Auszug - Bericht aus dem Bezirksamt  

 
 
16. öffentliche Sitzung des Gesundheitsausschusses
TOP: Ö 4
Gremium: Gesundheitsausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 25.04.2024 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 18:35 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Bürgersaal
Ort: Rathaus Zehlendorf
 
Wortprotokoll

Herr Schulze (Leiter des Gesundheitsamts) stellt seine beiden Kolleginnen Frau Dr. Maja George und Frau Heinrich vor. Beide sind Ärztinnen im Bereich Hygiene und Umweltmedizin. Heute wolle man dem Wunsch von Herrn Essaida aus der letzten Ausschusssitzung entsprechen und einen Überblick über sexuell übertragbare Krankheiten geben. Dabei werde man vor allem auf die Fragen eingehen, wie bei entsprechenden Meldungen im Gesundheitsamt das Vorgehen sei und wie überhaupt gemeldet werde. Die Präsentation wird als Anlage zum Protokoll verschickt.

 

Frau Dr. George (Leitung der Hygiene und Umweltmedizin seit 2020) erklärt zunächst die beiden Abkürzungen, die oftmals für sexuell übertragbare Erkrankungen genutzt werden: STD /sexually transmitted diseases), sowie STI (sexually transmitted infections).

 

Im Bereich der Hygiene und Umweltmedizin ist der Infektionsschutz und die Kommunalhygiene angegliedert. Zuständig ist man für die Überprüfung der Trink- und Badegewässer, die Meldung von Schädlingen und Einleitung von entsprechenden Bekämpfungsmaßnahmen, die Umweltmedizin und den gesundheitlichen Bevölkerungsschutz, bspw. Planungenr einen Ablauf, wenn im Bezirk größere Mengen an Medikamenten ausgegeben werden müssten. Zum Team gehören 3 Mediziner*innen und 1 Biologin/Epidemiologin, 10 Hygienekontrolleure, die eine 3-jährige Ausbildung abgeschlossen haben und teilweise Erfahrungen aus vorherigen Beschäftigungen mitbringen. Diese vielfältigen Erfahrungen helfen dabei, sich gut auf die vielfältigen Aufgaben des Bereichs einzustellen. Ein großer Bereich ist der Infektionsschutz, also die Beratung zu und Ermittlung von meldepflichtigen Erregern. Man führt Ausbruchsuntersuchungen durch und begeht die vielfältigsten Einrichtungen. Ein weiteres Thema ist die Überwachung des Trinkwassers, bspw. in Bezug auf Legionellen, und die Überprüfung der Straßenbrunnen. Zudem hat man 2023 insgesamt 248 Bekämpfungsmaßnahmen gegen Ratten durchgeführt.

 

Definiert werden die sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) als diejenigen, die durch Geschlechtsverkehr übertragen werden. Dabei wird zwischen meldepflichtigen (z.B. HIV, HPV, Chlamydien etc.) und nicht-meldepflichtige Krankheiten (z.B. der weiche Schanker) unterschieden. Zusätzlich gibt es Krankheiten, die zwar meldepflichtig sind, aber schon über sehr engen Hautkontakt übertragen werden können (z.B. Krätze oder Hepatitis B). Auf Rückfrage von BzStRin Böhm führt Herr Schulze aus, dass der „weiche Schanker“ eine Krankheit sei, mit der sich überwiegende Sexarbeitende oder Menschen, die häufig wechselnden Geschlechtsverkehr haben, ansteckten. Dabei schwellen u.a. die Lymphdrüsen im Geschlechtsbereich an.

 

Frau Dr. George geht folgend auf die meldepflichtigen Erkrankungen ein: Deren Grundlagen bildet das Infektionsschutzgesetz (IFSG), hier v.a. § 6 (Meldung der Krankheiten durch die Ärzt*innen) und § 7 (Meldung von Krankheitserregern durch die Labore). Die Labore können inzwischen die Meldungen über ein System übermitteln, was ein großer Fortschritt und eine enorme Arbeitserleichterung gegenüber der früheren Meldung per Meldeformular und Fax darstelle. Zur Meldung verpflichtet sind außerdem die Leitungen von Gemeinschaftsunterkünften. Es wird unterschieden zwischen namentlichen (Name, Telefonnummer und Kontaktanschrift) und nicht-namentlicher Meldungen (Meldung vom Labor direkt ans RKI). Aber das Gesundheitsamt benötige auch hier die Datenbasis, um benötigte Public Health Maßnahmen anregen zu können (z.B. über den Syphillis-Erreger, HIV, Bandwürmer, bei Geburt mit Toxoplasmose infizierten Kindern, Gonorrhoe-Erregern und Chlamydien).

