Auszug - Medizinische Versorgung der Flüchtlinge in den Unterkünften in Steglitz-Zehlendorf Referent: Herr Dr. Beyer  

 
 
32. öffentliche Sitzung des Integrationsausschusses
TOP: Ö 2
Gremium: Integrationsausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 06.04.2016 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:05 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Rathaus Zehlendorf
 
Wortprotokoll

Herr Dr. Beyer, berichtet über den aktuellen bezirklichen und berlinweiten Stand der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen in den Unterkünften in Steglitz Zehlendorf.

 

Überarbeiteter Wortlaut Herr Dr. Beyer: "Die Entwicklung war parallel zu dem Anwachsen der Zahl der Flüchtlinge in den Einrichtungen hier im Bezirk. Ausgehend von dem ehrenamtlichen Bereich der Dahlemer evangelischen Gemeinde, hatte sich eine Gruppe gebildet (Medizin hilft Flüchtlingen), die sich jetzt auch einen eigenen Status gibt und die in der Breite zuerst angefangen hatte die Einrichtungen zu betreuen. Im Winter 2014/2015 war es insbesondere die Turnhalle in Dahlem Dorf. Dort wurden viele Erfahrungen gesammelt. Daraus ist diese Gruppe entstanden, auch in Verbindung mit dem Willkommensbündnis.. Aus deren Arbeitsgruppe Gesundheit haben immer mehr Kolleginnen und Kollegen gesagt, wir würden gerne mitarbeiten und es ist uns so als Bezirk gelungen, den Kreis immer mehr zu erweitern. Wir haben auch viele medizinische Fachkräfte gefunden welche mitwirken und so schrittweise eine Struktur aufbauen konnten, gemeinsam mit Medizin hilft Flüchtlingen, um die Versorgung zu gewährleiten. Wir sind heute an dem Punkt, dass wir in jeder Einrichtung Ärztinnen und Ärzte haben, insbesondere Kinderärzte. Diese sind nicht alle aus diesem Verbund, es sind zum Teil auch niedergelassene Kolleginnen und Kollegen, die das an einem Tag in der Woche, neben ihrer Praxis machen. Wir sind aber sehr eng vernetzt, das heißt, die Kollegen, die sich dort bereit erklärt haben, sind zum Teil vom Gesundheitsamt gefunden worden und arbeiten eng mit dem Verbund von Medizin hilft Flüchtlingen zusammen. Das ist eine für Berlin wahrscheinlich einmalige Situation, dass es uns gelungen ist, praktisch die Einrichtungen direkt vor Ort zu versorgen bzw. jeweils einen Ansprechpartner/eine Ansprechpartnerin zu finden. Die einzige Einrichtung die nicht vorort versorgt wird, ist die Turnhalle in der Lessingstraße, dazu muss man aber sagen, dass die DRK mit ihren Kräften im Hintergrund eine sehr schnelle Möglichkeit hat Hilfestellung zu leisten, wenn es notwendig ist und auch Ärzte von Medizin hilft Flüchtlingen mehrfach bei akuten Situationen dort dann tätig geworden sind. Wir haben das Problem in den Turnhallen, dass die räumlichen Voraussetzungen die medizinische Tätigkeit erheblich erschwert, es gibt nur eine Art ärztlichen Notfallraum. Das andere muss dann irgendwo so wie es gerade geht geschehen. Vor diesem Hintergrund werden wir im Raum Zehlendorf, ausgehend von einem Gebäude in der Thielallee versuchen ein Zentrum zu schaffen, wobei das Gelände im Moment sehr in der Diskussion ist, weil in den Gebäuden die ehemals von einer Bundesbehörde genutzt worden sind, weitere Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Da haben wir Räume für Medizin hilft Flüchtlingen von denen aus auch eine Versorgung von Turnhallen wie der Turnhalle Hüttenweg und der Turnhalle Onkel-Tom-Straße erfolgen kann, das heißt, die Menschen können dort auch hinkommen und in der Sprechstunde betreut werden, was sich sehr bewährt hat. Das ist sozusagen ein Teil der Versorgung dieses Vereins, der unglaubliches leistet und der sehr viele Gelder akquiriert hat aus Spenden und die medizinische Versorgung mit Medikamenten und Hilfsmitteln erst einmal übernommen hatte. Gerade in der ersten Phase der Versorgung, wo es beim Landesamt für Gesundheit und Soziales erhebliche Schwierigkeiten gegeben hat, zeitnah eine Refinanzierung zu bekommen, ist dieser Verein in einem erheblichen Maße in Vorleistung getreten. Es gibt aber einen zweiten Teil der Versorgung hier im Bezirk der noch ungewöhnlicher ist. Wir haben im Frühjahr eine Gruppe gebildet, die sich damit beschäftigt hat, wie wir Menschen mit hochgradigen Traumatisierungen eine Unterstützung geben können und diese Gruppe