Drucksache - 0265/XX  

 
 
Betreff: Einleitung des Verfahrens für eine Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB i.V.m. § 30 AGBauGB für das Gebiet „Schöneberger Süden“, in der anliegenden Karte mit einer durchgezogenen Linie eingegrenzt, im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg (Anlage 1)
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
Verfasser:Herr Oltmann, JörnSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:Vorlage zur BeschlussfassungMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtentwicklung Beratung
12.07.2017 
7. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   
Bezirksamt Erledigung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
21.06.2017 
9. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   

Sachverhalt
Anlagen:
Gebiet_Schöneberger Süden
Mitteilung zur Kenntnisnahme

des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg von Berlin

über die Einleitung des Verfahrens für eine Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB i.V.m. § 30 AGBauGB für das Gebiet „Schöneberger Süden“, in der anliegenden Karte mit einer durchgezogenen Linie eingegrenzt, im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg (Anlage 1).

 

 

BEGRÜNDUNG:

Anlass:

In den letzten Jahren wurden im Bezirk Tempelhof-Schöneberg zunehmend Bereiche mit angespanntem Wohnungsmarkt identifiziert. Diese Bereiche liegen überwiegend in den innerstädtischen Quartieren des Bezirks.

Die Bevölkerungsprognosen für Berlin gehen auch mittelfristig von einem Zuwachs der Bevölkerung aus, der sich gleichzeitig stark auf die innerstädtischen Ortsteile, wie auf den Ortsteil Schöneberg, konzentrieren und überwiegend durch kleine und jüngere Haushalte geprägt sein wird.

Ein angespannter Wohnungsmarkt führt in den innerstädtischen Lagen verstärkt zu sozialen Entmischungsprozessen und Segregationsentwicklungen. Diese können sich wie folgt städtebaulich auswirken:

-          Steigende Mieten und damit Verdrängung der ansässigen BewohnerInnen aus ihrem Wohngebiet

-          Verstärkte Nachfrage und entsprechende Verknappung von günstigen Wohnungen im Bezirk / Nachbarbezirken (mit der möglichen Folge einer Segregation durch Fortsetzung des Verdrängungsprozesses in den dann nachgefragten Wohngebieten)

-          Öffentliche Aufgabe der Schaffung günstigen Wohnraumes (im Bezirk).

-          Wenn die vorhandenen öffentlichen und privaten Infrastruktureinrichtungen (z.B. ÖPNV; Schulen; Spielplätze; Seniorenangebote; private Dienstleistungs- und Handelsunternehmen) auf die ansässige Bevölkerungsstruktur zugeschnitten sind, kann es zu einer Unterauslastung im Wohngebiet kommen, hin bis zur Insolvenz von Unternehmen bzw. Unwirtschaftlichkeit öffentlicher Einrichtungen. Am neuen Zuzugsort der verdrängten Bewohnerschaft entstehen evtl. neue Nachfragesituationen, die nicht realisiert oder nur unter hohem öffentlichen und privaten Planungs- und Kostenaufwand realisiert werden können.

 

Soziale Erhaltungsverordnungen und Umwandlungsverbotsverordnung

Mit dem Instrument „soziale Erhaltungsverordnung“ gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 Baugesetzbuch können bauliche Änderungen, die zur Aufwertung von Wohnungen führen, und der Verlust von Wohnraum durch Abriss oder Nutzungsänderung, aus städtebaulichen Gründen versagt werden. Voraussetzung ist der Erlass einer Erhaltungsverordnung für ein Gebiet und der Nachweis, dass die geplanten Maßnahmen bzw. Nutzungsänderungen im Gebiet zur Veränderung der vorhandenen Bewohnerstrukturen führen können sowie, dass eine Verdrängung der ansässigen Bewohnerstrukturen städtebauliche Folgeprobleme nachsichziehen kann.

Im Ortsteil Schöneberg wurden in den Jahren 2014 / 2015 bereits vier soziale Erhaltungsverordnungen erlassen: Bayerischer Platz / Barbarossaplatz, Bautzener Straße, Kaiser-Wilhelm-Platz und Schöneberger Insel.

