Drucksache - 1876/XVIII  

 
 
Betreff: Übertragung der Städtischen Pflegeeinrichtungen Tempelhof an die Vivantes – Forum für Senioren GmbH
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
Verfasser:Frau Dr. Klotz, SibyllBand, Ekkehard
Drucksache-Art:Vorlage zur BeschlussfassungVorlage zur Beschlussfassung
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Vorberatung
22.06.2011 
55. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
Vorlage zur Beschlussfassung

Das Bezirksamt legt der Bezirksverordnetenversammlung gemäß § 36 Abs

Das Bezirksamt legt der Bezirksverordnetenversammlung gemäß § 36 Abs. 2 i.V.m.    § 12 Abs. 2 Nr. 10 des Bezirksverwaltungsgesetzes folgenden Entwurf zur Beschlussfassung vor:

 

Beschluss: Der LHO Betrieb „Städtische Pflegeeinrichtungen“ wird zum 01.09.2011 an die Vivantes - Forum für Senioren GmbH übertragen.

 

 

Begründung:

 

Dem Bezirksamt als Aufsichtsgremium der Städtischen Pflegeeinrichtungen Tempelhof werden in den letzten Jahren negative Jahresabschlüsse zur Kenntnis vorgelegt. Es hat sich gezeigt, dass auch insbesondere durch den anstehenden hohen Investitions- und Sanierungsbedarf in die Häuser ein weiterer Betrieb als LHO- Betrieb nur unter Inkaufnahme hoher Defizite möglich ist.

 

Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Neben einem allgemeinen gesellschaftlichen Wandel hinsichtlich des Zeitpunkts des Eintritts in eine Pflegeeinrichtung spielen für die Angehörigen Lage, Angebot und Kosten eine wesentliche Rolle. Eine, aber nicht die allein entscheidende Ursache ist im Vergleich zu anderen Einrichtungen in den Tarifbedingungen für das Personal zu sehen. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine Auslastung von knapp unter 100 % in der Zukunft nicht mehr zu erwarten ist.

 

In Anpassung an die allgemeine Entwicklung von Senioreneinrichtungen wären erhebliche finanzielle Aufwendungen, z.B. für die Einrichtung von Abteilungen für Demenzkranke, notwendig.

 

Die in einem als durchaus durchschnittlich zu bewertenden baulichen Zustand befindlichen Anlagen am Kirchhainer Damm (Georg-Kriedte-Haus) und Westphalweg (Louise-Schroeder-Haus) haben beide für sich betrachtet unterschiedliche Problemlagen.

 

Das Georg-Kriedte-Haus liegt zwar auf einem parkähnlichen Grundstück mit mehreren Gebäudeteilen. Diese sind aber teilweise nicht miteinander verbunden. Die entsprechenden Außenanlagen verursachen einen überproportionalen Pflegeaufwand. Die Bewohnerinnen und Bewohner können aufgrund des hohen Alters und der Pflegebedürftigkeit dieses Angebot nicht mehr im gedachten Umfang nutzen. Es fehlt das allgemeine Wohnumfeld und der Ausbau der B 96 lässt eine steigende

 

Lärmbelästigung trotz geplanter Schutzmaßnahmen befürchten. Zusätzlich sind in den letzten Jahren im Umland von Berlin neue Einrichtungen entstanden, die eine günstigere Kostenstruktur aufweisen. Dafür wird von den Angehörigen ein minimal längerer Anfahrtsweg durchaus akzeptiert. Bereits jetzt lässt sich für die Einrichtung mit baulichem Fortschritt des Ausbaus der B 96 ein Rückgang der Bewohnerinnen- und Bewohnerzahlen verzeichnen.

 

Das Louise-Schroeder-Haus steht auf einer kompakten Grundfläche mit einem geringen Anteil an Außenanlagen, kann aber auf die gesamte Fläche des Volksparks Mariendorf verweisen. Es ist in ein intaktes Wohnumfeld eingebettet, verfügt jedoch über eine nur sehr begrenzte Bettenzahl in 71 Appartements. Zusätzlich betreibt die GEWOBAG auf dem Nachbargrundstück ein Seniorenwohnhaus, das den aktuellen Standards angepasst werden muss. Weiterhin befindet sich das Louise-Schroeder-Haus in unmittelbarer Nähe des vom Vivantes- Konzern betriebenen Wenckebach- Krankenhauses.

