Drucksache - 0217/XX  

 
 
Betreff: Das kommunale Vorkaufsrecht rechtssicher gestalten
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Die Fraktion GRÜNEBezirksamt
Verfasser:Frau Schöttler, AngelikaOltmann, Jörn
Drucksache-Art:AntragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
17.05.2017 
8. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin mit Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Erledigung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Kenntnisnahme
06.04.2022 
7. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Mitteilung zur Kenntnisnahme

Die BVV fasste auf ihrer Sitzung am 17.05.2017 folgenden Beschluss:

Die Bezirksverordnetenversammlung empfiehlt dem Bezirksamt, sich beim Senat von Berlin mit einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, dass entsprechende klarstellende Formulierungen im BauGB aufgenommen werden, um das Vorkaufsrecht für die Gemeinden und Bezirke zu gewährleisten.

Das Bezirksamt teilt hierzu mit der Bitte um Kenntnisnahme mit:
Hintergrund des Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung war das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26.04.2017 in der Vorkaufssache Großrschenstraße / Katzlerstraße. In anderen Vorkaufsverfahren widersprachen jedoch das Verwaltungsgericht Berlin (17.05.2018) und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (22.10.2019) der Rechtsauffassung des Landgerichts. Dem schloss sich das Kammergericht Berlin im Berufungsverfahren zur Großrschenstraße / Katzlerstraße zwar prinzipiell an. Gleichwohl hatte die Berufung des Landes Berlin aus formalen Gründen keinen Erfolg. Das Verfahren ist derzeit beim Bundesgerichtshof anhängig.

Am 09.11.2021 entschied nun das Bundesverwaltungsgericht über die Auslegung des § 26 Nr. 4 BauGB und verwies im Übrigen auf den Gesetzgeber. Diese Norm regelt, wann ein bestehendes Vorkaufsrecht trotzdem nicht ausgeübt werden darf. In der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Vorkaufsrecht in sozialen Erhaltungsgebieten nur noch in seltenen Fällen anwendbar. Daraufhin wandte sich das Bezirksamt mit Schreiben vom 07.02.2022 an Herrn Senator Geisel (Anlage 1) und formulierte darin aus hiesiger Sicht notwendige Rechtsänderungen, wenn das Vorkaufsrecht in sozialen Erhaltungsgebieten künftig wieder Anwendung finden soll:

"Sehr geehrter Herr Senator Geisel,

die Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin hat dem Bezirksamt empfohlen, sich beim Senat von Berlin für eine Bundesratsinitiative einzusetzen, dass klarstellende Formulierungen im Baugesetzbuch (BauGB) aufgenommen werden, um das Vorkaufsrecht für die Gemeinden und Bezirke zu gewährleisten. Dem komme ich sehr gerne nach.

Das Vorkaufsrecht ist neben dem Neubau ein wichtiges Instrument, um der Verknappung von preiswertem Wohnraum und den damit verbundenen negativen Folgen für Haushalte mit mittleren und niedrigen Einkommen entgegenzuwirken. Deshalb hat das Bezirksamt in den vergangenen Jahren auf der Grundlage des Konzepts Ihrer Verwaltung jeden Verkauf eines Wohnhauses in einem Milieuschutzgebiet intensiv geprüft. Gemeinsam mit den zuständigen Senatsverwaltungen und den städtischen Wohnungsbaugesellschaften gelang es, für ursprünglich 9 Objekte mit zusammen 220 Wohneinheiten das Vorkaufsrecht auszuüben. Eine wesentlich größere Rolle kommt jedoch den 61 Abwendungsvereinbarungen bzw. –erklärungen für insgesamt 1.736 Wohneinheiten zu.

Dem ist jedoch durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.11.2021 die Grundlage entzogen. Die vom Gericht vorgenommene wortwörtliche Auslegung des § 26 Nr. 4 BauGB belässt dem Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten keinen relevanten Anwendungsbereich. Auch wenn ich hoffe und derzeit auch davon ausgehe, dass die Abwendungsvereinbarungen in ihrem Bestand unangetastet bleiben, so musste bereits ein noch nicht bestandskräftiges Vorkaufsrecht aufgehoben werden. Es muss aber auch nachdenklich machen, wenn das Gericht zu § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB ausführt, eine Abwendung setze ein fristgerechtes Handeln, nicht aber eine Verpflichtung zum Unterlassen einer Änderung voraus. Selbst wenn das Bundesverwaltungsgericht dies nicht intendiert haben sollte, könnte es damit dennoch eine Diskussion über den zulässigen Inhalt von Abwendungsvereinbarungen auslösen.

