte im Bezirk ermittelt werden. Die Liste gliedert sich in vier Bereiche: Orte des Kolonialismus und Kolonialrevisionismus, Wohnorte von Migrant_innen aus den Kolonien, Orte Schwarzer Geschichte und Koloniale Spuren im Stadtraum heute. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
1. Orte des Kolonialismus und Kolonialrevisionismus:
- Botanische Zentralstelle für die Deutschen Kolonien, 1891-1902
Grunewaldstraße (heute Haus am Kleistpark)
- Preußische Eisenbahnregimenter, 1899-1918
Kasernengelände General-Pape-Straße, Übungsplatz Tempelhofer Feld
- Deutsche Armee-, Marine- und Kolonialausstellung, 1907
Areal zwischen Rubensstraße, Begasstraße und Grazer Damm
- Deutschkolonialer Frauenbund (ab 1908 Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft), 1907-1936, Potsdamer Straße 134
- Schokoladen-Fabrik Sarotti (1913-2003) / Werbefigur Markenzeichen ab 1922
Teilestraße 13-16
- Kinos Neues Schauspielhaus und Cines am Nollendorfplatz, ab 1911
Kinoprogramm mit kolonialpropagandistischen Filmen
- „Völkerschau“ („Hagenbecks Indien“), 1912, Tempelhofer Feld
- Kolonialwarengeschäfte in Tempelhof-Schöneberg, ca. 150 Standorte vor dem Ersten Weltkrieg
- Verein für das Deutschtum im Ausland, Vereinigung für deutsche Siedlung und Wanderung, Deutsche Gesellschaft für Eingeborenenkunde, ab 1927 Sitz in der Martin-Luther-Str. 97
- Drehort des kolonialpropagandistischen UFA-Films "Die Reiter von Ost-Afrika", 1934
Tempelhofer Marienhöhe
2. Wohnorte von Migrant_innen aus den Kolonien:
In der Weimarer Republik leben viele Migrant_innen, die vor dem Ersten Weltkrieg von Kamerun nach Deutschland kamen, in Nord-Schöneberg. Darunter waren:
- Wilhelm Munumé, Großgörschenstraße 31
- Peter Makembe, Großgörschenstraße 31
- Joseph Bilé, Bülowstraße 39 (Berliner Gedenktafel 2022)
- Richard Ekamby, Luitpoldstraße 42
- Manfred Priso, Potsdamer Straße 63a
- David Dipongo, Barbarossastraße 14
- Kwassi Bruce, Martin-Luther-Straße 84
- Alfred Köhler, Martin-Luther-Straße 88
- Benedikt Gambé, Fuggerstraße 20 (erhält 2023 Stolperstein)
3. Orte Schwarzer Geschichte:
- Pinguin Bar, ab 1949; Bülowstraße 6
- Erika Ngambi ul Kuo und Dorothea Reiprich; ermöglichten mit ihrer Zeitzeugenschaft die Erforschung Schwarzer Geschichte vor 1945. Am Wohnort im Badener Ring ist die Beantragung einer Gedenktafel über das Berliner Gedenktafelprogramm geplant. Für Erika Ngambi ul Kuo wurde in der Gaudystraße 5 im Prenzlauer Berg ein Stolperstein verlegt.
- Grab der Dichterin und Aktivistin May Ayim; Alter St. Matthäus Kirchhof, Großgörschenstraße
- Aufenthalte der Wissenschaftlerin, Dichterin und Aktivistin Audre Lorde; Großgörschenstraße
- Wohnort der 2022 verstorbenen Autorin, Pädagogin und Aktivistin Ika Hügel-Marshall; Großgörschenstraße
4. Koloniale Spuren im Stadtraum heute:
- Kolonie Samoa e.V., Kleingartenanlage Schöneberger Südgelände
- Kleingärtnerverein Burenland e.V., Kleingartenanlage Schöneberger Südgelände
- Fugger- und Welserstraße; beide Familien profitierten enorm durch den beginnenden transatlantischen Handel mit versklavten Menschen und konnten ihren Reichtum so ausbauen
- Simpsonweg; William von Simpson war u.a. Kolonialoffizier in „Deutsch-Südwestafrika“.
- Franckepark; Theodor Francke besaß eine Elfenbeinbleiche auf dem Gelände des heutigen Parks. Die von ihm gegründete Firma Theodor Francke GmbH war an der Beschaffung von Raubgut aus Benin für das Museum für Völkerkunde Berlin involviert.
Die hier aufgelisteten Informationen wurden auch auf nachstehender Website als neue Rubrik "Orte Schwarzer Geschichte" veröffentlicht und können dort eingesehen werden:
https://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/ueber-den-bezirk/gedenken/artikel.1314073.php
Es wird darum gebeten, die Drucksache 0493/XXI als erledigt anzusehen.