Drucksache - 1969/XX  

 
 
Betreff: Einleitung eines Verfahrens für eine soziale Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuches für das Gebiet Mariendorf, Ortsteil Mariendorf.
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
Verfasser:Herr Oltmann, JörnSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:Mitteilung zur KenntnisnahmeMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksamt Erledigung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Kenntnisnahme
18.11.2020 
46. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin - Besucher bitten wir um vorherige Anmeldung per E-Mail im BVV-Büro! (siehe Teilnehmer_innen-Anlage zur Einladung) überwiesen   
Ausschuss für Stadtentwicklung Kenntnisnahme
30.11.2020 
39. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
09.12.2020 
40. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
13.01.2021 
41. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung - Videokonferenz (Webex-Meeting) mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
Mitteilung zur Kenntnisnahme

über die Einleitung des Verfahrens für eine Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuches in Verbindung mit § 30 des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuchs für das Gebiet „Mariendorf“ im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Mariendorf, in der anliegenden Karte mit einer durchgezogenen Linie eingegrenzt (Anlage 1).

Die Begründung ergibt sich aus der Anlage 2.

 

Anlagen

Anlage 1: Gebietskarte

 

Anlage 2: Begründung zur Bezirksamtsvorlage zur Beschlussfassung

Anlass:

In den letzten Jahren wurden im Bezirk Tempelhof-Schöneberg zunehmend Bereiche mit einem angespannten Wohnungsmarkt identifiziert. Diese Bereiche liegen überwiegend in den innerstädtischen Quartieren des Bezirks, weiten sich aber zunehmend auch in weitere attraktive Stadtlagen aus. Ein angespannter Wohnungsmarkt führt in allen attraktiven Stadtlagen verstärkt zu sozialen Entmischungsprozessen und Segregationsentwicklungen. Diese können sich städtebaulich wie folgt auswirken:

Steigende Mieten und damit Verdrängung der ansässigen Bewohner_Innen aus ihrem Wohngebiet

 

Verstärkte Nachfrage und entsprechende Verknappung von günstigen Wohnungen im Bezirk / Nachbarbezirken (mit der möglichen Folge einer Segregation durch Fortsetzung des Verdrängungsprozesses in den dann nachgefragten Wohngebieten)

 

Öffentliche Aufgabe der Schaffung günstigen Wohnraumes (im Bezirk)

 

Wenn die vorhandenen öffentlichen und privaten Infrastruktureinrichtungen (z.B. ÖPNV, Schulen, Spielplätze, Seniorenangebote, private Dienstleistungs- und Handelsunternehmen) auf die ansässige Bevölkerungsstruktur zugeschnitten sind, kann es zu einer diesbezüglichen Unterauslastung im Wohngebiet kommen. Am neuen Zuzugsort der verdrängten Bewohnerschaft entstehen evtl. neue Nachfragesituationen, die nicht oder nur unter hohem öffentlichen und privaten Planungs- und Kostenaufwand realisiert werden können.

Soziale Erhaltungsverordnungen und Umwandlungsverordnung:

Mit dem Instrument der „sozialen Erhaltungsverordnung“ gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuches können bauliche Änderungen, die zur Aufwertung von Wohnungen führen, und der Verlust von Wohnraum durch Abriss oder Nutzungsänderung, aus städtebaulichen Gründen versagt werden. Voraussetzung ist der Erlass einer Erhaltungsverordnung für ein Gebiet und der Nachweis, dass die geplanten Maßnahmen bzw. Nutzungsänderungen im Gebiet zur Veränderung der vorhandenen Bewohnerstrukturen führen können sowie, dass eine Verdrängung der ansässigen Bewohnerstrukturen städtebauliche Folgeprobleme nach sich ziehen kann.

 

In den Ortsteilen Schöneberg und Tempelhof wurden in den Jahren 2014 bis 2018 bereits acht soziale Erhaltungsverordnungen erlassen: Bayerischer Platz / Barbarossaplatz, Bautzener Straße, Kaiser-Wilhelm-Platz und Schöneberger Insel, Schöneberger Norden, Schöneberger Süden, Tempelhof und Grazer Platz.

