Auszug - Versorgung von Pflegebedürftigen in Tempelhof-Schöneberg  

 
 
37. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und 40. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Senioren
TOP: Ö 3
Gremium: Ausschuss für Gesundheit Beschlussart: erledigt
Datum: Mo, 22.02.2016 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:00 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Sitzungsraum 2112
Ort: Rathaus Schöneberg
 
Beschluss
Abstimmungsergebnis


Frau Rausch, Mitarbeiterin des Sozialverbandes VdK, stellt sich kurz den Ausschussmitgliedern vor und verteilt Informationsmaterial an die Anwesenden. Unter anderem geht sie auf die Veränderungen der gesetzlichen Grundlagen ein. Im Anschluss wird Frau Kalek über die Situation im Bereich der Seniorenarbeit des Bezirkes Tempelhof-Schöneberg und die Unterstützung bei Pflegebedürftigkeit durch die gerontopsychiatrischen Verbunde in beiden Bezirksregionen berichten. Danach werden sie, basierend auf ihren Erfahrungen, auf die Problematiken sowohl für die Pflegebedürftigen als auch für die Angehörigen eingehen.

Frau Rausch gibt zur Kenntnis, dass es zwei Pflegestärkungsgesetze (1 und 2) gibt. Das Pflegestärkungsgesetz 1 ist seit dem 01.01.2015 gültig. Die meisten dort verfassten Verbesserungen sind bereits zum Tragen gekommen. Beispielswiese habe man durch Beitragserhöhungen fünf Milliarden € mehr eingenommen. Davon gehen 1,2 Milliarden € in den Vorsorgefond. Eine erhebliche Verbesserung für an Demenz erkrankte Menschen ist, dass, parallel zu allen Leistungen, zusätzlich die Tagespflege in Anspruch genommen werden kann. Ferner steigt der Zuschuss für häusliche Umbaumaßnahmen von 2.500 € auf 4.000 €. Des Weiteren ist es nun möglich, Verhinderungs- und Kurzzeitpflege miteinander zu kombinieren, wobei der Leistungsanspruch von 1.600 € auf bis zu 2.400 € gestiegen ist. Frau Rausch bemängelt, dass lediglich fünf Prozent der Pflegebedürftigen die Leistungen der Verhinderungspflege nutzen beziehungsweise überhaupt davon wissen. Bei der Kurzzeitpflege sind es zwölf Prozent. Vielen Anbietern der Kurzzeitpflege war jedoch das unternehmerische Risiko zu hoch, weshalb es von den fünf Einrichtungen nur noch eine gibt, die gut frequentiert ist. Im Fall von pflegenden Angehörigen muss ihrer Auffassung nach noch nachgebessert werden. Die Verbindung von Erwerbs- und Pflegetätigkeit sei bisher vom Gesetzgeber noch nicht ausreichend ausgearbeitet. Ebenso verhält es sich, ihrer persönlichen Einschätzung zufolge, mit den Krankzeiten für Menschen mit Pflegestufe. Hier können pflegende Angehörige zehn Tage nutzen, um sich um die jeweilige Person zu kümmern. Allerdings können diese zehn Tage nur einmal während der gesamten Pflegezeit beantragt werden. In Anbetracht einer durchschnittlichen Pflegezeit von acht bis neun Jahren muss hier dringend nachgebessert werden.

50 Prozent des Pflegegeldes wird auch während der Kurzzeit- und Verhinderungspflege gezahlt. Ein weiterer positiver Effekt ist die Steigerung der Anzahl von Betreuungskräften in der stationären Versorgung von 1:24 auf 1:20.

Derzeit gibt es im Bezirk zwei Pflegestützpunkte. Ein dritter für Lichtenrade oder Marienfelde befinde sich noch in Verhandlungen. Sie berichtet weiter und erklärt, dass erstmalig im letzten Pflegestärkungsgesetz die Pflegestufe „Null“ eingeführt worden ist.