 

Das vom Bezirksamt durchgeführte Interessenbekundungsverfahren ist gescheitert. Die Vivantes - Forum für Senioren GmbH (eine 100 prozentige Gesellschaft des Landes Berlin) hat jedoch grundsätzlich Interesse an einer Übernahme der Einrichtung „Louise-Schroeder-Haus“ geäußert. In diesem Zusammenhang hat sie die komplette Übernahme der Bewohnerinnen und Bewohner sowie des Personals der gesamten Städtischen Pflegeeinrichtungen Tempelhof einschließlich des Georg-Kriedte-Hauses angeboten, nicht jedoch den Weiterbetrieb des Georg-Kriedte-Hauses.

 

Die Geschäftsführung der Vivantes - Forum für Senioren GmbH hat sich und ihr Angebot in der Gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Soziales und Jobcenter, des Ausschusses für Gesundheit und Politik für Menschen mit Behinderung und des Hauptausschusses, Verwaltungsreform, Gender und Geschäftsordnung am 26.05.2011 vorgestellt.

 

Oberstes Gebot für das Bezirksamt ist die bestmögliche Versorgung der Bewohner/innen sowie die Übernahme unseres Personals zu fairen Konditionen. Die Beschäftigtenvertretungen waren laufend über die Absicht des Bezirksamtes und den Sachstand informiert.

 

Mit der Vivantes-Forum für Senioren GmbH haben wir einen Partner gefunden, der bereit ist und die notwendigen Ressourcen hat,

·       für jede Bewohner/in eine individuelle Lösung zur finden, die den eigenen Bedürfnissen bzw. denen der Angehörigen entspricht,

·       den Beschäftigten mindestens unsere tariflichen Bedingungen weiter zu gewährleisten,

·       die notwendigen Investitionen zu tätigen und

·       zumindest den Standort Louise-Schroeder-Haus auf Dauer zu erhalten.

 

Vivantes sieht sich nach genauer betriebswirtschaftlicher Betrachtung jedoch nicht in der Lage, die Einrichtung Georg-Kriedte-Haus weiter zu betreiben. Statt dessen werden allen jetzigen Bewohner/innen folgende Alternativen angeboten:

·       Wechsel gemeinsam mit dem Pflegepersonal in eine völlig kernsanierte Pflegeeinrichtung in der Berkaer Straße in Wilmersdorf, die dem neuesten pflegerischen Standard entspricht,

·       Wechsel ins Louise-Schroeder-Haus (Westphalweg),

·       Wechsel ins Ida-Wolff-Haus in Neukölln (ehemals AWO) oder

·       Wechsel in eine beliebige andere Einrichtung der Vivantes - Forum für Senioren GmbH.

Sollte bei Bewohnerinnen und Bewohnern bzw. deren Angehörigen der Wunsch bestehen, die räumliche Nähe in Lichtenrade beizubehalten, würden sowohl die Leitung der Städtischen Pflegeeinrichtungen, das Bezirksamt, als auch Vivantes sie bei der Suche nach einer angemessenen Alternative nach Kräften unterstützen.

 

Rechtlich abzusichern ist der Betriebsübergang im einzelnen durch einen Trägerwechselvertrag, einen Personalüberleitungsvertrag und Verträge über die Nutzung der Grundstücke und Gebäude, die derzeit zwischen dem Bezirksamt und der Vivantes - Forum für Senioren GmbH abgestimmt werden.

 

Hinsichtlich des Personals gelten die folgenden rechtlichen und ausgehandelten Bedingungen:

 

Ein Betriebsübergang hat für die Arbeitnehmer des Betriebes zur Folge, dass der neue Inhaber des Betriebes in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Es findet ein Arbeitgeberwechsel statt. Ansonsten setzt sich der Arbeitsvertrag ohne jede Abstriche, wie er bisher zum Land Berlin bestanden hat, mit dem neuen Träger fort.

