Drucksache - 0871/XIX  

 
 
Betreff: Einrichtung von Selbstverteidigungskursen für Mädchen und Frauen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Frakt. SPD, GRÜNEBezirksamt
Verfasser:Frau Kaddatz, JuttaSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:AntragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Ausschuss für Frauen-, Queer- und Inklusionspolitik Beratung
12.03.2015 
17. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Frauen-, Queer- und Inklusionspolitik vertagt   
09.07.2015 
19. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Frauen-, Queer- und Inklusionspolitik mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   
Ausschuss für Sport Beratung
14.04.2015 
31. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Sport vertagt   
12.05.2015 
32. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Sport      
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
20.11.2013 
27. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Entscheidung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
18.02.2015 
43. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Mitteilung zur Kenntnisnahme
Mitteilung zur Kenntnisnahme

 

 

Das Bezirksamt teilt zu der o.g. Drucksache folgendes mit:

 

Es wurden im Bezirk ansässige Vereine, die aus Sicht des Sportamtes für Angebote von Selbstverteidigungskursen für Frauen und Mädchen in Frage kommen, die Volkshochschule sowie die FachAG Mädchen und junge Frauen angeschrieben und über die Drucksache informiert. Um dem Anliegen der Bezirksverordnetenversammlung nachkommen zu können und perspektivisch das Angebot von Selbstverteidigungskursen für Mädchen und Frauen im Bezirk Tempelhof-Schöneberg ggf. auszubauen, wurde um Unterstützung und fachliche Stellungnahmen gebeten.

 

In den Rückantworten der Vereine kommt zum Ausdruck, dass grundsätzliche Bereitschaft besteht, die bereits bestehenden Angebote auszuweiten. Dies bedingt aber die Bereitstellung von zusätzlichen Hallenzeiten, die ggf. zulasten anderer Angebote gehen würden, wenn keine Erweiterung der Kapazitäten in Angriff genommen werden kann. Es gibt jedoch  auch Mitteilungen von Vereinen, die keinen Bedarf zusätzlicher Angebote sehen, da bereits ausreichend Angebote, die die Elemente der Selbstverteidigung und Selbstbehauptung einschließen, bestehen. U.a. wurde  darauf hingewiesen, dass sich nicht alle Kampfsportarten für die Selbstverteidigung eignen. So ist z.B. Kendo keine Selbstverteidigung im traditionellen Sinn wie Judo, Aikido oder Karate. Die Durchführung von Selbstverteidigungskursen für Frauen und Mädchen unterliegt darüber hinaus bestimmten Regularien und Auflagen (z.B. die anspruchsvolle Ausbildung der Kursleiterinnen und Kursleiter).

 

Stellvertretend für alle Vereine sei deshalb auszugsweise aus einem Schreiben eines im Bezirk beheimateten Judo-Vereins zitiert, der sich schon seit mehreren Jahren gemeinsam mit dem Berliner Ju-Jutsu Verband e.V. (BlnJJV) und dem Deutschen Ju-Jutsu-Verband e.V. (DJJV) dem Thema Gewaltprävention annimmt. Innerhalb seiner Vereinsarbeit widmet er sich insbesondere der Stärkung der Selbstsicherheit, damit Gefahren erkannt, vermieden und abgewehrt werden.

 

„Unsere Programme zielen besonders auf Kinder und Jugendliche und Frauen. Für Mädchen aber ist das Angebot eingeschränkt, da männliche Frauenkursleiter einer besonderen Problematik unterliegen. Hier ist eine Schnittstelle zur sexualisierten Gewalt im Sport und es gilt, die Kursleiter zu schützen.

Seitens des DJJV erfolgt eine gezielte, qualifizierte Ausbildung zu Frauenkursleitern/-innen, die mit einer Lizenzstufe „Frauenkursleiterin/-leiter“ abschließt und periodisch verlängert werden muss. Dadurch ist ein bundeseinheitlich hoher Standard gegeben.

Für Frauenkurse bzw. für ein spezielles Frauenselbstbehauptungs- und -selbstverteidigungdtraining werden im Verein ausschließlich Personen eingesetzt, die lizensierte Frauenkursleiterin bzw. Frauenkursleiter des DJJV sind und darüber hinaus zum größten Teil auch eine Lizenz als Breitensporttrainerin/-trainer C – Ju-Jutsu besitzen. Alle haben den Ehrenkodex des Deutschen Olympischen Sportbundes gegen sexualisierte Gewalt im Sport unterzeichnet und dem Verein gegenüber ein erweitertes Führungszeugnis vorgewiesen.

Da bei den Selbstverteidigungstechniken neben den einfachen Angriffen wie Hand-, Arm- oder Schulterfassen bzw. an den Haaren ziehen auch Techniken gegen das Umklammern des Körpers oder Würgetechniken im Stand oder am Boden geübt werden, wobei der fingierte Angriff vom Partner auf oder neben dem Körper bzw, auch zwischen den Beinen des Verteidigers liegen und die ggf. gegen die sexuelle Selbstbestimmung zielen, ist es unerlässlich, dass in diesem Training alle Übenden über das freie Bestimmungsrecht verfügen.

Sie müssen verbindlich erklären können, wie weit der Partner agieren darf. Bei einem Kontaktsport kann es zu Berührungen kommen, die bei anderen Sportarten oder im täglichen Leben unüblich sind. Aus diesem Grund ist oberstes Gebot: Es besteht keine Verpflichtung alle Übungen durchzuführen, alles ist freiwillig und im gegenseitigen Einverständnis, das Vertrauen in die Gruppe und zu dem Partner ist wesentliche und unerlässliche Grundlage des Trainings. Aus diesem Grund ist das Training im Verein auf volljährige Frauen ausgelegt.