Durch die Umwandlungsverordnung für Berlin, die 2015 erstmalig und 2020 erneut beschlossen wurde, ist die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in sozialen Er-haltungsgebieten genehmigungspflichtig. Mit dem Genehmigungsvorbehalt zur Umwandlung in den sozialen Erhaltungsgebieten kommt ein weiteres wichtiges städtebauliches und wohnungspolitisches Instrument zur Anwendung, denn in den letzten Jahren gab es in Berlin eine deutliche Steigerung der Umwandlungen. Mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen geht häufig eine Entmietung der Häuser mit anschließender teurer Modernisierung einher. Damit wird der Ausstattungsstandard der Wohnungen oft auf ein überdurchschnittliches Niveau angehoben. In den meisten Fällen werden umgewandelte Wohnungen weiterhin als Mietwohnungen angeboten und nicht von den Erwerbern selbst genutzt. Die Mieten dieser Wohnungen liegen deutlich höher als bei nicht umgewandelten Wohnungen. Die Umwandlung führt damit zur Veränderung der bisherigen Gebietsbevölkerung.

Voruntersuchungen zur Ermittlung von Verdachtsgebieten, die die Kriterien von sozialen Erhaltungsgebieten erfüllen können:

Aufgrund des stetigen Bevölkerungszuwachses, des knapper werdenden Wohnraumangebots, der Inwertsetzungsstrategien der Eigentümer_Innen sowie drastischer Mietsteigerungen hat der Bezirk Tempelhof-Schöneberg, vertreten durch den Fachbereich Stadtplanung, „Voruntersuchung zur Ermittlung von Verdachtsgebieten im Ortsteil Mariendorf zum Erlass von sozialen Erhaltungsverordnungen" in Auftrag gegeben. Der Untersuchungsbericht des beauftragten Büros, „Landesweite Planungsgemeinschaft mbH (LPG)“ liegt vor.

Ziel der Untersuchung war es, Teilräume im genannten Ortsteil Mariendorf zu identifizieren, in denen die ansässige Bevölkerung auf die im Gebiet vorhandene Wohnsituation und Infrastruktur angewiesen und gleichzeitig durch Verdrängung gefährdet ist. Die Indikatoren Aufwertungspotential (vorhandene Möglichkeiten, den baulichen Zustand des Gebäude- und Wohnungsbestandes über den zeitgemäßen Ausstattungsstandard hinweg wohnwerterhöhend zu verändern), Aufwertungsdruck (wohnwerterhöhendes Potenzial wird im Gebiet bereits genutzt bzw. die Rahmenbedingungen geben dazu Anlass) und ein Verdrängungspotential (soziodemografische Rahmenbedingungen bestätigen ein Verdrängungspotential) können Hinweise auf Verdrängung geben. Die Segregation muss aber darüber hinaus nachweislich negative städtebauliche Folgen erwarten lassen.

 

Verdachtsgebiet Mariendorf:

Als Ergebnis der o.g. Voruntersuchung wurde ein Bereich des Ortsteils Mariendorf als Verdachtsgebiet identifiziert. Die Gutachter führen hierzu aus:

"Im Ergebnis der Datenanalyse und der Ortsbegehung wird eine vertiefende Untersuchung zur Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen für den Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB für das in der Abbildung 17 rot schraffierte Gebiet vorgeschlagen.