 

Das heißt:

 

Es gelten für die Arbeitsverhältnisse der Tempelhof-Schöneberger Beschäftigten weiter der Angleichungstarifvertrag und über ihn der TV-L und TVÜ-L sowie die tariflichen Regelungen, soweit im Angleichungstarifvertrag auf sie Bezug genommen wird. Denn in jedem Arbeitsvertrag ist einzelvertraglich auf die mit dem Land Berlin vereinbarten Tarifverträge Bezug genommen. Mit der Vivantes - Forum für Senioren GmbH wird vertraglich vereinbart, dass Einigkeit darüber besteht, dass diese Bezugnahme derart dynamisiert ist, dass zum einen die derzeitigen für die Beschäftigten geltendenden tariflichen Regelungen und zum anderen künftige Entwicklungen dieser bezogenen Tarifverträge auch auf das übergegangene Arbeitsverhältnis mit der Vivantes - Forum für Senioren GmbH Anwendung finden. Mithin partizipieren die Beschäftigten an künftigen Tarifentwicklungen so, wie sie partizipieren würden, wenn Arbeitgeber das Land Berlin bliebe.

 

Die im Arbeitsverhältnis zurückgelegten Dienst- und Beschäftigungszeiten bleiben von dem Betriebsübergang unberührt. Eine neue Probezeit wird nicht in Lauf gesetzt. Die zusätzliche Altersversorgung wird weiterhin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) angemeldet und fortgeführt. Auch dies wird mit der Vivantes - Forum für Senioren GmbH vertraglich abgesichert.

 

Weiterhin bleiben insbesondere die tarifvertraglichen Regelungen über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anwendbar.

 

Gelten die Rechtsnormen des Angleichungstarifvertrages und über ihn des TV-L und TVÜ-L für die Beschäftigten zusätzlich aufgrund Tarifbindung, weil die/ der Beschäftigte Mitglied einer der Gewerkschaften ist, die den Angleichungstarifvertrag mit dem Land Berlin vereinbart haben, werden die Rechtsnormen dieser Tarifverträge zusätzlich Inhalt des Arbeitsvertrages mit dem neuen Träger und können ein Jahr lang nicht zum Nachteil des Beschäftigten abgeändert werden (vgl. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB). Ist die/der Beschäftigte Mitglied einer Gewerkschaft und wird deren/dessen Gewerkschaft auch mit der Vivantes - Forum für Senioren GmbH einen Tarifvertrag abschliessen, wird dieser Tarifvertrag Inhalt des Arbeitsvertrages mit der Vivantes - Forum für Senioren GmbH (§ 613a Abs 1 Satz 3 BGB). Die Regelungen eines solchen Tarifvertrages würden nach § 4 Abs. 3 des Tarifvertragsgesetzes dann als Mindestarbeitsbedigungen gelten.

 

Die Rechte und Pflichten aus Dienstvereinbarungen werden nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsvertrages und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil geändert werden, soweit die entsprechenden Rechte und Pflichten nicht bereits in Betriebsvereinbarungen bei der Vivantes - Forum für Senioren GmbH geregelt sind oder werden (§ 613a Abs. 1 Satz 3 und 4 BGB).

 

Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Vivantes - Forum für Senioren GmbH oder durch uns wegen des Betriebsüberganges ist nicht möglich (§ 613a Abs. 4 BGB). Das gilt auch für Änderungskündigungen. Das Recht, das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen zu kündigen, bleibt jedoch bestehen.

 

Das Bezirksamt haftet nach § 613a Abs. 2 BGB neben der Vivantes - Forum für Senioren GmbH als Gesamtschuldnerin für vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstandene Ansprüche aus Ihrem Arbeitsverhältnis, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs fällig waren oder innerhalb eines Jahres nach dem Betriebsübergang fällig werden. Soweit derartige Ansprüche erst nach dem Betriebsübergang fällig werden, haftet die Vivantes - Forum für Senioren GmbH jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraumes entspricht.

