Drucksache - 1472/IV  

 
 
Betreff: Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Bezirksverordnete/rBezirksverordnete/r
Verfasser:Boroviczény 
Drucksache-Art:Kleine AnfrageKleine Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin Vorberatung
21.10.2015 
42. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlagen:
1. Ursprungsanfrage vom 18.10.2015
2. Zusätzliche Schriftliche Beantwortung vom 20.11.2015

 

 

Ich frage das Bezirksamt:

 

  1. Ist das Bezirksamt auf die stark steigende Zahl von minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen (m. u. F.) angemessen vorbereitet?
    - Wenn ja: Wie ist das gestaltet?
    - Wenn nein: Was unternimmt das Amt, um dem abzuhelfen?
    - Wie viele sind das derzeit?

 

  1. Ist bei der Unterbringung von m .u. F. sichergestellt, dass diese angemessen betreut und nicht ausschließlich mit anderen, von sozialen Schwierigkeiten betroffenen Minderjährigen zusammen untergebracht sind?

 

  1. Ist eine schnelle Zuweisung amtlicher oder ehrenamtlicher Vormünder für die m. u. F. gesichert? Es gibt Beschwerden aus der Bevölkerung, die angeben, das Engagement der dazu bereiten Ehrenamtlichen würde nicht ausreichend beachtet:
    - Wenn das so ist: Was unternimmt das Amt, um dem abzuhelfen?

 

  1. Was unternimmt das Amt beziehungsweise welche Initiativen unterstützt es und wie, um die m. u. F. hier im Bezirk gut und schnell zu integrieren?

 

 

 

Berlin Steglitz-Zehlendorf, den 18. Oktober 2015

 

 

 

Georg Boroviczény

 

 

Antwort des Bezirksamts:

 

 

Sehr geehrter Herr Rögner- Francke,

 

die oben genannte Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

  1. Ist das Bezirksamt auf die stark steigende Zahl von minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen (m. u. F.) angemessen vorbereitet?

Wenn ja: Wie ist das gestaltet?

Wenn nein: Was unternimmt das Amt, um dem abzuhelfen?

Wie viele sind das derzeit?

 

Das Bezirksamt in diesem Fall speziell das Jugendamt hat sich bereits im Sommer bei der Feststellung der ansteigenden Zahlen der Personengruppe der Minderjährigen unbegleiteten Ausländer (UMA früher Flüchtling) in die Planung zur Bewältigung dieser neuen großen Heraus­forderung begeben. Zur Klärung des gesamten fachlichen Hintergrunds möchte ich hier zuerst auf die Zuständigkeiten und Abläufe eingehen:

 

r die Erstaufnahme bzw. Inobhutnahme ist die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wis­senschaft (Sen BJW) spezifisch das Landesjugendamt zuständig. Dieses hat die Umsetzung dieser Aufgabe an einen Träger der freien Jugendhilfe übertragen. Dieser Träger ist für die Erst­aufnahme in einer Clearingstelle in der Wupperstraße des Bezirkes Steglitz-Zehlendorf verant­wortlich. Dort werden zurzeit die Ankommenden durch die Sen BJW registriert und in ganz Berlin vorerst in unterschiedlichen Unterkünften, z.B. auch in Hostels, untergebracht. Während dieser Zeit werden sie von Trägern der freien Jugendhilfe ambulant betreut.

Jeder Jugendliche erhält mindestens 8 Fachleistungsstunden pro Woche, bei Bedarf auch mehr. Auch hier im Bezirk tätige ambulante Träger werden hierfür beauftragt. Die UMA erhalten dann meist innerhalb des nächsten halben Jahres manchmal und in zunehmendem Maße dauert es auch länger zur Aufnahme in die Clearingstelle. Dort werden sie dann vom Landesjugendamt in Obhut genommen.

 

Innerhalb von 3 Monaten wird dann vom Landesjugendamt beim zuständigen Familiengericht eine Vormundschaft angeregt. Für die daraus resultierenden Vormundschaften ist das Jugendamt Steglitz-Zehlendorf gesamtstädtisch zuständig. Um der Flut von Vormundschaften aufgrund der seit Sommer 2015 stets und kontinuierlich anwachsenden Anzahl der UMA gerecht werden zu können jeder Vormund darf gesetzlich nur höchstens 50 Mündel betreuen wurden vonseiten des Jugendamtes sofort bei der Senatsverwaltung für Finanzen (Sen Fin) 3 weitere Vormundstel­len beantragt, die auch genehmigt wurden und deren Besetzungsverfahren läuft. In der Zwischen­zeit hat sich der Stellenbedarf allerdings so weiterentwickelt, dass er sich bis zum Jahresende prognostisch auf 9 Stellen beläuft. Auch diese befinden sich bereits in der Beantragung bei Sen Fin abzüglich einer Stelle, weil durch das auch mediale Engagement des Jugendamtes für die­ses Aufgabenfeld, bereits 50 ehrenamtliche Vormünder gefunden werden konnten, die gleich be­stallt werden konnten. Der Zuspruch auf das Engagement des Jugendamtes war so groß, dass für die rund 700 weiteren Interessierten Informationsveranstaltungen angeboten wurden und werden, um die Chancen und Grenzen dieser Form der Ehrenamtlichkeit zu erläutern und den danach weiterhin ernsthaft Interessierten (rund 150 bis 200 Personen) Qualifizierungskurse zu ermögli­chen. Wer dann immer noch dabei ist und vom Gericht als geeignet angesehen wird, kann danach vom Gericht als Vormund für jeweils 1 Mündel in Ausnahmefällen z.B. bei Geschwistern auch für 2 Mündel eingesetzt werden.