Durch die Umwandlungsverbotsverordnung für Berlin, die vom 14. März 2015 bis zum 12. März 2020 gilt, ist die Begründung von Wohnungseigentum bzw. Teileigentum in sozialen Erhaltungsgebieten genehmigungspflichtig. Mit dem Genehmigungsvorbehalt zur Umwandlung in den sozialen Erhaltungsgebieten kommt ein weiteres wichtiges städtebauliches und wohnungspolitisches Instrument zur Anwendung, denn in den letzten Jahren gab es in Berlin eine deutliche Steigerung der Umwandlungen, mit überproportionalem Anteil in sozialen Erhaltungsgebieten. Mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen geht häufig eine Entmietung der Häuser einher mit anschließender teurer Modernisierung. Damit wird der Ausstattungsstandard der Wohnungen oft auf ein überdurchschnittliches Niveau angehoben. In den meisten Fällen werden umgewandelte Wohnungen weiterhin als Mietwohnungen angeboten und nicht von den Erwerbern selbst genutzt. Die Mieten dieser Wohnungen liegen deutlich höher als bei nicht umgewandelten Wohnungen. Die Umwandlung führt damit zur Veränderung der bisherigen Gebietsbevölkerung.

 

Voruntersuchungen zur Ermittlung von Verdachtsgebieten, die die Kriterien von sozialen Erhaltungsgebieten erfüllen können:

Aufgrund des stetigen Bevölkerungszuwachses, des knapper werdenden Wohnraumangebots, der Inwertsetzungsstrategien der EigentümerInnen sowie drastischer Mietsteigerungen hat der Bezirk Tempelhof-Schöneberg, vertreten durch den Fachbereich Stadtplanung, im Oktober 2016 eine „Voruntersuchung zur Ermittlung von Verdachtsgebieten im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, die die Kriterien für den Erlass von sozialen Erhaltungsverordnungen erfüllen können“ in Auftrag gegeben. Der Untersuchungsrahmen erstreckt sich auf Planungsräume der innerstädtischen Ortsteile Schöneberg, Friedenau und Tempelhof, welche verstärkt in das Blickfeld von Investoren und Bauherren mit Aufwertungsabsichten geraten sind. Seit Februar 2017 liegt der Untersuchungsbericht des beauftragten Büros, „Landesweite Planungsgemeinschaft mbH (LPG)“, vor.

Ziel der Untersuchung war es, Teilräume in den genannten Ortsteilen zu identifizieren, in denen die ansässige Bevölkerung auf die im Gebiet vorhandene Wohnsituation und Infrastruktur angewiesen und gleichzeitig durch Verdrängung gefährdet ist. Die Indikatoren Aufwertungspotential (vorhandene Möglichkeiten, den baulichen Zustand des Gebäude- und Wohnungsbestandes über den zeitgemäßen Ausstattungsstandard hinweg wohnwerterhöhend zu verändern), Aufwertungsdruck (wohnwerterhöhendes Potenzial wird im Gebiet bereits genutzt bzw. die Rahmenbedingungen geben dazu Anlass) und ein Verdrängungspotential (soziodemografische Rahmenbedingungen bestätigen ein Verdrängungspotential) können Hinweise auf Verdrängung geben. Die Segregation muss aber darüber hinaus nachweislich negative städtebauliche Folgen erwarten lassen.

 

Verdachtsgebiet Schöneberger den:

Als Ergebnis der o.g. Voruntersuchungen wurde das Verdachtsgebiet Schöneberger Süden identifiziert. Die Gutachter führen hierzu aus:

Das UntersuchungsgebietSchöneberger Süden umfasst die Planungsräume Kaiser-Wilhelm-Platz, Volkspark (Rudolf-Wilde-Park) sowie dem bislang noch nicht als soziales Erhaltungsgebiet festgesetzten südlichen Teilbereich des Planungsraumes Bayerischer Platz. Die Blöcke des Planungsraums Kaiser-Wilhelm-Platz sind durch eine gründerzeitliche Blockrandbebauung gekennzeichnet, die nur vereinzelt durch Mischbebauung unterbrochen wird. Die beiden westlichen Planungsräume sind heterogener. Neben geschlossener Blockrandbebauung ist hier sowohl Mischbebauung als auch Zeilenbebauung zu finden.