Ab dem 01.01.2017 wird im Pflegestärkungsgesetz 2 ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff definiert. Hierbei wird dann nach bestimmten Kriterien, wie zum Beispiel Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen, psychische Problemlagen, Selbstversorgungsfähigkeit etc. der Grad der Selbstständigkeit von einem Gutachter festgestellt. Nach Schwere der diversen Beeinträchtigungen werden dann Punkte vergeben und so der Pflegegrad bestimmt. Ferner wird mit dem Pflegestärkungsgesetz 2 ab dem 01.01.2017 der Eigenanteil aller Pflegestufen gleich bleiben.

Bevor sie an Frau Kalek übergibt, fasst Frau Rausch noch einmal kurz die wichtigsten Zahlen zusammen. Der Bezirk hat zwei Pflegestützpunkte, der dritte sei in Arbeit, 22 Pflegeheime, acht Tagespflegestätten, 16 niedrigschwellige Betreuungsangebote, 90 WG’s, 60-65 Pflegedienste, ein Betreuungsverein und zwei Mobilitätshilfedienste.

Frau Kalek vom Gerontopsychiatrisch-Geriatrischen Verbund Schöneberg und Vorstandssprecherin desselbigen beginnt mit ihren Ausführungen. 3,1 Prozent der Berliner Bevölkerung sind derzeit pflegebedürftig im Sinne des SGB 11. Für unseren Bezirk bedeutet das 10791 Klienten. Fast jede/r Dritte ist 85 Jahre alt und älter. 65,2 Prozent der Pflegebedürftigen sind weiblich. Qualitativ gute und optimal eingesetzte Pflege wird häufig in Netzwerken erbracht. Mit der Erfahrung eines solchen Netzwerkes möchte sie sich heut an die Anwesenden wenden. Die Geriatrisch-Gerontopsychiatrischen Verbunde Tempelhof-Schöneberg bestehen seit 2000 mit dem Ziel, Beratung, Betreuung und Pflege von Angehörigen zu optimieren. Hierzu können verschiedenste Anlaufstellen benannt werden, wie zum Beispiel Familienzentren, Mobilitätshilfedienste etc. Auch spezielle Angebote für Migranten, Väter oder Homosexuelle sind vorhanden. Wichtig seien Fortbildungen innerhalb der stattfindenden Verbundtreffen oder Fachtagungen, wie kürzlich zum Thema „Sucht im Alter“. Des Weiteren seien Aktivitäten zu gesundheits- und sozialpolitischen Themen unabdingbar. Probleme sieht sie darin, dass es seitens der Krankenkassen keine Standardleistung ist, verständliches Infomaterial an Versicherte zum Thema „Älter werden und Pflege“ herauszugeben. Eine Ausnahme stellt hierbei die AOK dar. Ein weiterer Themenkomplex ist der Pflegenotstand. Teilweise sei dieser der Unattraktivität des Pflegeberufes geschuldet. Auch ein Problem sind lange Wartezeiten auf Facharzttermine, insbesondere auch das Fehlen von Hausbesuchen.

Als schwierig beschreibt sie das Finden von Ehrenamtlichen, die sich um Demenzkranke kümmern möchten. Viele sind von Altersarmut betroffen und möchten sich etwas dazu verdienen, wofür ein Ehrenamt ungeeignet ist. Im Zuge dessen können sich viele Rentnerinnen und Rentner bestimmte Aktivitäten aus finanziellen Gründen nicht leisten.

Frau Köster hat für die heutige Sitzung eine Präsentation vorbereitet, die sie aufgrund technischer Probleme lediglich mündlich vortragen kann. Diese ist dem Protokoll als Anlage beigefügt.

Es folgen Nachfragen von BV Pschollkowski, BV Marx, BV Kliem, BD May, BV Sommerfeld und Frau Christian, die ausführlich von den referierenden Damen beantwortet werden.

Frau StRin Dr. Klotz und Frau Dr. Bärwolff nehmen einige Ergänzungen zu den Ausführungen von Frau Köster vor.

Die Vorsitzenden BV Bernstein und BV Schmidt-Krüger bedanken sich für die umfangreichen Vorträge.


Abstimmungsergebnis:

 

 
 

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