Drucksache - 0756/XX  

 
 
Betreff: Zwangsräumung und Obdachlosigkeit durch Hausbesuche verhindern
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Frakt. GRÜNE, SPDBezirksamt
Verfasser:Frau Kaddatz, JuttaSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:AntragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Ausschuss für Soziales, Senioren und demografischer Wandel Kenntnisnahme
20.09.2018 
15. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales, Senioren und demografischer Wandel mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
20.06.2018 
21. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Erledigung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Kenntnisnahme
29.08.2018 
22. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Austauschseite
Mitteilung zur Kenntnisnahme

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Die Bezirksverordnetenversammlung ersucht das Bezirksamt, Hausbesuche bei Mieter/innen durchzuführen, wenn es Kenntnis von einer Räumungsklage bekommt und die Betroffenen nicht auf Briefe reagieren. Bisher werden Hausbesuche nur in besonderen Fällen (Familien mit Kindern oder bei älteren Mieter/innen) gemacht. Es sollen aber auch andere Zielgruppen aufgesucht werden als präventive Maßnahme. Die hierfür notwendigen zusätzlichen Finanz- und Personalmittel sind zur Verfügung zu stellen. Zu den Haushaltsberatungen ist der zuständige Bereich aufgefordert, den notwendigen zusätzlichen Personalbedarf darzulegen.

Begründung:

Mietschulden sind der häufigste Grund für Zwangsräumungen. Oft steht der Jobverlust an erster Stelle der Abwärtsspirale: Miete und Nebenkosten können nicht mehr bezahlt werden, die Schulden häufen sich.

Studien zeigen: Viele Betroffene haben massive Probleme. Die Menschen landen nach Wohnungsverlust in Notunterkünften, der Weg zurück ist schwierig. Und zu viele Betroffene bekommen nicht die Hilfe, die sie brauchen. Die zuständigen Ämter bieten das präventive Hilfsangebot der „Mietschuldenübernahme“, was allerdings bis heute nicht gut bekannt ist. Mietschulden sollen übernommen werden, wenn deswegen Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses, teilt das Gericht dem Sozialamt das mit, auch den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist. Das Sozialamt schreibt den Mietschuldner/in dann in der Regel an und bittet diesen zu einem Termin. Hausbesuche werden nur in besonderen Fällen durchgeführt. Angesichts der längerfristigen (sozialen) Kosten einer Zwangsräumung sollten auch andere betroffene Mieter/innen aufgesucht werden, wenn eine Zwangsräumung droht. So erreicht das wirksame präventive Angebot „Mietschuldenübernahme“ beispielweise auch diejenigen, die nicht auf Briefe reagieren. Denn Viele ignorieren Rechnungen, reagieren nicht auf Briefe, stecken aus Angst oder Überforderung und vielleicht auch aus Scham den Kopf in den Sand bis der Gerichtsvollzieher zur Zwangsräumung vor der Tür steht. Soweit muss es nicht kommen.

Wenn Mietschulden mehr als zwei Monatsmieten betragen, besteht das Recht auf Kündigung der Wohnung. Wenn der Mieter erst die Kündigung der Wohnung und dann den

gerichtlich festgelegten Termin zur Räumung ignoriert, kommt es im schlimmsten Fall zur Zwangsräumung. Wenn aber die Betroffenen rechtzeitig mit Hilfeangebote seitens des Amtes erreicht werden, lässt sich in manchen Fällen selbst noch einen Tag vor der Räumung erfolgreich Obdachlosigkeit abwenden.

 

Das Bezirksamt bittet, den nachfolgenden Bericht abschließend zur Kenntnis zu nehmen:

 

Die Abteilung Bildung, Kultur, Soziales berichtet hierzu:

 

Eher selten erhalten die Sozialen Dienste des Sozialamtes frühzeitig Kenntnis über bedrohte Wohnverhältnisse. Bei der Mehrheit der Fälle erhalten die zuständigen Stellen diese Information erst, wenn die gesetzlich normierten Mitteilungspflichten der Amtsgerichte und der Gerichtsvollzieher greifen. Wenn Kontaktaufnahmen zu den von Wohnungsverlust bedrohten Haushalten erforderlich sind, werden die betroffenen Haushalte angeschrieben und es erfolgt in der Regel kein Hausbesuch. Die Rücklaufquote auf die Anschreiben beträgt ca. 10%. Das bedeutet, dass ein Großteil der Betroffenen ohne Kontakt zum System der Hilfen bleibt und damit auch keine Unterstützung bei der Überwindung der Krisensituation erhalten kann. Das ist sehr unbefriedigend und entspricht auch nicht dem Grundgedanken des präventiven Ansatzes zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit im Sozialamt Tempelhof-Schöneberg. Prinzipiell orientiert sich die Arbeit der Sozialen Dienste Tempelhof-Schöneberg im Bereich der Sozialen Wohnhilfe seit vielen Jahren am allgemein anerkannten Fachstellenkonzept des Deutschen Vereins und im Vergleich zu den anderen Bezirken ist die Umsetzung des Fachstellenkonzeptes in Tempelhof-Schöneberg am weitesten fortgeschritten. Das Fachstellenkonzept empfiehlt auch die Durchführung von Hausbesuchen bei drohenden Wohnungsverlusten. Das Amt für Soziales ist längst überzeugt, dass die konsequente Durchführung aufsuchender Hilfen bei drohendem Wohnungsverlust wesentlich mehr bedrohte Haushalte erreicht werden nnten und dass sich dadurch Wohnungslosigkeit noch ufiger vermeiden ließe als bisher. Mangels Personal kann diese Verfahrensweise nicht praktiziert werden. Die sehr hohen Fallzahlen bei den Wohnungslosen, gerade aus dem Bereich der Geflüchteten, haben in Verbindung mit dem nach wie vor eklatantem Mangel an Unterbringungsmöglichkeiten den Aufgabenschwerpunkt in den Sozialen Diensten auf die Unterbringungen nach dem ASOG verlagert mit der Folge, dass für alle anderen Aufgaben zu wenig Zeit bleibt. Um in allen Fällen von drohender Wohnungslosigkeit, die dem Amt für Soziales bekannt werden, Hausbesuche durchzuführen, wären zwei zusätzliche Stellen notwendig.