Aufgrund der Baustruktur, der überwiegend privatwirtschaftlich geprägten Eigentümerstruktur und dem insbesondere in den Wohnblöcken entlang der Hauptstraße festgestellten hohen Kleinraumwohnungsbestand besteht ein Aufwertungspotenzial für weite Teile des Wohnungsbestandes. Hinsichtlich der Indikatoren zum Aufwertungsdruck zeigt sich eine Ausprägung bei den erteilten Abgeschlossenheitsbescheinigungen und Baumaßnahmen in den Blöcken, die direkt an die bestehenden sozialen Erhaltungs-gebiete angrenzen sowie angrenzend an den S-Bahnhof Schöneberg. Die Wohnungsverkäufe waren in allen Teilgebieten hoch bis sehr hoch, eine Dynamik bei Wohnungsumwandlungen ist insbesondere im Planungsraum Kaiser-Wilhelm-Platz festzustellen. Es bestehen außerdem in allen Teilbereichen mittlere bis hohe Potenziale zur Wohnungsumwandlung. Bei der Betrachtung der soziodemographischen Indikatoren des Verdrängungspotenzials fällt auf, dass im gesamten Schöneberger Süden der Anteil an Personen mit einer Wohndauer von über fünf Jahren an derselben Adresse hoch bis sehr hoch ist und es in den vergangenen Jahren kaum Veränderungen gab. In den Wohnblöcken des Kaiser-Wilhelm-Platzes ist der Anteil an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten geringer als in den westlichen Teilgebieten. Der Bezug von Transferleistungsbeziehenden ist insbesondere in den zum Planungsraum Bayerischer Platz gehörenden Blöcken unterdurchschnittlich ausgeprägt. Auffällig ist, dass das Wanderungssaldo der 18- bis 35-Jährigen teilweise stark ausgeprägt ist, was auf Veränderungen in der Sozialstruktur hinweisen kann. Die Indikatoren zum Verdrängungspotenzial sind in den gründerzeitlichen Blöcken des Verdachtsgebietes ausgeprägter.

Das Teilgebiet Schöneberger Süden weist ein insgesamt hohes Aufwertungspotenzial auf. Im Rahmen der Ortsbegehung konnten jedoch teilräumliche Unterschiede festgestellt werden. Insbesondere südlich der Hauptstraße sind Gebäude mit unsanierten Fassaden und Schäden an der Fassade vorhanden. In den nördlich der Hauptstraße gelegenen Teilbereich des Planungsraumes Kaiser-Wilhelm-Platz ist der Sanierungs- und Modernisierungsstatus höher als im Süden, aber auch hier sind Modernisierungspotenziale im Hinblick auf die Fassade, den Anbau von Balkonen und den Dachgeschossausbau zu erkennen. Auch die in Blockrandstruktur errichteten Gebäude der 1950er und 1960er Jahre im nördlich der Hauptstraße gelegenen Teilbereich des Planungsraumes Volkspark sowie dem noch nicht festgesetzten Teilgebiet des Planungsraumes Bayerischer Platz weisen ein Sanierungs- und Modernisierungspotenzial auf. Dort ist auch ein hohes Potenzial zur energetischen Sanierung feststellbar. Im Ergebnis der Analyse wird für das in der [Anlage 1] dargestellte Gebiete eine vertiefende Untersuchung vorgeschlagen, da die soziodemografischen sowie immobilienwirtschaftlichen Entwicklungen vor allem in den gründerzeitlichen Blöcken eine hohe Dynamik aufweisen.

Umwandlungstendenzen sind nördlich der Hauptstraße erkennbar. Auffällig sind auch die Blöcke zwischen Erfurter Straße und Innsbrucker die bereits zu einem großen Teil umgewandelt sind, aber noch vereinzelt Umwandlungspotenziale bieten und daher in das Verdachtsgebiet mit aufgenommen werden. Anders ist der Umwandlungsstatus im Block zwischen Innsbrucker Straße, Wartburgstraße und Nordsternstraße; dieser Wohnblock ist bereits komplett umgewandelt und wird daher aus dem Verdachtsgebiet herausgenommen. Östlich schließt sich ein genossenschaftlicher Wohnblock an. Des Weiteren wurden Blöcke, die nicht der Wohnnutzung dienen und die Gebietskulisse nicht zu sehr zerschneiden, herausgenommen wie z. B. der Heinrich-Lassen-Park, der Rudolf-Wilde-Park, das Rathaus Schöneberg, das Amtsgericht und die Hochschule für Wirtschaft und Recht.

