Auszug - Altersfeststellung bei zweifelhaftem Alter von unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern  

 
 
9. öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 9.4
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: vertagt
Datum: Di, 27.03.2018 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 19:45 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Rathaus Zehlendorf
0717/V Altersfeststellung bei zweifelhaftem Alter von unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern
   
 
Status:öffentlichAktenzeichen:513/V
 Ursprungaktuell
Initiator:AfD-FraktionAfD-Fraktion
Verfasser:1. Döhnert
2. Graffstädt
 
Drucksache-Art:AntragBeschluss
 
Wortprotokoll

Frau Gollombeck begründet den Antrag und führt in die Materie ein.

 

Herr Höringklee bittet um eine Erklärung zur Kostenberechnung. Was bedeutet „volkswirtschaftlicher Schaden“?

 

Frau Gollombeck nimmt Bezug:

Sie bezieht sich auf den § 42 SGB VIII, der besagt, dass das Jugendamt für die Inobhutnahme von unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen zuständig ist.  Die Minderjährigkeit ist dabei festzustellen. Wenn diese nicht besteht, aber sie trotzdem aufgrund einer Altersschätzung angenommen wird entstehen hohe Kosten.

Herr Dr. Glück stellt die Frage, ob der JHA für diesen Antrag das richtige Gremium sei, weil für die Inobhutnahme der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie zuständig ist?

 

Herr Mier fragt: Wie viele Zweifelsfälle bezüglich des Alters es in der Vergangenheit gab und wie viele der betroffenen Jugendlichen eine ärztliche Untersuchung abgelehnt haben?

Frau Böhm nimmt Bezug auf die Fragen von Herrn Mier und teilt mit, dass ein staatliches Wächteramt besteht, sodass zuvörderst eine Inobhutnahme auch in Zweifelfällen des Alters erfolgen muss. Für die Jugendlichen, die unserem Bezirk zugeordnet werden, ist die Altersuntersuchung bereits erfolgt. Frau Böhm nimmt Bezug auf die sprachlich problematische Antragsformulierung. Deshalb bittet sie darum, dass den Antrag zum nächsten JHA im April abzulehnen.

 

Herr Jannicke vermerkt, dass der 2. Absatz im Antrag der AfD „völliger Quatsch“ sei. „Der Antrag ist rassistisch und gehört hier nicht her.“

 

Frau Gollombeck verwehrt sich gegen den Vorwurf des Rassismus. Bei Jugendlichen, die wirklich minderjährig seien, sei die Unterstützung völlig in Ordnung. Die, die betrügen, sollen zur Verantwortung gezogen und ihnen soll die Unterstützung versagt werden. Herr Döhnert (AfD und kein Mitglied des JHA) ergänzt, dass niemand die Missbrauchsfälle, die hier stattfänden, kleinreden könne.

 

Die Lautstärke im Saal nimmt zu. Herr Ehrhardt ergreift das Wort. Er weist auf eine vernünftige Diskussion ohne Ausfälligkeiten hin und dass er als Sitzungsleiter das Wort erteilt.

 

Frau Miels teilt mit, dass die SPD in jedem Fall, egal zu welchem Zeitpunkt, den Antrag ablehnen wird. Der Antrag sei nicht rechtens.

 

Herr Höringklee stimmt Frau Miels zu. Es fehlt jegliche sinnvolle Begründung in dem Antrag. Der ganze Antrag sei „dummes Zeug“.

 

Herr Ehrhardt erteilt Frau Lehmann das Wort. Sie nimmt noch einmal Bezug auf das Berliner Verfahren der Inobhutnahme für diese Zielgruppe, die Herr Dr. Glück schon angesprochen hatte. Die Jugendlichen kommen in die Erstaufnahmestelle der Senatsverwaltung. Auf den ersten Blick ersichtlich Volljährige werden sofort abgewiesen und zum Landesamt für Flüchtlinge (LAF) geschickt. Nach Aufnahme in der Clearingstelle erfolgt eine Klärungsphase von ca. 6 – 8 Wochen. Während dieser findet die Alterseinschätzung statt. Sie wird von erfahrenen Fachkräften aufgrund verschiedener erprobter Kriterien vorgenommen.

 

Eine ärztliche Untersuchung findet ausschließlich in Zweifelsfällen statt. So erfolgt z.B. zunächst eine Kontaktaufnahme mit dem Herkunftsland des Kindes/Jugendlichen, ggf. werden fehlende Unterlagen nachgeordert.

Auf eine CT Untersuchung wird in der Regel verzichtet, weil viele der Kinder- und Jugendlichen traumatisiert sind und ihnen eine Untersuchung in die „lärmende Röhre“, in die sie zur Altersfeststellung ganz hinein geschoben werden müssen, nicht zugemutet werden kann. Das verweigern nicht nur Ärzte, sondern auch die zuständigen Familienrichter, die eine solche Untersuchung anordnen müssten.

 

Die Inobhutnahme der minderjährigen Flüchtlinge führt zur Beantragung eines Vormunds beim Familiengericht, das ihn danach bestellt und kontrolliert. Dieser ist dann u.a. auch für die Gesundheitssorge zuständig.

 

Die medizinischen Altersgutachten führen keineswegs zur Klärung des tatsächlichen Alters – geschweige denn zu einem konkreten Geburtsdatum. Eine Spanne von 2 Jahren plus und minus wird festgelegt.

Solange sich die untere Altersspanne im Bereich der Minderjährigkeit bewegt, muss in Obhut genommen werden. Dies ist gesetzlich u.a. im SGB VIII verankert und Bestandteil des Haager Minderjährigen Schutzabkommens, das die BRD mit unterzeichnet hat.

 

Auch ein junger volljähriger Flüchtling hat unter Umständen Anspruch auf Jugendhilfeleistungen. Er kann – wie jeder andere Anspruchsberechtigte auch – einen Antrag nach § 41 SGB VIII stellen. Danach erfolgt im Jugendamt die Bedarfsprüfung und ggf. eine Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII oder eine Ablehnung des Antrags je nach Prüfungsergebnis.

 

Werden junge Flüchtlinge straffällig, sind für sie die Jugendhilfe im Strafverfahren und das Jugendstrafgericht zuständig. Es wird in jedem einzelnen Fall vom Gericht geprüft, ob in diesem Kontext ein neues Altersgutachten beauftragt wird.

 

Herr Serowy hat noch einmal darauf hingewiesen, dass der Antrag nicht der gültigen Rechtslage entspricht. Eine medizinische Überprüfung des Alters ist nur in Zweifelsfällen und mit Einwilligung des Betroffenen möglich. Beides sieht der Antrag nicht vor.

 
 

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