ist angebunden an Xenion. Xenion ist eine Organisation die seit 1986 Flüchtlinge, Menschen die Opfer von Folterungen geworden sind, in Kriegsregionen schwerste Traumatisierungen erlebt haben betreut und gleichzeitig eine der beiden Stellen im Land Berlin ist, die die Begutachtungen von Traumatisierten auch für die Landesregion vornimmt, wenn es darum geht, welche Hilfestellungen geleistet werden müssen. Xenion und das Gesundheitsamt haben diese Arbeitsgruppe gebildet, an der mittlerweile über 50 Psychotherapeuten, Psychiater und andere Therapeuten aus dem Bereich der psychosozialen Versorgung mitwirken. Das Ziel dabei ist, für die Einrichtungen eine Hilfestellung aufzubauen, die am Beginn eine Gruppensituation hat wo man den Menschen Möglichkeiten gibt, über Sorgen und Probleme zu sprechen, also ein ganz niedrigschwelliges Angebot und man dabei schaut, wer braucht eine intensivere Hilfe und dann überleitet beispielsweise in die Praxen die mitwirken und sagen ich nehme Patienten auf aus diesem Bereich, unabhängig von der Frage ob später eine Bezahlung erfolgt oder nicht. Zum Teil erfolgen auch eine direkte Betreuung und Behandlung in den Einrichtungen sowie künstlerische Therapien. Diese Arbeit ist auch auf ausdrücklichen Wunsch der Landesregierung aufgenommen worden, weil, wie sie wissen, der Standort Ostpreußendamm als einer für Berlin wichtiger Ort ausgewählt worden ist, wo Menschen die besonders schutzbedürftig sind, untergebracht werden sollen. Das Konzept für den Ostpreußendamm sieht vor, dass es in gewisser Weise eine Drittregelung gibt, ein Drittel der Menschen mit hochgradigen Traumatisierungen, ein Drittel Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Rollstuhlfahrer aber auch andere Menschen die besonders schutzbedürftig sind, wie beispielweise Alleinreisende Frauen mit Kindern und andere Gruppen, die einer besonderen Hilfe bedürfen. Ein zweiter Standort der für eine ähnliche Aufgabe vorgesehen ist, ist das sogenannte Hochhaus in Heckeshorn, was bisher als eine Notunterkunft betrieben wird, zum Sommer hin aber eine Wohnunterkunft werden soll, mit immer stärkerer Binnendifferenzierung für Schutzbedürftige, also insbesondere auch für Frauen mit Kindern, Alleinreisende Frauen, aber da es dort ein starkes pflegerisches Segment vom Träger gibt auch für Menschen mit chronischen Erkrankungen, also für Menschen die täglich versorgt werden müssen, weil sie Hilfen brauchen, die über das hinaus geht was normale Pflege bedeutet. Dort kommt uns entgegen, dass dieses Gebäude ein Krankenhaus war und von daher Arbeitsräume bzw. Pflegeräume vorhanden sind, um eine solche Betreuung machen können beispielweise von Patienten die einen Anuspreter haben, die Gliedmaßen verloren haben oder querschnittsgelähmt sind durch Kriegseinwirkung etc, das heißt es sind zwei Standorte die in der Planung des Landes Berlin eine Besonderheit aufweisen. Wir haben dann noch eine Besonderheit dadurch, dass wir mit dem Klinikum Emil – von - Behring einen Großteil der Patienten versorgen, die mit einer Tuberkulose zu uns kommen. Das ist erst mal eine klinische Frage aber nach der Erstbehandlung nach etwa drei Wochen, wenn diese Menschen nicht mehr ansteckend sind gleichwohl aber an die Klinik angebunden bleiben müssen auch ein Unterbringungsproblem. Im Moment geht es darum, in Verhandlungen zu erreichen, dass in nahegelegenen Wohnunterkünften, diese Menschen verbleiben können, damit die Behandlung so weiter geführt werden kann, dass diese Erkrankung auch wirklich ausheilt also beispielsweise im Hohentwielsteig oder auch eben in Heckeshorn. Das wären sozusagen die Einrichtungen die besonders geeignet sind. In 6 der Einrichtungen die wir im Bezirk haben ist mittlerweile neben der medizinischen Versorgung auch die Gruppe psychische Hilfen für Flüchtlinge tätig. Wir werden sukzessiv dies weiter ausbauen und auf alle Einrichtungen dieses Bezirks ausdehnen, wobei eine psychotherapeutische Arbeit nur sehr schwierig in den Turnhallen gemacht werden kann, von daher gibt es die Überlegung, dieses in anderen Gebäuden zu machen und das Angebot praktisch aus den Turnhallen heraus zu holen und dann beispielweise in Räumen in der Thielallee oder wo geeignete Gemeinschaftsräume sind durchzuführen. So viel vielleicht erst mal zum Bezirk.

