Drucksache - 1123/XIX  

 
 
Betreff: des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg von Berlin gem. § 12 Abs. 2 Nr. 4 des BezVG über eine Erhaltungsverordnung für das Gebiet "Bautzener Straße" für die Grundstücke zwischen Goeben-, Yorck-, Bautzener-, Monumentenstraße, der östlichen Grenze des St. Mattäus-Kirchhofs, Großgörschenstraße und Potsdamer Straße im Bezirks Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöeneberg
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
Verfasser:Frau Dr. Klotz, SibyllSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:Vorlage zur BeschlussfassungVorlage zur Beschlussfassung
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtentwicklung Beratung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
18.06.2014 
35. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
Geltungsbereich Bautzener
RVOBautz
SchoenGross_endfassung_280514
Vorlage zur Beschlussfassung

Das Bezirksamt bittet:

Das Bezirksamt bittet:

 

die Begründung für den Erlass einer Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) für das Gebiet „Bautzener Straße“, für die Grundstücke zwischen Goeben-, Yorck-, Bautzener-, Monumentenstraße, östlicher Grenze des St. Mattäus-Kirchhofs, Großgörschenstraße und Potsdamer Straße im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg und den Entwurf der Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) für das Gebiet „Bautzener Straße“ im Bezirk Tempelhof-Schöneberg von Berlin, Ortsteil Schönerberg zu beschließen.

 

Begründung:

Dem Erlass der sozialen Erhaltungsverordnung geht eine städtebauliche Untersuchung (im Jahr 2013) voraus. Die Verordnungs-Begründung basiert auf den Ergebnissen der “Untersuchung zur Begründung einer sozialen Erhaltungsverordnung für das Gebiet Großgörschenstraße / Kaiser-Wilhelm-Platz“ des Büros TOPOS Stadtplanung Landschaftsplanung Stadtforschung, April 2014 (vgl. Anlage 1), im Weiterem nur kurz Untersuchung genannt.

 

I. Zentrale Ergebnisse zu Sozialstruktur und Wohnungsversorgung

Das Gebiet Bautzener Straße hat gemessen an dem Berliner Mittel eine unterdurchschnittliche soziale Lage. Es unterscheidet sich damit deutlich von dem benachbarten Gebiet Kaiser-Wilhelm-Platz. Der größte Teil des Gebiets liegt in dem ehemaligen Sanierungsgebiet Bülowstraße. Er ist heute Teil der Gebietskulisse des Quartiersmanagementgebiets Bülowstraße / Wohnen am Kleistpark.

-        Insgesamt hat das Gebiet ein unterdurchschnittliches Einkommensniveau.

-        Der Migrantenanteil liegt mit 54% deutlich höher als in den anderen untersuchten Gebieten. Das Einkommensniveau der Migranten ist weit unterdurchschnittlich.

-        Der Wohnflächenverbrauch pro Kopf ist niedrig.

-        Das Mietniveau in den anderen Beständen ist knapp durchschnittlich.

-        Die soziale Infrastruktur ist auf die speziellen Bedürfnisse der Bevölkerung abgestimmt.

II. Überprüfung der Anwendungsvoraussetzungen

§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 BauGB bestimmt, dass Genehmigungsvorbehalte gemacht werden können, wenn durch bauliche Maßnahmen die soziale Zusammensetzung der Gebietsbevölkerung verändert wird und dadurch negative städtebauliche Entwicklungen ausgelöst werden.

Die Untersuchung hat gezeigt, dass im Gebiet

-              eine Verdrängungsgefahr existiert und Aufwertungspotentiale vorhanden sind,

-              die konkreten Auswirkungen baulicher Maßnahmen die Struktur der Wohnbevölkerung verändern und

-       negative städtebaulichen Folgen daraus resultieren.

 

II.1 Aufwertungsspielraum

Im Gebiet Bautzener Straße verfügen nur wenige Wohnungen nicht über eine Vollstandardausstattung. Allerdings hat die Untersuchung gezeigt, dass auch in Wohnungen, die bereits eine Vollstandardausstattung haben, über den durchschnittlichen Standard hinaus modernisiert wird.