Ausnahmen hiervon sind möglich, wenn die Erziehungsberechtigte gleichzeitig trainiert oder am Kurs teilnimmt.

 

Die Kurse können nicht kostenlos angeboten werden, da der Verein die Kosten der Aus- und Fortbildung der Kursleiter/-in trägt, Arbeitsmaterialien und Sportgeräte erforderlich sind und die Kursleiter/-in über eine Aufwandsentschädigung ihren Sportbedarf zum Teil finanzieren. Eine Mindestteilnehmerzahl ist erforderlich.

Die Teilnahme am regelmäßigen Frauentraining ist über die Vereinsmitgliedschaft geregelt.

 

Sehr optimistisch ist in dem Antrag die Einstellung, dass mit einer kurzzeitigen Unterweisung im tatsächlichen Ernstfall eines Angriffs eine effektive Selbstverteidigung möglich sei. In diesen Stresssituationen sind nur noch oftmals trainierte Bewegungsabläufe abrufbar.“

 

Diese sehr umfangreichen Ausführungen verdeutlichen, welche Problematiken sich hinter der Einrichtung bzw. bereits bestehender Angebote von Selbstverteidigungskursen für Mädchen und Frauen verbergen.

 

 

 

Die Volkshochschule teilt mit, dass sie im Programmjahr 2014/15 zwei Kurse im Angebot hat, in denen sich Frauen und Mädchen ab 15 Jahren Grundlagen des Selbstschutzes und der Selbstverteidigung aneignen können. Diese Kurse sind frei buchbar

Die entsprechende Ankündigung lautet:

Selbstverteidigung für Frauen und Mädchen ab 15 Jahren

Lösungen für Selbstschutz, Selbstbehauptung, Gewaltprävention sowie realistische Selbstverteidigungskonzepte werden vorgestellt und geübt. Durch vorbeugende Verhaltensregeln und Vorsichtsmaßnahmen können Gefahrensituationen rechtzeitig erkannt und vermieden werden. Einfache, leicht erlernbare, aber dennoch effektive Verteidigungstechniken werden einstudiert, um Gewalttätigkeiten abwenden zu können. Dies stärkt das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen der Teilnehmerinnen.

Kosten: jeweils 20,60 € (erm. 11,80 €)

 

 

Die fachliche Stellungnahme der FachAG Mädchen und junge Frauen Tempelhof-Schöneberg lautet wie folgt:

Die FachAG Mädchen T-S begrüßt die Initiative der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg zur Einrichtung von Selbstverteidigungskursen für Mädchen und Frauen im Bezirk.

 

In der Septembersitzung der FachAG Mädchen haben sich die Vertreterinnen mit dem Thema fachlich auseinandergesetzt und nachfolgende Kriterien aufgestellt, damit das Angebot zielführend für die Zielgruppe Mädchen und junge Frauen ist.

 

Die FachAG Mädchen sieht dieses Angebot von Selbstverteidigungskursen für Mädchen in Abgrenzung von VHS und Sportvereinen an, da es dort nicht niedrigschwellig genug angesiedelt wäre. Angebote über die VHS und Sportvereine sind nicht kostenlos und die meisten Mädchen der Jugendfreizeiteinrichtungen (um die es aber bei diesem Angebot auch gehen soll) finden dort alleine nicht hin.

Zudem soll es sich bei dem geplanten Angebot nicht um Sport sondern in erster Linie um ein Bildungs- und Gesundheitsangebot handeln. Neben den reinen Techniken sollen die Mädchen Körperwahrnehmung und -bewusstsein entwickeln, Bewusstsein für Nähe und Distanz: Wie nah darf mir jemand kommen? Wann ist es gerechtfertigt, dass ich STOP sage? Mädchen, bei denen Gewalterfahrungen zum Alltag gehören und so schon zur Normalität geworden sind, sollen erfahren, dass jede_r ein Recht auf Gewaltfreiheit und körperliche Unversehrtheit hat. (Verbesserung des Selbstwertgefühls und des Selbstbewusstseins, Empowerment,...)

 

Deswegen sieht die FachAG Mädchen für die gelingende Umsetzung des Angebotes zusammenfassend folgende Kriterien an:

 

       Niedrigschwelligkeit (Zugang und Durchführung)

       geschützter Rahmen (nur Mädchen und junge Frauen)

       Trainerinnen (geschlechterreflektiert, inklusionserfahren)

       kostenlos

       regelmäßig

       an drei Stationen im Bezirksamt in Anbindung an die Jugendfreizeiteinrichtungen als eine Möglichkeit

 

     Kontinuität und Nachhaltigkeit sollten als Norm gesetzt werden.

     Fernziel ist die Verstetigung eines regelmäßigen Angebotes.

 

 

Für den Vereinssport kann festgestellt werden, dass es zahlreiche Angebote dieser Art im Bezirk gibt und eine Angebotsausweitung aufgrund der Hallensituation sowie der zu erfüllenden Kriterien nicht zielführend ist. Allerdings sind die bestehenden Angebote nicht entgeltfrei.

 

Dagegen sollten die Ausführungen der FachAG Mädchen des Jugendbereiches, die eine Abgrenzung zur VHS und den Sportvereinen sieht, weiter verfolgt werden. In den Jugendfreizeiteinrichtungen könnten Mädchen mit niedrigschwelligen Angeboten erreicht werden, die noch nicht bei den Sportvereinen oder der VHS ankommen.

 

 
 

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