Auszug - Aktueller Stand zu den minderjährigen unbegleiteten Ausländern BE: Hr. Gulitz  

 
 
40. öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 7
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: im Ausschuss abgelehnt
Datum: Di, 17.11.2015 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:28 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Rathaus Zehlendorf
 
Wortprotokoll

Das Bezirksamt – in diesem Fall speziell das Jugendamt – hat sich bereits im Sommer bei der Feststellung der ansteigenden Zahlen der Personengruppe der Minderjährigen unbegleiteten Ausländer in die Planung zur Bewältigung dieser neuen großen Heraus­forderung begeben. Zur Klärung des gesamten fachlichen Hintergrunds möchte Herr Gulitz zuerst auf die Zuständigkei­ten und Abläufe eingehen:

 

Für die Erstaufnahme bzw. Inobhutnahme ist die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wis­senschaft (Sen BJW) – spezifisch das Landesjugendamt – zuständig. Dieses hat die Um­setzung dieser Aufgabe an einen Träger der freien Jugendhilfe übertragen. Dieser Träger ist für die Erst­aufnahme in einer Clearingstelle in der Wupperstraße des Bezirkes Steglitz-Zehlendorf verant­wortlich. Dort werden zurzeit die Ankommenden durch die Sen BJW registriert und in ganz Berlin vorerst in unterschiedlichen Unterkünften, z.B. auch in Hostels, untergebracht. Wäh­rend dieser Zeit werden sie von Trägern der freien Jugendhilfe ambulant betreut. Jeder Jugend­liche erhält mindestens 8 Fachleistungsstunden pro Woche, bei Bedarf auch mehr. Auch hier im Bezirk tätige ambulante Träger werden hierfür beauftragt. Die UMA erhalten dann meist inner­halb des nächsten halben Jahres – manchmal und in zunehmendem Maße dauert es auch län­ger – einen Termin zur Aufnahme in die Clearingstelle. Dort werden sie dann vom Landesjugendamt in Obhut genommen.

 

Innerhalb von 3 Monaten wird danach vom Landesjugendamt beim zuständigen Familiengericht eine Vormundschaft angeregt. Für die daraus resultierenden Vormundschaften ist das Jugend­amt Steglitz-Zehlendorf gesamtstädtisch zuständig. Um der Flut von Vormundschaften aufgrund der seit Sommer 2015 stets und kontinuierlich anwachsenden Anzahl der UMA gerecht werden zu können – jeder Vormund darf gesetzlich nur höchstens 50 Mündel betreuen – wurden von­seiten des Jugendamtes sofort bei der Senatsverwaltung für Finanzen (Sen Fin) 3 weitere Vormundstellen beantragt, die auch genehmigt wurden und deren Besetzungsverfahren läuft. In der Zwischen­zeit hat sich der Stellenbedarf allerdings so weiterentwickelt, dass er sich bis zum Jahresende prognostisch auf 9 Stellen beläuft. Auch diese befinden sich bereits in der Beantra­gung bei Sen Fin – abzüglich einer Stelle, weil durch das auch mediale Engagement des Ju­gendamtes für die­ses Aufgabenfeld, bereits 50 ehrenamtliche Vormünder gefunden werden konnten, die gleich be­stallt werden konnten. Der Zuspruch auf das Engagement des Jugend­amtes war so groß, dass für die rund 700 weiteren Interessierten Informationsveranstaltungen angeboten wurden und werden, um die Chancen und Grenzen dieser Form der Ehrenamtlich­keit zu erläutern und den danach weiterhin ernsthaft Interessierten (rund 150 bis 200 Personen) Qualifizierungskurse zu ermögli­chen. Wer dann immer noch dabei ist und vom Gericht als ge­eignet angesehen wird, kann danach vom Gericht als Vormund für jeweils 1 Mündel – in Aus­nahmefällen z.B. bei Geschwistern – auch für 2 Mündel eingesetzt werden.

 

Neben der gesamtstädtischen Aufgabenwahrnehmung für die Vormundschaften der UMA ist das Jugendamt Steglitz-Zehlendorf auch – wie alle anderen Berliner Bezirke – für einen Teil der Unter­bringungen im Rahmen der Jugendhilfe nach Beendigung der Inobhutnahme nach den 3 Monaten in der Clearingstelle zuständig. Mit Beendigung des Clearings geht die Zuständigkeit für ca. 10 % der UMA (Berlinweiter Verteilungsschlüssel) auf das hiesige Jugendamt über. Weil sich natürlich auch hier die Fallzahlen verdoppelt haben und ebenfalls ständig weiter steigen, wurde auch bereits im Spätsommer der Antrag auf eine zusätzliche Sozialarbeiterstelle und zur verwaltungstechni­schen Abwicklung der eingeleiteten Maßnahmen auf eine Verwaltungsstelle für die Wirtschaftliche Jugendhilfe (WiJuHi) bei der Sen BJW gestellt. Auch diese Stellen wur­den bewilligt und befinden sich im Auswahlverfahren. Des Weiteren konnten wir eine Sozialarbeiterjahrespraktikantin gewin­nen, die in einem anderen Bundesland bei Ihrem Studienabschluss noch die Anwartschaft auf das Anerkennungsjahr erworben hat – das Anerkennungsjahr wurde in Berlin leider abgeschafft – die jetzt auch in diesem Arbeitsfeld unterstützt und suk­zessive selbstständig unter Anleitung tätig wird. Aber auch hier werden wegen der noch immer steigenden Anzahl der UMA weitere Stellen bei Sen Fin beantragt.

