Drucksache - 0880/XIX  

 
 
Betreff: Auf Handlungsoptionen des Bezirks bei überhöhten Mieten hinweisen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Bezirksverordnete DIE LINKEBezirksamt
Verfasser:Herr Schworck, OliverSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:AntragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
20.11.2013 
27. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Entscheidung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
19.02.2014 
30. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Änderungsantrag
Mitteilung zur Kenntnisnahme

Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen:

Die BVV fasste auf ihrer Sitzung am 20.11.2013 folgenden Beschluss:

 

Die Bezirksverordnetenversammlung ersucht das Bezirksamt zu prüfen, ob auf der Homepage der Bezirksseite darauf hingewiesen werden kann, dass Mietpreisüberhöhungen über 20% des ortsüblichen Mietspiegels, eine Ordnungswidrigkeit nach §5 Wirtschaftsstrafgesetz darstellen.

Für die betroffenen Mieterinnen und Mieter sollen außerdem bezirkliche Beratungsmöglichkeiten aufgelistet werden, bei denen sie Unterstützung erhalten können.

 

 

 

Das Bezirksamt teilt hierzu mit der Bitte um Kenntnisnahme mit:

 

Es ist natürlich möglich, auf der Homepage des Bezirksamtes auf die Möglichkeit einer Ordnungswidrigkeit nach § 5 WiStrG hinzuweisen. Allerdings müsste dann auch in etwas ausführlicherer Form auf die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ordnungswidrigkeit hingewiesen werden, um zu vermeiden, dass überhöhte Erwartungen bei den Bürgerinnen und Bürgern entstehen.

 

Eine Ordnungswidrigkeit nach § 5 WiStrG liegt nur dann vor, wenn die folgenden gesetzlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind:

 

  1. Die im Mietvertrag vereinbarte Miete muss mindestens 20% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

 

  1. Es muss ein geringes Angebot an vergleichbaren Wohnungen vorliegen.

 

  1. Der Vermieter muss dieses geringe Angebot ausgenutzt haben, um eine überhöhte Miete zu verlangen.

 

  1. Schließlich muss der Vermieter schuldhaft gehandelt haben.

 

In der Praxis bedeutet dies für die behördliche Prüfung (nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs):

 

Zu 1.

Die Feststellung der überhöhten Miete ist im Regelfall unproblematisch, da hierfür der Berliner Mietspiegel als „qualifizierter Mietspiegel“ nach § -558d BGB herangezogen werden kann. Sofern der Mietspiegel zu einer Wohnung keine Angaben enthält muss die im Einzelfall übliche Miete unter Einholung eines Sachverständigengutachtens aus einer repräsentativen Anzahl vergleichbarer Einzelobjekte festgestellt werden

 

Zu 2.

Die Feststellung eines geringen Angebots an vergleichbaren Wohnungen gestaltet sich deutlich schwieriger. Eine Mangellage muss zwar nicht bestehen, denn es genügt, dass der Wohnungsmarkt unausgeglichen ist. Das ist der Fall, wenn das örtliche Angebot an vergleichbaren Mieträumen spürbar geringer ist als die Nachfrage, wobei auf das gesamte Gebiet der Gemeinde und nicht nur auf den Stadtteil, in dem sich die Wohnung befindet, abzustellen ist. Das Merkmal des "geringen Angebots" ist deshalb nicht erfüllt, wenn der Wohnungsmarkt für vergleichbare Wohnungen nur in dem betreffenden Stadtteil angespannt, im übrigen Stadtgebiet aber entspannt ist.

 

Zu 3.

Nach Ansicht des BGH ist das Tatbestandsmerkmal des „Ausnutzens“ nur gegeben, wenn der Vermieter erkennt oder in Kauf nimmt, dass der Mieter sich in einer Zwangslage befindet, weil er aus nachvollziehbaren gewichtigen Gründen nicht auf eine preiswertere Wohnung ausweichen kann. Hierbei muss zwischen der Mangellage und dem Ausnutzen ein Kausalzusammenhang bestehen. Es kommt also darauf an, ob der konkrete Mieter im Einzelfall besondere Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche gehabt hat. Der Mieter muss dabei im Einzelnen darlegen, welche Bemühungen er bei der Suche nach einer angemessenen Wohnung unternommen hat und weshalb diese Suche erfolglos geblieben ist. Dies sei (lt. BGH) notwendig, weil auf Seiten des Mieters viele denkbare Motivlagen zum Vertragsabschluss geführt haben können.

Wer die geforderte Miete ohne Weiteres oder aus besonderen persönlichen Gründen zu zahlen bereit ist, wer also eine objektiv bestehende Ausweichmöglichkeit nicht wahrnimmt, wird nicht "ausgenutzt". Als Ausweichmöglichkeit wird hierbei auf das gesamte Stadtgebiet abgestellt.

 

Zu 4.

Die Ordnungswidrigkeit des § 5 WiStG kann vorsätzlich oder leichtfertig begangen werden. Der Täter handelt vorsätzlich, wenn er bei der Forderung oder Entgegennahme des unangemessen hohen Entgelts die Umstände kennt, denen das geringe Angebot vergleichbarer Wohnungen zu entnehmen ist, und wenn er weiß, dass das Entgelt nicht unwesentlich höher als das ortsübliche und nur im Hinblick auf das geringe Angebot zu erzielen ist.

Leichtfertig handelt jemand, der sich nicht über die Angemessenheit des Mietzinses durch Erkundigungen informiert. Er muss sich nicht nur bei einer kompetenten Stelle über die örtliche Vergleichsmiete, sondern auch über die Marktlage vergewissern.

 

Es muss daher leider festgestellt werden, dass die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 WiStrG in nur sehr wenigen Fällen gerichtsfest nachgewiesen werden können. Es ist daher sehr schwierig, eine Ordnungswidrigkeit nach § 5 WiStrG wirksam zu verfolgen.

 

Demnach könnte ein besonderer Hinweis auf der Homepage des Bezirkes die Bürgerinnen und Bürger insofern irre führen, als das von offizieller Seite ein möglicher Erfolg im Ordnungswidrigkeitenverfahren suggeriert wird.

 
 

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