 

Am Beispiel der Affenpocken stellt Frau Dr. George den Ablauf bei einer namentlichen Meldung vor: Die Meldung durch den Arzt oder das Labor geht an das Gesundheitsamt, dort wird dann die Ermittlung aufgenommen: Kontaktaufnahme mit den Betroffenen und deren Kontaktpersonen. 2022 gab es im Bezirk 30 Meldungen, seit der Impfung gab es dann 2023 und 2024 jeweils nur eine Meldung. In anderen Bezirken waren das in den genannten Jahren deutlich mehr. Nicht-namentliche Meldungen sind Meldungen gemäß § 7 Abs. 3 IfSG: Hier geht die Meldung vom Labor ans RKI. Ein spezielles Anonymisierungsverfahren sorgt einerseits für die Zusicherung der Anonymität der erkrankten Person, gleichzeitig könne im Notfall aber eine Nachermittlung stattfinden. Dies führt dazu, dass die Scham vor dem Arztbesuch verringert wird und die Bereitschaft zum Test steigt.

 

Beispiel für nicht-namentliche Meldung ist die Gonorrhoe: Hier gibt es einen weltweiten Anstieg der Fallzahlen mit einer gleichzeitigen Resistenz gegenüber allen Antibiotikaklassen. Der Erreger mutiert schnell und entwickelt besonders schnell Resistenzen gegenüber den Antibiotika-Medikamenten. Die Inzidenz in Europa seit 2020 steigt steil an. Nach Rückfrage von BV Frau Dr. Lehmann-Brauns wird nochmal dargestellt, wie kompliziert die Behandlung sei, die Medikamente lägen nicht standardmäßig bei den Hausärzten vor. Zusätzlich sei die Diagnostik sehr schmerzhaft. Die Schwerpunktpraxen seien meist gynäkologische oder urologische, selten auch dermatologische Praxen. Die Versorgung in Berlin sei hier recht gut, auf dem Land sehe es da schon bedeutend schlechter aus. Auch die Daten aus Sachsen, wo die Gonorrhoe seit 2016 bereits meldepflichtig ist, zeigen den starken Anstieg seit 2020. Der Altersmedian liegt bei Männern bei 34 Jahren, bei Frauen bei 31 Jahren.

 

Die Syphilis wird wie die Gonorrhoe bakteriell verursacht, kann allerdings durch Antibiotika geheilt werden, wobei wiederholte Infektionen möglich sind. Seit 2022 hat man einen Anstieg um 23,1 % auf 1560 gemeldete Fälle erfasst, man geht davon aus, dass sich dieser Trend 2023 fortgesetzt hat. Die Gesamtzahl der Infektionen bei Männern ist stark angestiegen. In Deutschland ist Berlin unter den Bundesländern am stärksten vertreten. Auf die Rückfrage von BV Frau Specht-Habbel, welche Gründe dieser Anstieg haben könnte, wird ein geändertes Risikoverhalten für am Wahrscheinlichsten angesehen.

 

In Berlin hat Steglitz-Zehlendorf sehr geringe Fallzahlen im Vergleich zu den innerstädtischen Bezirken. Die Erkrankten befinden sich überwiegend in der Altersspanne zwischen 20 und 39. Der Trend bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), hat den höchsten Anstieg. Das kann am risikofreudigeren Verhalten liegen, das vielleicht auch darin basiert, dass es inzwischen gute Prophylaxemöglichkeiten für HIV-Erkrankungen gäbe. Hier müssten jedoch noch weitere entsprechende Daten erhoben und diese Theorien wissenschaftlich überprüft werden. BV Frau Dr. Lehmann-Brauns erhält auf ihre Nachfrage die Antwort, dass die Kosten für die Prophylaxe-Medikamente (ähnlich wie die „Pille danach“) als Kassenleistung übernommen werden. Zudem erläutert Herr Schulze, dass bei einer HIV-Erkrankung im Gegensatz zur Prophylaxe-Maßnahme eine richtige Regel-Medikation (z.B. durch Dreimonatsspritzen) verordnet wird, die mittlerweile relativ verträglich ist und mit einer nahezu normalen Lebenserwartung einhergeht.

 

Public Health Maßnahmen sind vor allem eine rasche Diagnose und Behandlung, um Folgeerkrankungen zu vermeiden sowie verbesserte Screening Angebote und szenenahe Testangebote: Hier spricht man in der Regel vom Home Sampling (Tests, die zu Hause durchgeführt und dann ins Labor geschickt werden) und vom Home Testing (Test und eigenes Ergebnis zuhause, wie man es z.B. von den Corona-Tests kennt). Weitere Maßnahmen finden sich in verschiedene Schulungsangeboten für unterschiedliche Zielgruppen.