Schließlich fehlen in einem sehr großen Teil der Vollstandardwohnungen einzelne Ausstattungsmerkmale wie Fliesen im Bad, Doppelfenster in allen Räumen, Balkone, die sowohl als Sondermerkmale im Berliner Mietpreisspiegel einbezogen sind, als auch auf dem heutigen Wohnungsmarkt für ein gehobenes Wohnungsangebot Voraussetzung sind. Aufzüge sind nur in einem geringen Maße im Gebiet vorhanden.

Ein weiterer relevanter Aufwertungsspielraum besteht bei Wohnungen, die MieterInnen mit eigenen Investitionen auf Vollstandard gebracht haben. Schließlich liegt bisher nur ein geringer Teil der Wohnungen in Gebäuden, die energetisch aufgerüstet wurden. Auch in diesen Gebäuden wurde bisher jeweils nur ein Teil der möglichen Maßnahmen zur Energieeinsparung vorgenommen, so dass im Bereich der energetischen Modernisierung noch ein erhebliches Aufwertungspotenzial vorhanden ist.

Aufgrund der großen Nachfrage und der gestiegenen Erwartungen einkommensstärkerer Haushalte an die Ausstattung der Wohnung ist das Aufwertungspotenzial im Gebiet in größerem Umfang vorhanden.

 

II.2 Verdrängungspotential

Der Anteil von Haushalten mit deutlich unterdurchschnittlichem Einkommen ist im Gebiet Bautzener Straße hoch. Durch die Gefahr, dass einkommensstärkere Gruppen verstärkt in das Gebiet drängen, ist das Verdrängungspotenzial insgesamt im Gebiet groß.

9% der Haushalte sind entsprechend der Kriterien der Berliner Senatsverwaltung arm, weitere 27% haben ein prekäres Einkommen und insgesamt 65% haben ein Einkommen unter dem Berliner Durchschnittsniveau. Diese müssen bereits jetzt, trotz stark unterdurchschnittlichem Wohnflächenkonsum (unter 30 m² pro Person) und deutlich unterdurchschnittlicher Quadratmetermiete fast 40% ihres Einkommens für die Warmmiete aufwenden.

 

II.3 Aufwertungsdruck

Der Aufwertungsdruck zeigt sich zum einen darin, dass die „ZuwanderInnen“ in das Gebiet ein überdurchschnittliches Einkommen haben. Zum anderen wird er durch den Umfang der Modernisierungsmaßnahmen, der in den letzten Jahren hoch war, deutlich.

Darüber hinaus zeigt sich das Erstarken des Aufwertungsdrucks in der Entwicklung der Miete, die bei den „ZuwanderInnen“ deutlich über die Werte des Berliner Mietspiegels hinausgeht.

 

II.4 Ergebnis

Im Gebiet gibt es in nahezu allen Wohnungsbeständen deutliche Aufwertungspotentiale. Aufgewertete Wohnungen werden von einkommensstarken Haushalten stark nachgefragt. Das Einkommensniveau der durchschnittlichen Gebietshaushalte reicht in der Regel nicht dazu aus, Mieten in aufgewerteten Wohnungen zu tragen.

Daher ist davon auszugehen, dass die Haushalte mit unterdurchschnittlichem Einkommen (ca. 65%) bei Aufwertungs­investitionen verdrängungsgefährdet sind.

 

III. Städtebauliche Folgen einer Veränderung der Sozialstruktur

Voraussetzung für den Erlass einer Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB ist das Vorliegen städtebaulicher Gründe für den Schutz der angestammten Wohnbevölkerung vor Verdrängung.

Als Ergebnis der Untersuchung zeigt sich eine Tendenz zu städtebaulichen Fehlentwicklungen, wenn das Instrumentarium der Erhaltungsverordnung nicht eingesetzt werden würde.

 

  • Verlust preiswerten Wohnraums

Aufgrund des hohen Anteils an Haushalten mit unterdurchschnittlichem Einkommen ist der Bedarf an preiswerten Wohnungen im Gebiet Bautzener Straße hoch. Allerdings sinkt auf allen Teilmärkten des Berliner Wohnungsmarkts einschließlich des Sozialen Wohnungsbaus das Angebot preiswerter Wohnungen. Preiswerter Wohnraum geht kontinuierlich durch Modernisierungsinvestitionen verloren. Im Gebiet hat es in den letzten Jahren entsprechende Entwicklungen gegeben, die zu deutlichen Mietpreiserhöhungen geführt haben.