 

Da das Arbeitsverhältnis eine höchstpersönlich zu erfüllende Arbeitspflicht und ein beiderseitiges Treue- und Fürsorgeverhältnis begründet, kann kein Arbeitnehmer gegen seinen Willen verpflichtet werden, sein bisheriges Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber fortzusetzen. Die oder der Beschäftigte kann deshalb gemäß § 613a Abs. 6 BGB dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang eines Informationsschreibens schriftlich widersprechen.

 

Die Vivantes - Forum für Senioren GmbH hat jedoch deutlich gemacht, dass sie an einem Betriebsübergang mit allen Beschäftigten ein hohes Interesse hat. Insbesondere hat die Geschäftsführung die Bereitschaft erklärt, auf Wünsche der Beschäftigten (ggf. durch Einzelregelungen) hinsichtlich des Einsatzes in den diversen Einrichtungen der Vivantes - Forum für Senioren GmbH (z.B. bei Wünschen nach Arbeitswegen usw.) einzugehen.

 

Hinsichtlich der finanziellen Rahmenbedingungen, insbesondere zum Personal, hat uns die Senatsverwaltung für Finanzen mit Schreiben vom 16.09.2010 folgendes mitgeteilt:

 

„(…) bitte ich vorsorglich ebenfalls um Beachtung nachfolgender haushalts- bzw. personalwirtschaftlicher Eckpunkte [bei der angedachten Übertragung der Städtischen Pflegeeinrichtungen Tempelhof an einen anderen Träger].

 

Die Defizite des LHO- Betriebes sind aus bezirklichen Mitteln auszugleichen.

 

Gem. Ziff. 12.6 des HWR 2010 [Anmerkung: Dies gilt auch nach Nr. 14.6 des HWR 2011] habe ich die Zuordnung von Dienstkräften zum Personalüberhang von meiner Einwilligung abhängig gemacht, wenn deren Aufgaben nicht wegfallen, sondern z.B. im Wege der Fremdvergabe wahrgenommen werden sollen. Damit soll erreicht werden, dass nicht aufgrund derartiger Strukturentscheidungen Dienstkräfte in das ZeP versetzt werden, die mittelfristig nicht vermittelbar sind, und damit dem Land über einen längeren Zeitraum zusätzliche Kosten entstehen.

 

Meine vorherige Zustimmung zu derartigen Maßnahmen, deren Erteilung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist, ist mit einem entsprechenden Antrag einzuholen.

 

Soweit Sie beabsichtigen, kommunale Senioren- bzw. Pflegeeinrichtungen Ihres Bezirks an andere Träger zu übergeben, sind vorrangige Bemühungen erforderlich, dass das entsprechende Personal mit der Aufgabe zu diesen Trägern wechselt. Soweit das nicht erreicht werden kann, sind die verbleibenden Beschäftigten im Bezirksamt unterzubringen. Sollte dies nicht möglich sein, bitte ich, die Unterbringung in anderen Bezirken/Betrieben des Landes Berlin zu prüfen. Verbleiben auch nach Ausschöpfen dieser Möglichkeiten noch nicht unterzubringende Beschäftigte und die Übertragung ist dennoch gewünscht, bin ich mit einer Versetzung zum ZeP unter der Voraussetzung einverstanden, dass Sie dem ZeP bis zur Vermittlung dieser Beschäftigten die Personalkosten erstatten. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass bei dem hier in Frage stehenden Personenkreis ein solches Verfahren nicht notwendig sein wird.“

 

Aus der gesamten Darstellung wird deutlich, dass dringend eine Entscheidung erforderlich ist, da die Vivantes - Forum für Senioren GmbH ihr Angebot nicht ewig aufrechterhalten wird und mit diesem Vertragspartner für die Beschäftigten wie auch für die Bewohnerinnen und Bewohner die bestmögliche Lösung ausgehandelt wurde. Es ist nicht absehbar, dass sich diese Gelegenheit erneut ergeben wird, zumal der Bezirk die finanziellen Belastungen für einen Weiterbetrieb der Einrichtungen nicht tragen kann.

 
 

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