 

In Berlin ist in fünf Bezirken an das Gesundheitsamt ein „Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung“ angesiedelt (u.a. in Steglitz-Zehlendorf). Diese Zentren arbeiten bezirksübergreifend und multiprofessionell. Die HIV-Tests dort sind r Menschen mit geringen Einkünften kostenfrei. Die Zentren können außerhalb des Wohnortbezirks aufgesucht werden und stehen Menschen mit und ohne Krankenversicherung zur Verfügung. Das Zentrum für Familienplanung in Steglitz-Zehlendorf ist an das Auguste-Viktoria-Klinikum angesiedelt.

 

BV Frau Dr. Lehmann-Brauns fragt nach, ob in Deutschland noch alle 3 Syphillis-Stadien vorkämen. Frau Dr. George führt aus, dass die meisten Erkrankungen frühzeitig entdeckt und behandelt würden.

 

BV Frau Kipf fragt nach den inzwischen vorhandenen Impfungen für sexuell übertragbare Krankheiten (Affenpocken und HPV). Frau Dr. George ergänzt noch die Möglichkeit der Hepatitis-D-Impfung.

 

BV Herr Lücke dankt Frau Dr. George für den Vortrag und bittet um die digitale Version des Vortrags für das Protokoll.

 

BV Herr Lücke führt weiterhin aus, dass der Besuch im Auguste-Viktoria-Klinikum beim Zentrum für Familienplanung sich organisatorisch als schwierig erweise, da ein Raum für bis zu 25 Personen nicht bereitstünde. Sein Vorschlag ist daher, in der Mai-Sitzung des Ausschusses einen „Spaziergang“ durch die Einrichtung durchzuführen. Anschließend in der darauffolgenden Sitzung würde dann ein „Theorieblock“ im Ausschuss anschließen, um die entsprechenden Fragen zu klären und Sachverhalte zu besprechen. Er werde sich um eine Ältestenrat-kompatible Lösung der Durchführung kümmern. Der Ausschuss ist mit dem Vorschlag einverstanden.

 

Herr Schulze und Frau Böhm bewerben den von der QPK organisierten Spaziergangs-Monat „Ge(h)meinsam unterwegs“, v.a. den medizin-historischen Spaziergang in Steglitz von Herrn Schulze am 04.05.2024 und den Spaziergang von Frau Böhm zum Thema Beteiligung mit dem Raum für Beteiligung in Zehlendorf am 26.04.2024.

 

BzStRinhm verteilt außerdem den Bericht der Einschulungsuntersuchungen in Papierform an die Fraktionen, die Kurzversion wurde bereits im Ausschuss von Frau Dr. Bettge und Frau Dr. Seel vorgestellt.

 

BV Frau Dr. Lehmann-Brauns verweist auf das Schreiben zum Thema der Versorgung in Kinderarztpraxen von Frau Senatorin Czyborra. Dieser Brief ist das Antwortschreiben auf die Fragen, die Frau Böhm, wie in der Ausschusssitzung im Januar verabredet, an die Senatorin geschickt hat. Frau Dr. Lehmann-Brauns bittet darum, das Thema in der zweiten Jahreshälfte im Ausschuss aufzurufen, wenn die im Brief genannte Arbeitsgruppe des gemeinsamen Landesgremiums mögliche Lösungsansätze formuliert habe. Außerdem habe sie noch Rücksprachebedarf zur genannten Hotline 116 117 (Kassenärztliche Notdienst) und den genannten „66% der fallabschließenden Anrufe“ und zum medizinischen Selbsteinschätzungsprogramm auf der Website www.116117.de .

 

BzStRinhm berichtet in diesem Zusammenhang, dass der von der Senatsverwaltung eingerichtet „Runde Tisch für Kindergesundheit“ inzwischen getagt habe und nun drei Unterarbeitsgruppen daraus gegründet werden. Mit dem Gesundheitsstadtrat Schworck aus Tempelhof-Schöneberg werde sie sich aufteilen, wer welche Unter-AG besuche. Im November wird dann der nächste Runde Tisch wieder tagen. Erwähnenswert sei zudem noch die Hotline der Techniker Krankenkasse, die 365 Tage im Jahr rund um die Uhr für die Versicherten besetzt sei. Auch andere Krankenkassen haben ähnliche Angebote, die zuletzt von der Pressestelle auch beworben wurden.

 

Frau Kannenberg (Seniorenvertretung) berichtet von dem Notfalldienst der Kassenärztlichen Vereinigung an der Charité Campus Benjamin Franklin, ergänzt wird sie von BD Frau Baierl-Johna.

 

BV Herr Lücke bittet das Bezirksamt darum, demnächst über die im Februar stattgefundene Gesundheitsmesse im Zehlendorfer Rathaus/ Bürgersaal zu berichten. Dabei interessiere ihn vor allem, um was genau es sich bei dieser privaten Veranstaltung gehandelt habe, wie man mit dem Eindruck umgehe, dass es sich um eine vom Bezirksamt unterstützte Veranstaltung handele und wie man in Zukunft mit solchen Angeboten umgehen möchte.

 
 

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