 

Für eine künftige, rechtssichere Anwendbarkeit des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten ist eine Rechtsänderung unumgänglich. Deshalb unterstütze ich ausdrücklich die Bemühungen des Senats für eine Anpassung des Baugesetzbuchs. Allerdings wird es nicht genügen, lediglich die Anwendbarkeit des § 26 Nr. 4 BauGB auf Vorkaufsrechte in Erhaltungsgebieten auszuschließen. Daneben erscheint mir eine Klarstellung zum Abwendungsrecht in § 27 BauGB dahingehend notwendig, dass

  •  zum einen die Abwendung auch in einer Unterlassungsverpflichtung
  •  und zum anderen die Abwendung im Fall des Milieuschutzes nicht nur in der Beachtung des ohnehin geltenden Rechts bestehen kann.

Schließlich könnte eventuell auch eine weitergehende Klarstellung zum Merkmal des Wohls der Allgemeinheit in § 24 Abs. 3 BauGB zur Rechtssicherheit beitragen.

r eine Information zu den Zielen und zum Stand Ihrer Bemühungen und den nächsten Schritten, die ich der Bezirksverordnetenversammlung zur Kenntnis bringen darf, wäre ich Ihnen sehr dankbar."


Mit Schreiben vom 09.03.2022 antwortete Herr Senator Geisel wie folgt:

"Sehr geehrte Frau Bezirksstadträtin Schöttler,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 07.02.2022. Die Sicherung gemischter Quartiere und der Schutz von Mieterinnen und Mietern vor Verdrängung ist für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen und auch für mich persönlich ein wichtiges Anliegen. Daher setze ich mich angesichts des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021 für eine Änderung des Baugesetzbuchs zur Stärkung der öffentlich-rechtlichen Vorkaufsrechte ein.

Ich stimme Ihnen zu, dass das Vorkaufsrecht neben den weiteren Instrumenten, die das Baugesetzbuch bereithält, wichtig ist, um die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung effektiv schützen zu können. Ich bin mir auch bewusst, dass der Bezirk Tempelhof-Schöneberg in den letzten Jahren intensiv Fälle geprüft und erfolgreich Abwendungsvereinbarungen abgeschlossen sowie Vorkaufsrechte ausgeübt hat. Sie haben richtigerweise festgestellt, dass der Abschluss von Abwendungsvereinbarungen oder subsidiär die Ausübung von Vorkaufsrechten für Grundstücke, die in sozialen Erhaltungsgebieten liegen, seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts leider nur noch in sehr wenigen Fällen möglich ist. Damit ist ein wichtiges städtebauliches Instrument für die Verwaltung weggefallen. Das Land Berlin engagiert sich daher für eine diesbezügliche Anpassung des Baugesetzbuchs, um weiterhin rechtssicher die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung auch für die Zukunft nachhaltig sichern zu können. Hier ist in erster Linie der Bundesgesetzgeber gefragt, der die Gesetzesänderung vornehmen muss. Das Land Berlin hat noch im November 2021 eine Gesetzgebungsinitiative in den Bundesrat eingebracht.

Da hierüber bisher nicht entschieden worden ist, werden die Freie und Hansestadt Hamburg und das Land Berlin gemeinsam einen Entschließungsantrag zur Änderung der Vorschriften zu den Vorkaufsrechten im Baugesetzbuch zum Schutz der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in den Bundesrat einbringen. Voraussichtlich wird hierüber im März 2022 im Senat entschieden. Im April 2022 soll über den Antrag im Plenum des Bundesrates beraten werden.

Die Anpassung des Baugesetzbuches hinsichtlich der Vorkaufsrechte ist auch aus meiner Sicht eine wichtige Voraussetzung, um dieses Instrument für die Wohnungspolitik und die Sicherung bezahlbarer Mieten auch weiterhin wirksam einsetzen zu können."

Wir bitten darum, die Drucksache Nr. 0217/XX als erledigt zu betrachten.

 

 
 

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