Gemäß der Datenanalyse kann für das dargestellte Verdachtsgebiet ein bauliches Aufwertungspotenzial, das die Ausstattung der Gebäude mit zusätzlichen Ausstattungsmerkmalen und die energetische Modernisierung sowie Möglichkeiten zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen umfasst, ein in Teilen ausgeprägter wohnungswirtschaftlicher Aufwertungsdruck im Hinblick auf Baumaßnahmen, Abgeschlossenheitsbescheinigungen und die Mietentwicklung sowie ein soziales Verdrängungspotenzial aufgrund von überdurchschnittlich ausgeprägter Daten zum Erwerbsleben festgestellt werden. Vor dem Hintergrund der berlinweiten Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt und der bestehenden Aufwertungspotenziale im Gebiet ist eine Verdrängung von Teilen der Bevölkerung zu befürchten – insbesondere Familien- und Seniorenhaushalte sind gemäß der Sekundärdatenanalyse potenziell gefährdet. Um dies zu verifizieren und ggf. weitere Bevölkerungsgruppen zu identifizieren, ist eine vertiefende Untersuchung samt Haushaltsbefragung sinnvoll. Welche negativen städtebaulichen Folgewirkungen die beschriebenen Entwicklungen haben können, ist auf der Grundlage des Grobscreenings nicht einzuschätzen. Diese Sachverhalte sind in einer vertiefenden Untersuchung zu überprüfen.

Das Gebiet umfasst den Planungsraum Rathausstraße sowie einen Teilbereich des Planungsraums Eisenacher Straße. Außerdem wird vorgeschlagen, die Wohnbebauung an der Ullsteinstraße/Mariendorfer Damm in die Untersuchungskulisse einzubeziehen, obwohl der statistische Block 069635 zum Planungsraum Manteuffelstraße gehört. Die Wohnbebauung schließt unmittelbar an den Planungsraum Rathausstraße an und ist diesem funktional sowie sozialräumlich zuzuordnen.

Das vorgeschlagene Gebiet ist aus gutachterlicher Sicht und im Hinblick auf die verfügbaren Daten eine Maximalumfassung, die sich im Rahmen der vertiefenden Untersuchung weiter spezifizieren und vermutlich auch verkleinern wird, da u. a. keine Daten zu den Einkommensverhältnissen, den Bestandsmieten und den bestehenden Aufwertungspotenzialen innerhalb der Wohngebäude auf sekundärstatistischer Basis vorliegen. Aus diesem Grund enthält die vorgeschlagene Gebietskulisse auch kommunale und genossenschaftliche Wohnbestände, da sich diese im Planungsraum Rathausstraße innerhalb des Gebietszusammenhangs befinden. Im Planungsraum Eisenacher Straße sind Teilgebiete ausgeschlossen, da diese bereits umfassend modernisiert wurden. Das betrifft die Wohnbestände zwischen Illzacher Weg/ Westphalweg/Prühßstraße und Kosleckweg (beide Straßenseiten)/Eisenacher Straße und Rixdorfer Straße. Der Bestand ist bereits energetisch modernisiert und weist äußerlich ein geringes Aufwertungspotenzial auf. Der Wohnungsbestand befindet sich in diesem Bereich größtenteils im Eigentum von Genossenschaften, so dass Umwandlungen in Eigentum nicht zu erwarten sind.

Weiteres Vorgehen:

Auf der Grundlage der o.g. Voruntersuchung lässt sich die Einleitung eines Verfahrens gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuches begründen. Im weiteren Verfahren sind die Ergebnisse der Voruntersuchung durch weitergehende Untersuchungen (einschließlich repräsentativer Haushaltsbefragungen) zu vertiefen sowie die dann vorliegenden, gebietsspezifischen Ergebnisse zu analysieren und auszuwerten.

Soweit die Untersuchungen den Verdacht des Vorliegens der Kriterien gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuches bestätigen, kann der Erlass der sozialen Erhaltungsverordnung für das Gebiet Mariendorf beschlossen werden.

Rechtsgrundlagen:

Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. August 2020 (BGBI. I S. 1728) geändert worden ist

Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs (AGBauGB) in der Fassung vom 7. November 1999 (GVBl. S. 578), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 06.12.2017 (GVBl. S. 664)

Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) in der Fassung vom 10. November 2011, zuletzt geändert durch Artikel 22 des Gesetzes vom 02.02.2018 (GVBl. S. 160)

 

 
 

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