Drucksache - 0885/VI  

 
 
Betreff: Maßnahmen gegen überhöhte Mieten im Bezirk
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:GRÜNE-FraktionGRÜNE-Fraktion
Verfasser:Kräß 
Drucksache-Art:Kleine AnfrageKleine Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin Beantwortung
21.02.2024 
24. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf schriftlich beantwortet   

Sachverhalt

Ich frage das Bezirksamt:

 

1)   Wie wird die Ordnungswidrigkeit unangemessen hoher Mietentgelte nach §5 WiStrG aktuell im Bezirk verfolgt?

2)   Wie viele entsprechende Verfahren gab es seit 2019 jährlich im Bezirk?

3)   Mit welchen weiteren Angebote neben der Mieterberatung unterstützt das Bezirksamt betroffene Mieter*innen?

 

 

Die Kleine Anfrage wird wegen Zeitablauf schriftlich beantwortet.

 

 

Sehr geehrter Herr Bezirksverordnetenvorsteher,

 

das Bezirksamt beantwortet o.g. Kleine Anfrage wie folgt:

 

1)   Der § 5 (Mietpreisüberhöhung) des Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954) setzt den Nachweis des Betroffenen voraus, dass ein ganz konkreter Wohnraum unter Ausnutzung einer besonderen Notlage des Mietinteressenten zu einer unangemessen überhöhten Miete an diesen vermietet wurde. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 28.01.2004 VIII ZR 190/03) hat der Mieter diejenigen Tatsachen darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich die Ausnutzung der Mangelsituation im Sinne des § 5 WiStG in seinem konkreten Fall ergibt. Ein solcher Nachweis konnte bisher jedoch noch nicht dem Wohnungsamt Steglitz-Zehlendorf in der Vergangenheit vorgelegt werden. Erst bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen kommt die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens in Betracht.

 

2)   Es gab zu diesem Sachverhalt seit 2019 keine Verfahren im Bezirk Steglitz-Zehlendorf von Berlin.

 

3)   Mit der Ausweitung auf fast 20 Stunden in der Woche immerhin eine knapp 65 %ige Steigerung zum bisherigen Angebot - bieten wir ab Januar diesen Jahres den Mieterinnen und Mietern in Steglitz-Zehlendorf eine maßgebliche Hilfe zusätzlich an. In der letzten Zeit wurde vermehrt um das Thema Betriebs- und Heizkostenabrechnung und damit verbundenen Mieterhöhungen beraten. Zudem wurden weiterhin die Beratungsthemen Mängel und Kündigung bzw. Wohnungsräumungen am häufigsten nachgefragt.

 

Die offene kostenlose Mieterberatung wird von der asum GmbH im Auftrag des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf für die Mieterinnen und Mieter im Bezirk angeboten. Die Beratung erfolgt durch mietrechtserfahrende Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und behandelt alle zivilrechtlichen Fragen rund um das Mietrecht. Eine rechtliche Vertretung ist nicht möglich. Darüber hinaus verweisen wir betroffene Mieterinnen und Mieter an den Berliner Mieterverein. Jedoch wird auch von dort wie folgt kommuniziert: Bis Ende der 1990er Jahre haben die Rechtsberater des Berliner Mietervereins Mietabsenkungen nach § 5 umgangssprachlich fälschlicherweise auch Wucherparagraf genannt ziemlich häufig durchgesetzt. Wann immer die ortsübliche Vergleichsmiete gemäß Mietspiegel um mehr als 20 Prozent überschritten war, wurde der Vermieter damit konfrontiert. Nach Verstreichen der gesetzten Frist konnte der Mieter Klage einreichen. Die ungerechtfertigt verlangte Miete musste dann zurückgezahlt werden. Parallel dazu konnten betroffene Mieter auch Anzeige beim Wohnungsamt erstatten. Nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz handelt nämlich ordnungswidrig, wer für die Vermietung von Wohnraum ein unangemessen hohes Entgelt fordert. Als solches gelten Mieten, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 Prozent übersteigen (bei Vorlegen einer Wirtschaftlichkeitsberechnung: 50 Prozent). Aber es gibt noch eine zweite, wichtige Voraussetzung: Der Vermieter muss das geringe Angebot an vergleichbarem Wohnraum ausgenutzt haben. Lange Zeit galt: In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt ist diese Bedingung automatisch erfüllt. Doch 2004 legte der Bundesgerichtshof (BGH) die Hürden so hoch, dass sich im Grunde kein Mieter mehr auf eine solche Mangellage auf dem Wohnungsmarkt berufen konnte. Denn diese müsste ursächlich sein für die Vereinbarung der überhöhten Miete (BGH vom 28. Januar 2004 VIII ZR 190/03). Der Mieter müsse so der BGH nachweisen, welche Bemühungen er bei der Wohnungssuche unternommen hat und dass er mangels Alternativen auf die Anmietung der überteuerten Wohnung angewiesen war. Zudem müsse der Vermieter diese Zwangslage gekannt und ausgenutzt haben. Ein solcher Nachweis ist in der Praxis kaum möglich. Ein Jahr nach dem Richterspruch wurde zudem klargestellt, dass die Mangellage in der ganzen Stadt vorhanden sein muss.“

 

Auf Grund der dargestellten Sachlage ist die Verfolgung von Mietpreisüberhöhungen nach § 5 Wirtschaftsstrafgersetz nahezu unmöglich.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Tim Richter

Bezirksstadtrat

 
 

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