Zur Zeit wird daher im Rahmen der Neufassung des Stadtentwicklungsplans (STEP) Wohnen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung intensiv die Notwendigkeit der Planung und Errichtung zusätzlicher geförderter Wohnungen speziell für einkommensschwächere Haushalte untersucht. Die sich daraus ergebenden städtebaulichen Probleme sind für das Land Berlin umso größer, je größer die Zahl einkommensschwacher Haushalte ist, die aus Gebieten wie dem Gebiet Bautzener Straße verdrängt werden. Für die Versorgung der Haushalte mit unterdurchschnittlichem Einkommen stellen die Altbauwohnungen mit niedrigen Mieten ein derzeit nicht zu ersetzendes Angebot dar.

Unter den gegebenen Umständen lässt sich die Deckung des Wohnungsbedarfs der Haushalte mit unterdurchschnittlichem Einkommen nur sichern, wenn vorhandener preiswerter Wohnraum auch längerfristig erhalten wird und Modernisierungsinvestitionen auf die Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungsstandards beschränkt werden.

 

  • Unterausnutzung der Gebietsinfrastruktur

Das Untersuchungsgebiet Bautzener Straße ist seit vielen Jahren ein sozial gemischtes Wohngebiet mit einem besonders hohen Anteil von MigrantInnen. In den vergangenen Jahrzehnten, sowohl während der Zeit als festgesetztes Sanierungsgebiet als auch seit der Zuordnung zu einem Quartiersmanagementgebiet, sind erhebliche Anstrengungen unternommen worden, öffentliche, religiöse und private Einrichtungen auf die besonderen Bedürfnisse dieser Bevölkerung zuzuschneiden. Hierzu gehören sowohl Beratungsangebote für Mieterinnen und Mieter als auch für ausländische BewohnerInnen, Ganztagsschulen, Kulturzentren, Angebote für alternative gewerbliche Aktivitäten und Geschäfte für ethnische Minoritäten. Für den hohen Anteil an Migranten wurden im Gebiet speziell Einrichtungen wie z. B. "Der besondere Ort für Kunst und Kultur - Kültür ve Sanat için özel bir yer", die " Huzur Seniorenfreizeitstätte" und die Jugendeinrichtung "Treff 62" geschaffen. Zudem sind die Beschäftigten aller infrastrukturellen Einrichtungen zur Bewältigung der besonderen Ansprüche und Probleme der einzelnen Bevölkerungsgruppen speziell qualifiziert worden. Auf diese Weise ist die Gebietsinfrastruktur qualitativ und quantitativ besser auf die örtlichen Bedarfe zugeschnitten als in anderen Gebieten.

Die besondere Eignung der Gebietsinfrastruktur für die Gebietsbevölkerung zeigt sich in den aktuellen Untersuchungsergebnissen. Die Nutzungsintensität der gebietlichen Infrastruktur ist hoch.

Bei der Analyse der Nutzung der gebietlichen sozialen Infrastruktur zeigt sich, dass die Angebote recht gut auf die gebietsspezifische Nachfrage ausgerichtet sind und die Gebietsbevölkerung offensichtlich auf die Angebote vor Ort angewiesen ist.

Insgesamt hätten Veränderungen der Bevölkerungsstruktur signifikante Auswirkungen auf die Struktur der infrastrukturellen Versorgung. Eine veränderte Zusammensetzung der Bevölkerungsstruktur würde Umstrukturierungen der infrastrukturellen Versorgung sowohl innerhalb des Gebiets als auch in den benachbarten Innenstadtwohngebieten sowie in den Außenbezirken erfordern, in die Teile der Gebietsbevölkerung abwandern müssten.

 

  • Verstärkung von Segregationsprozessen in der Gesamtstadt

Viele Haushalte im Gebiet, unter ihnen ein hoher Anteil an MigrantInnen, sind verdrängungsgefährdet. Eine zunehmende Verdrängung einkommensschwacher Haushalte wird zu einer Verstärkung eines gravierenden städtebaulichen Problems in Berlin führen, nämlich einer Verstärkung der Entwicklung von Problemquartieren.