 

Ich möchte aber auch etwas zur Berliner Situation sagen, es gibt nämlich jetzt ein Konzept zur medizinischen Versorgung für das Land und in diesem Konzept ist der Schwerpunkt darauf gelegt, dass man sagt, wir sind jetzt an einem Punkt wo es uns gelingen muss die Menschen sehr schnell ins Regelsystem zu überführen. Das klingt erst mal bestechend, dass man sagt, wir arbeiten ja jetzt seit Anfang des Jahres auch mit einer Chipkarte und das macht es leichter die Abrechnung mit niedergelassenen Praxen und den Krankenhäusern zu realisieren. Dass ist die eine Seite, die andere Seite ist aber was sich nicht verändert hat, dass hier Menschen kommen die erhebliche Sprachprobleme haben, die erhebliche Probleme haben, weil sie noch nicht mit der Kultur in die sie gekommen sind vertraut sind, Ängste und Vorstellungen mitbringen, die wir nicht sofort erfassen können. Von daher bedarf es hier einer sehr starken Begleitung. Das was von Seiten der Landesregierung gemacht wird, ist ein massiver Ausbau des Gemeinde-Dolmetschersystem angebunden an Gesundheit e.V. Berlin-Brandenburg. Da entstehen eine ganze Reihe der Stellen auf die wir im Gesundheitssystem zurückgreifen können. Daneben ist geplant und da arbeiten wir gerade an einer Konzeption dass mehr Ärzte in die Einrichtungen kommen die nicht behandeln, sondern eine Lotsenfunktion übernehmen, das heißt die schauen welches Problem bei den Flüchtlingen vorliegt und dann aus ihrer Kenntnis der regionalen Versorgungslandschaft diese Menschen in einer Praxis anbinden, mit der Praxis selber reden / besprechen mit welchen Problemen kommt derjenige dorthin , dass passiert im Moment noch recht selten. Zwar kommen Flüchtlinge schon heute aus den Einrichtungen in die Praxen aber nicht selten können die Ärzte nicht erkennen welches Problem der Patient wirklich hat. Und das kann es nicht sein. Diese Interaktion muss verbessert werden und in dieser Interaktion bedarf es neben der Sprachmittlung auch einen Ansprechpartner der Zeit hat, die Situation zu erfassen und der diese Lotsenfunktion in Zukunft übernimmt. Einen Teil dieser Aufgabe übernehmen wir heute selbst schon, also auch aus dem Gesundheitsamt heraus aber insbesondere durch Medizin hilft Flüchtlingen die in der konkreten Arbeit ihrer Sprechstunden genau das machen. Insofern ist der Bezirk an dieser Stelle durch diesen großen Verein privilegiert und schon sehr weit. Deshalb werden auch viele Konzepte für das Land hier entwickelt wie auch der Standort Ostpreußendamm mit seinem Schwerpunkt nicht von ungefähr in Steglitz-Zehlendorf, ebenso die Idee Heckeshorn auszubauen. Für das Land wird es darüber hinaus eine Besserung dergestalt geben, dass die Flüchtlinge in der neuen Erstregistrierungsstelle alle gleich untersucht werden und mit dem Ziel nach einiger Zeit es zu erreichen, dass damit verbunden auch die Untersuchung auf Tuberkulose erfolgt. Ziel ist es, das man in einer Aktion entweder an einem, maximal aber an zwei Tagen den Menschen alle Unterlagen in die Hand gibt die sie für die erste Zeit benötigen, damit sie nicht unentwegt durch die Stadt fahren müssen, weil es organisatorisch nicht gelungen ist, ihnen diese im Rahmen des Erstkontaktes zu geben. Dieses Konzept ist leider, muss man sagen, im Moment etwas ins Wackeln geraten, weil so wenig Flüchtlinge kommen und man sagt es ist doch ganz einfach, wir können jetzt alles weiter in der Bundesallee machen, warum sollen wir in Tempelhof eine neue Stelle aufbauen?! Ich glaube das ist zu kurz gesprungen, weil wir befürchten müssen, dass wir sozusagen jetzt im Moment eine Zäsur haben, wo wir durchatmen und die Struktur verbessern können, aber es überhaupt nicht gesagt ist, dass nicht der Flüchtlingsstrom über andere Wege in den nächsten Monaten wieder anschwillt, von daher hoffe ich , dass die, die dafür verantwortlich sind, noch ein Einsehen haben und diese Stelle, die super gut geplant ist, auch aufbauen.