 

Neben der gesamtstädtischen Aufgabenwahrnehmung für die Vormundschaften der UMA ist das Jugendamt Steglitz-Zehlendorf auch wie alle anderen Berliner Bezirke r einen Teil der Unter­bringungen im Rahmen der Jugendhilfe nach Beendigung der Inobhutnahme nach den 3 Monaten in der Clearingstelle zuständig. Mit Beendigung des Clearings geht die Zuständigkeit für ca. 10 % der UMA (Berlinweiter Verteilungsschlüssel) auf das hiesige Jugendamt über. Weil sich natürlich auch hier die Fallzahlen verdoppelt haben und ebenfalls ständig weiter steigen, wurde auch bereits im Spätsommer der Antrag auf eine zusätzliche Sozialarbeiterstelle und zur verwaltungstechni­schen Abwicklung der eingeleiteten Mnahmen auf eine Verwaltungsstelle für die Wirtschaftliche Jugendhilfe (WiJuHi) bei der Sen BJW gestellt. Auch diese Stellen wurden bewilligt und befinden sich im Auswahlverfahren. Des Weiteren konnten wir eine Sozialarbeiterjahrespraktikantin gewin­nen, die in einem anderen Bundesland bei Ihrem Studienabschluss noch die Anwartschaft auf das Anerkennungsjahr erworben hat das Anerkennungsjahr wurde in Berlin leider abgeschafft die jetzt auch in diesem Arbeitsfeld unterstützt und sukzessive selbstständig unter Anleitung tätig wird. Aber auch hier werden wegen der noch immer steigenden Anzahl der UMA weitere Stellen bei Sen Fin beantragt.

 

  1. Ist bei der Unterbringung von m. u. F. sichergestellt, dass diese angemessen betreut und nicht ausschließlich mit anderen, von sozialen Schwierigkeiten betroffenen Min­derjährigen zusammen untergebracht sind?

 

In Teilen wurde schon  in Frage 1 darauf eingegangen. Für die Zeit der Zuständigkeit der Sen BJW können hier keine weiteren Angaben erfolgen. Wenn die Zuständigkeit im Bezirk liegt, erfolgt die Unterbringung in Einrichtungen der Jugendhilfe, deren Standards durch den Berliner Rahmenver­trag für Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshilfe (BRVJUG) vorgegeben sind.  Als der wach­sende Bedarf an Einrichtungsplätzen im Rahmen der Jugendhilfe im Sommer deutlich wurde, ge­lang es bereits im August 8 Plätze für die UMA  im Bezirk zu schaffen.

 

Des Weiteren konnten zur Aufnahme von UMA aufgrund des schon erwähnten medialen Aufrufs des Jugendamtes rund 30 Gastfamilien gewonnen werden. Die Anbahnung einer dortigen Unter­bringung gestaltet sich aufwendig, weil eine möglichst große „Passgenauigkeit“ zwischen Familie und aufzunehmendem UMA erarbeitet werden muss. Rund 5 Vermittlungen sind bereits gelungen.

 

Am 30.10.2015 trat das Jugendamt mit den stationären Trägern der Qualitätsoffensive e.V. und den ambulanten Trägern, die sich bezirklich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, in die weitere Pla­nung ein. Die momentanen Zahlen der nur registrierten UMA (s.o.) verdeutlichen, dass wir bezirk­lich innerhalb des nächsten Jahre voraussichtlich 200 Unterbringungsplätze zusätzlich mit unter­schiedlichster Ausprägung von sehr niedrigschwellig, weil schon auch durch die gelungene Flucht sehr selbstständigen älteren UMA bis hin zu schwer traumatisierten oder jüngeren UMA - benötigen. Die Schaffung von 20 Plätzen pro Angebot erscheint zur Integration bzw. Inklusion aus sozialpädagogischer Sicht als sinnvoll.