Bei der vertiefenden Untersuchung ist insbesondere zu prüfen, welchen Ausstattungszustand die vereinzelten kommunalen Wohnungsbestände, z. B. an der Voßbergstraße und zwischen Badenscher Straße und Freiherr-von-Stein-Straße aufweisen und ob eine Steuerungswirkung für die Bestände durch das soziale Erhaltungsrecht ausgehen kann. Aufgrund der Baustruktur sind die Gebäude südlich des Heinrich-Lassen-Parks an der Dominicusstraße/Ecke Hauptstraße sowie der Gebäudekomplex „Schöneberger Terrassen“ an der Dominicusstraße nicht für klassische Aufwertungs- und Inwertsetzungsprozesse prädestiniert. In der vertiefenden Untersuchung ist dies zu überprüfen. Es sind bisher keine Aufwertungs- oder Umwandlungsmaßnahmen festzustellen.

Gemäß den Ergebnissen der Voruntersuchung ist das blockbezogene Aufwertungspotential als mittel bis hoch eingestuft worden. Der Aufwertungsdruck ist als mittel, nur vereinzelt als hoch bewertet worden. Das Verdrängungspotential ist als mittel, teilweise als gering, beurteilt worden.

Beschreibung des Verdachtsgebietes:

Das Verdachtsgebiet ist ca. 110 ha groß und stellt für ca. 27.000 Einwohner den Wohnort dar. Es weist eine sehr hohe Einwohnerdichte in einem Quartier mit historischen Gründerzeitbebauung und Nachkriegsbauten aus den 1950er bis 1960 er Jahren auf.

Das innerstädtische Gebiet mit urbanen Nutzungsstrukturen und sehr guter Anbindung an den ÖPNV und sehr guter Anbindung an das übergeordnete Verkehrsnetz ist in Schöneberger, Friedenauer und Quartiere des Nachbarbezirks Charlottenburg Wilmersdorf eingebunden. Jenseits der Hauptverkehrsstraßen sind die Wohnstraßen als ruhig einzustufen.

Im Verdachtsgebiet selber und in direkter Nachbarschaft befinden sich Schulen, Kindertagesstätten, verschiedene Grün- und Freiflächen sowie ein Schwimmbad. Aber auch Nahversorgungsbereiche und Versorgungsbereiche mit überlokaler Funktion liegen im Verdachtsgebiet und direkter Umgebung.

 

Weiteres Vorgehen:

Auf der Grundlage der o.g. Voruntersuchungen ließ sich die Einleitung eines Verfahrens gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB begründen. Die vorhandenen, allgemein stark nachgefragten Gründerzeitwohnungen und die zentrale innerstädtische Lage (geprägt durch ruhige Wohnstraßen, gute ÖPNV-Anbindung, Parkanlagen) geben dem Verdachtsgebiet als Wohnstandort eine ausgesprochene Attraktivität mit der Möglichkeit, hohe Kauf- und Mietpreise zu erzielen.

Im weiteren Verfahren sind die Ergebnisse der Voruntersuchung durch weitergehende Untersuchungen (einschließlich repräsentativer Haushaltsbefragungen) zu vertiefen sowie die dann vorliegenden, gebietsspezifischen Ergebnisse zu analysieren und auszuwerten. Das Stadtforschungsbüro TOPOS wurde bereits zur Durchführung der Bestandsaufnahme und Analyse beauftragt.

Soweit die Untersuchungen den Verdacht des Vorliegens der Kriterien gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB bestätigen, kann der Erlass der sozialen Erhaltungsverordnung für das Gebiet Schöneberger Süden bzw. Teilgebiete beschlossen werden.

 

Rechtsgrundlagen:

-          Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722)

-          Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs (AGBauGB) in der Fassung vom 7. November 1999 (GVBl. S. 578), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juni 2015 (GVBl. S. 283)

- Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) in der Bekanntmachung der Neufassung vom 10. November 2011 (GVBl. S. 693)

 
 

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