 

Herr Gulitz kommt im Anschluss zur angemessenen Unterbringung der UMA. Wenn die Zustän­digkeit im Bezirk liegt, erfolgt die Unterbringung in Einrichtungen der Jugendhilfe, deren Stan­dards durch den Berliner Rahmenvertrag für Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshilfe (BRVJUG) vorgegeben sind.  Als der wach­sende Bedarf an Einrichtungsplätzen im Rahmen der Jugendhilfe im Sommer deutlich wurde, ge­lang es bereits im August 8 Plätze für die UMA  im Bezirk zu schaffen.

 

Des Weiteren konnten zur Aufnahme von UMA aufgrund des schon erwähnten medialen Auf­rufs des Jugendamtes rund 30 Gastfamilien gewonnen werden. Die Anbahnung einer dortigen Unter­bringung gestaltet sich aufwendig, weil eine möglichst große „Passgenauigkeit“ zwischen Familie und aufzunehmendem UMA erarbeitet werden muss. Rund 5 Vermittlungen sind bereits gelungen.

Am 30.10.2015 trat das Jugendamt mit den stationären Trägern der Qualitätsoffensive e.V. und den ambulanten Trägern, die sich bezirklich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, in die weitere Pla­nung ein. Die momentanen Zahlen der nur registrierten UMA (s.o.) verdeutlichen, dass wir bezirk­lich innerhalb des nächsten Jahre voraussichtlich 200 Unterbringungsplätze zusätzlich mit unter­schiedlichster Ausprägung – von sehr niedrigschwellig, weil schon auch durch die gelun­gene Flucht sehr selbstständigen älteren UMA bis hin zu schwer traumatisierten oder jüngeren UMA - benötigen. Die Schaffung von 20 Plätzen pro Angebot erscheint zur Integration bzw. In­klusion aus sozialpädagogischer Sicht als sinnvoll.

 

Derzeit ist das Jugendamt Steglitz-Zehlendorf für die Unterbringung von 86 unbegleiteten min­der­jährigen Flüchtlingen zuständig. Von Sen BJW registrierte und vorläufig untergebrachte UMA be­finden sich zurzeit ca. 2.000 in Berlin.

 

Herr Gulitz erörtert, weshalb eine schnelle Zuweisung amtlicher oder ehrenamtlicher Vormünder für die UMA nur zum Teil gesichert ist. Die zurzeit im Jugendamt für die UMA tätigen Vormün­der können aufgrund des gesetzlich festgelegten o.g. Rahmens 228 Vormundschaften füh­ren. Bis Jahresende werden ca. 600 weitere Vormundschaften vorliegen, weswegen der o.g. Stellenbedarf besteht. Weil auch weiterhin mit einem Anstieg gerechnet werden muss, wurde wie be­schrieben um Ehrenamtliche geworben. Dabei haben sich ca. 700 Personen zu unterschied­lichen Bereichen (Vormundschaft und/oder Gastfamilie) gemeldet. Über diesen großen Zulauf ist das Ju­gendamt sehr froh und dankbar.

 

Bis aber für alle Bereiche die notwendigen Qualifizierungen umgesetzt sind, wird es noch eine Weile dauern, zumal hierfür zurzeit noch kein zusätzliches Personal zur Verfügung steht und die Personallage im Jugendamt äußerst angespannt ist. Ab Anfang des kommenden Jahres wer­den 2 Koordinationsstellen für die Flüchtlingsarbeit insgesamt im Jugendamt besetzbar werden. Bis diese Kolleg_inn_en sich eingearbeitet und einen Überblick verschafft haben, wird auch Zeit vergehen. Für den Übergang wurde zur Anbahnung der ehren­amtlichen Vormundschaften eine Honorarkraft eingestellt. Das ist zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, mehr ist aber auf­grund der ebenfalls bekannten angespannten Haushaltslage des Bezirkes momentan nicht zu leisten.

 

Deshalb ist davon auszugehen, dass – selbst wenn alle getroffenen und geplanten Maßnahmen umgesetzt sein werden – die Herausforderung des zielgerichteten Einsatzes der Ehrenamtli­chen bestehen bleibt. Alle bemühen sich nach Kräften darum, hier keine Frustrationen entste­hen zu las­sen, können aber immer wieder nur um Verständnis und Geduld bitten, was auf ver­schiedenen Wegen (Informationsveranstaltungen, Anmeldebögen, Email, Briefe etc.) auch ständig geschieht. Ehrenamtliche Vormünder müssen auf ihre Eignung geprüft, informiert, qua­lifiziert und fachlich be­gleitet werden. Eine finanzierte Kooperation mit dem Cura-Betreuungsverein ist hierfür ins Leben gerufen worden. Dieser übernimmt für die noch nicht Vermittelten die o.g. Aufgaben. Der Caritas­verband Berlin hat sich bereit erklärt, zusätzliche Informationsveranstaltungen im November 2015 durchzuführen. Im Anschluss, nach erfolgter Überprüfung und Qualifizierung, werden somit weitere Ehrenamtliche für die Übernahme von Vormundschaften zur Verfügung stehen. Das ist dringend notwendig, weil hier auch für die kommenden Jahre großer Bedarf bestehen wird.

 
 

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