 

Derzeit ist das Jugendamt Steglitz-Zehlendorf für die Unterbringung von 86 unbegleiteten minder­jährigen Flüchtlingen zuständig. Von Sen BJW registrierte und vorläufig untergebrachte UMA be­finden sich zurzeit ca. 2.000 in Berlin.

 

  1. Ist eine schnelle Zuweisung amtlicher oder ehrenamtlicher Vormünder für die m. u. F. gesichert? Es gibt Beschwerden aus der Bevölkerung, die angeben, das Engage­ment der dazu bereiten Ehrenamtlichen würde nicht ausreichend beachtet:

Wenn das so ist: Was unternimmt das Amt, um dem abzuhelfen?

 

Eine schnelle Zuweisung ist nur zum Teil gesichert. Die zurzeit im Jugendamt für die UMA tätigen Vormündernnen aufgrund des gesetzlich festgelegten o.g. Rahmens 228 Vormundschaften füh­ren. Bis Jahresende werden ca. 600 weitere Vormundschaften vorliegen, weswegen der o.g. Stel­lenbedarf besteht. Weil auch weiterhin mit einem Anstieg gerechnet werden muss, wurde wie be­schrieben um Ehrenamtliche geworben. Dabei haben sich ca. 700 Personen zu unterschiedlichen Bereichen (Vormundschaft und/oder Gastfamilie) gemeldet. Über diesen großen Zulauf ist das Ju­gendamt sehr froh und dankbar.

 

Bis aber für alle Bereiche die notwendigen Qualifizierungen umgesetzt sind, wird es noch eine Weile dauern, zumal hierfür zurzeit noch kein zusätzliches Personal zur Verfügung steht und die Personallage im Jugendamt wie ebenfalls ausführlich beschrieben äerst angespannt ist. Ab Anfang des kommenden Jahres werden 2 Koordinationsstellen für die Flüchtlingsarbeit insgesamt im Jugendamt besetzbar werden. Bis diese Kolleg_inn_en sich eingearbeitet und einen Überblick verschafft haben, wird auch Zeit vergehen. Für den Übergang wurde zur Anbahnung der ehren­amtlichen Vormundschaften eine Honorarkraft eingestellt. Das ist zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, mehr ist aber aufgrund der ebenfalls bekannten angespannten Haushaltslage des Bezirkes momentan nicht zu leisten.

 

Deshalb ist davon auszugehen, dass selbst wenn alle getroffenen und geplanten Maßnahmen umgesetzt sein werden die Herausforderung des zielgerichteten Einsatzes der Ehrenamtlichen bestehen bleibt. Alle bemühen sich nach Kräften darum, hier keine Frustrationen entstehen zu las­sen, können aber immer wieder nur um Verständnis und Geduld bitten, was auf verschiedenen Wegen (Informationsveranstaltungen, Anmeldebögen, Email, Briefe etc.) auch ständig geschieht. Ehrenamtliche Vormünder müssen auf ihre Eignung geprüft, informiert, qualifiziert und fachlich be­gleitet werden. Eine finanzierte Kooperation mit dem Cura-Betreuungsverein ist hierfür ins Leben gerufen worden. Dieser übernimmtr die noch nicht Vermittelten die o.g. Aufgaben. Der Caritas­verband Berlin hat sich bereit erklärt, zusätzliche Informationsveranstaltungen im November 2015 durchzuführen. Im Anschluss, nach erfolgter Überprüfung und Qualifizierung, werden somit weitere Ehrenamtliche für die Übernahme von Vormundschaften zur Verfügung stehen. Das ist dringend notwendig, weil hier auch für die kommenden Jahre großer Bedarf bestehen wird.

 

  1. Was unternimmt das Amt beziehungsweise welche Initiativen unterstützt es und wie, um die m. u. F. hier im Bezirk gut und schnell zu integrieren?

 

Durch das Bündnis für Bildung existiert eine enge und bewerte Zusammenarbeit mit allen für die­sen Bereich tätigen Protagonisten im Bezirk. Die Vernetzung funktioniert bisher gut, auch wenn die große Anzahl der UMA alle vor kaum zu bewältigende Aufgaben stellt. Die Willkommensklassen der Schulen sind hierbei genauso zu nennen wie die Ausbildungsorientierung im Jugendausbil­dungszentrum (JAZ). Die Aufnahme der Tätigkeit der Jugendberufsagentur im nächsten Jahr wird einen guten Eingliederungsprozess zusätzlich unterstützen. Außerdem muss dieses Thema ber­linweit auf der Landesebene bewegt werden.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

 

Christa Markl- Vieto

Bezirksstadträtin für Jugend, Gesundheit, Umwelt und Tiefbau

 

 
 

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