 

BV Berger (Bündnis 90 / die Grünen) hat eine Anregung, dass sich die einzelnen Fraktionen auch nochmal mit den Fraktionen im Abgeordnetenhaus kurz schließen und das unterstützen, das da jetzt nicht mittendrin im Lauf das sozusagen platt gemacht wird, wenn es dann doch wieder gebraucht wird, wenn die Mittelmeerwege wieder anders genutzt werden.

 

BV Wojahn (Bündnis 90 / die Grünen), fragt Herrn Dr. Beyer wie es ist, da es am Ostpreußendamm das Problem gab, wenn Flüchtlinge ins Krankenhaus müssen, dass deren Unterkunftsplatz weg ist und sie nach der Entlassung ohne Unterkunft dastehen und das zweite Anliegen ist, dass in den Willkommensklassen die Lehrer und die Schulleiter sehr unsicher sind, wie sie sich bei einem medizinischen Notfall zu verhalten haben. Herr Dr. Beyer antwortet wie folgt, die Kassenärztliche Vereinigung hat ihre Hilfe zugesagt. Der Ostpreußendamm als Unterkunft ist super, der Leiter vor Ort tut mehr als er muss, es werden die Plätze freigehalten wenn die Flüchtlinge ins Krankenhaus müssen.

 

BV Henning (Bündnis 90 / die Grünen) fragt, ob die Chipkarten in Steglitz - Zehlendorf schon überall im Einsatz sind oder wann dieses abgeschlossen sein wird und ob es für Blinde oder Menschen mit Schussverletzungen bessere Unterbringungsmöglichkeiten gibt? Herr Dr. Beyer antwortet wie folgt, dass sich die Chipkarte nur nach und nach einführen lässt.

 

BV Boroviczeny (Piraten) fragt, wie es mit der Versorgung der MuF´s (Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge) und wie es mit der Versorgung von traumatisierten MuF´s und Erwachsenen aussieht, woraufhin Herr Dr. Beyer wie folgt antwortet, dass es bei den MuF´s völlig anders abläuft, da sie in die Zuständigkeit der Senatsjugendverwaltung fallen. In der Wupperstraße findet die Erstregistrierung statt - darauf folgt das Clearing, dann benötigen die Minderjährigen Amtsvormünder, derzeit haben wir mehr als 3000 MuF´s. Für die ärztliche Versorgung benötigen sie einen Krankenschein der über die AOK abgerechnet wird. Die MuF´s erhalten eine gute pädagogische Betreuung. Für die Behandlung von traumatisierten MuF´s und Erwachsenen gibt es die sogenannte AG Psychiatrische Hilfe, welche bestmöglich versucht zu helfen. Frau Markl-Vieto erläutert, dass in der Wupperstraße die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft für die Clearingstelle zuständig ist, nicht das Jugendamt Steglitz - Zehlendorf.

 

BV Dr. Lehmann-Braus (CDU) äußert die Frage, ob es durch den Übergang zur Chipkarte nun ein erweitertes Leistungsspektrum gegenüber normalen Kassenpatienten gibt. Dies wird von Herrn Dr. Beyer verneint.

 

BV Burwitz (SPD) möchte wissen, ob die Ärzte von Medizin hilft Flüchtlingen einen Ausgleich oder ähnliches für ihre Arbeit erhalten, auch dies wird durch Herrn Dr. Beyer verneint. Es werden aber die Kosten für Impfungen mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales abgerechnet.

 
 

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