Wenn die ökonomisch schwachen Teile der Bevölkerung durch Modernisierungsinvestitionen zum Verlassen der bisherigen Wohnungen gezwungen werden, werden selektive Wanderungsprozesse verstärkt. Ein großer Teil dieser Haushalte, insbesondere aber diejenigen mit geringen Chancen für eine selbstbestimmte Verbesserung ihrer sozialen Lage, wandern nämlich in Gebiete ab, die bereits aufgrund ihrer hochsegregierten Bevölkerungsstruktur als Problemgebiete eingestuft sind. Als eines der wichtigsten städtebaulichen Entwicklungsziele hat daher der Berliner Senat festgelegt, derartige Segregationsprozesse zu verhindern.

 

Das Gebiet Bautzener Straße hat eine besonders verkehrsgünstige Lage. Es verfügt über eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). So liegen innerhalb der Gebietsgrenzen zwei S-Bahnhöfe und zwei U-Bahnhöfe. Dies zeigt sich in einer hohen Nutzungsintensität des ÖPNV.

Gleichzeitig verfügt das dicht bebaute Wohngebiet nur über wenige Kraftfahrzeug-Stellplätze. Aufgrund der dichten Bebauung befinden sich mit wenigen Ausnahmen Stellplätze nur auf öffentlichem Straßenland, die selbst bei dem geringen gegenwärtigen PKW-Besatz nicht ausreichen. So führt der ruhende Verkehr zu einer gravierenden Belastung des Wohngebiets und zu einer deutlichen Wohnwertbeschränkung.

Die Kapazität der das Gebiet berührenden Hauptverkehrsstraßen, die den privaten Verkehr aufnehmen müssen, ist während der Hauptverkehrszeiten bereits erschöpft. Aus diesen Gründen strebt die Berliner Verkehrsplanung eine stärkere Nutzung des ÖPNV bei gleichzeitiger Eindämmung der Benutzung der privaten Kraftfahrzeuge an.

Die Bevölkerung im Gebiet unterschreitet den in Berlin durchschnittlich üblichen Besitz an Personenkraftwagen mit ca. 60% deutlich. Dadurch wird ebenso die prekäre Verkehrssituation vor Ort entlastet, als auch die gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs überdurchschnittlich genutzt. Dagegen verfügen die Haushalte mit einem Einkommensniveau oberhalb des Gebietsdurchschnittes, die besonders häufig zu den „ZuwanderInnen“ in modernisierte, überdurchschnittlich ausgestattete Wohnungen zählen, über deutlich mehr Autos als der Durchschnitt der BewohnerInnen (310 gegenüber 227 pro 1000 Einwohner). Bei einer Fortsetzung dieses Trends würde die Situation sowohl des ruhenden als auch des fließenden Verkehrs weiter verschlechtert. Damit würden zusätzliche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur notwendig bei gleichzeitig schlechterer Auslastung des ÖPNV und damit einer Entwertung der vorhandenen Angebote des ÖPNV.

Zusätzlich bringt eine Erhöhung des Verkehrsaufkommens eine weitere Erhöhung der Immissionsbelastung des Wohngebiets mit Schadstoffen und Lärm mit sich. Innenstadtnahe Wohngebiete haben aber bereits jetzt besonders hohe Belastungswerte, die häufig die Grenzwerte überschreiten.

 

Insgesamt sind also die negativen Auswirkungen einer möglichen Sozialstrukturveränderung auf die Verkehrsinfrastruktur, den städtebaulichen Charakter des Wohngebiets und die Umweltbelastung als gravierend einzuschätzen.

 

IV. Prüfkriterien bei der Anwendung der sozialen Erhaltungsverordnung

Welche Prüfkriterien im Rahmen des Antragsverfahrens herangezogen werden sollen, wird im weiterem Verfahren geprüft und erarbeitet. Die „Prüfkriterien für die Umsetzung der sozialen Erhaltungsverordnung“ werden dem Bezirksamt zur Beschlussfassung und der Bezirksverordnetenversammlung zur Kenntnisnahme vorgelegt. Der Beschluss wird im Amtsblatt für Berlin bekannt­gemacht werden.

 

 
 

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