Ende 2017 eröffnete sich die Chance, hierfür Personalmittel zu bekommen. Für die Weiterentwicklung der bezirklichen sozialen Wohnhilfen nach einem Fachstellenkonzept hat das Abgeordnetenhaus mlich zusätzliche Mittel i. H. v. jeweils 1,2 Mio. €r 2018 und 2019 zur Verfügung gestellt. Aus diesen Mitteln könnten in Tempelhof-Schöneberg zwei Stellen in den Sozialen Diensten finanziert werden, die die aufsuchende Arbeit durchführen könnten. In der 2. Fortschreibung der Globalsummen-Zuweisung 2018 teilte die Senatsverwaltung für Finanzen am 7. März 2018 mit, dass der Entwurf eines solchen Fachstellenkonzepts zur Weiterentwicklung der bezirklichen Wohnhilfen im Rahmen einer AG im Zusammenhang mit der Strategiekonferenz zur Wohnungslosenhilfe entwickelt wird. Ergebnisse bzw. Zwischenschritte, die bis zur Vorlage eines Konzeptes ggf. erfolgen sollen, werden von der Fachverwaltung definiert. Dies bliebe zunächst abzuwarten.

Die Ergebnisse der AG Fachstellenkonzept, die im Rahmen der Strategiekonferenz gegründet wurde und in der auch Tempelhof-Schöneberg mitarbeitet, abzuwarten, ist insofern für nicht zielführend als ganz sicher keine Ergebnisse vor Oktober 2018 vorliegen werden. Die zweite Strategiekonferenz, auf der die Ergebnisse vorgestellt und verabschiedet werden sollen, wird voraussichtlich erst im Oktober 2018 stattfinden. Wenn aber erst im Oktober eine Entscheidung über die Mittelvergabe erfolgte, würde dies in der Konsequenz heißen, dass es in diesem Jahr völlig aussichtslos wäre, aus den bereit gestellten Mitteln noch Stellen zu besetzen. Dieses Problem wurde auch von den Bezirken in der Bezirksstadträte-Sitzung Ende März 2018 thematisiert. Die Senatsverwaltung Integration, Arbeit und Soziales (SenIAS) hat dieses Problem auch erkannt und vermeintlich signalisiert, dass die Bezirke bereits schon jetzt Anträge einreichen könnten.

Das Amt für Soziales hat daraufhin im April 2018 bei der SenIAS aus diesen zusätzlichen Mitteln 100.000 € beantragt, um zwei Stellen im gehobenen sozialen Dienst zum Ausbau der aufsuchenden Arbeit im Rahmen der Arbeit der Sozialen Wohnhilfe als Teil der Sozialen Dienste Tempelhof-Schöneberg implementieren zu können. Leider erhielt das Amt für Soziales die abschlägige Mitteilung, dass es sich um Missverständnis handele und noch keine Anträge gestellt werden könnten. SenIAS sei aber in Verhandlungen mit SenFin. In ihrer Sitzung im April 2018 sprachen sich die Amtsleiter Soziales dafür aus, dass die zusätzlichen Mittel auf alle Bezirke gleichmäßig verteilt werden sollten und gaben ein entsprechendes Votum an die Senatsverwaltung IAS. Dieser Vorschlag wurde an SenFin weitergegeben, doch SenFin hat dieses mit Hinweis auf die Vorlage eines Konzeptes abgelehnt.

Das Bezirksamt hat diesen Auftrag der BVV zum Anlass genommen, den Staatssekrer für Arbeit und Soziales Herrn Fischer eindringlich zu bitten, die Verhandlungen mit SenFin energisch voranzutreiben, damit das Amt für Soziales Mittel incl. VzÄr zwei Stellen zugewiesen bekommt, um die beschriebene Aufgabe erfüllen zu können. Dieses war verbunden mit der Bitte, den Bezirk über die weitere Entwicklung in dieser Angelegenheit zu informieren. Bisher gab es noch keine Antwort darauf.

Sollte es weiterhin keine Entscheidung seitens SenFin geben, wie die zusätzlichen Mittel r die Weiterentwicklung der bezirklichen sozialen Wohnhilfen nach einem Fachstellenkonzept auf die einzelnen Bezirke verteilt werden und ggf. einzusetzen sind, müssten dem Amt für Soziales aus dem bezirklichen Budget für 2019 zusätzlich Personalmittel für zwei Sozialarbeiterstellen im Haushalt 2019 zur Verfügung gestellt werden.

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
Stadtbezirk Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Sitzungsteilnehmer Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen