Drucksache - 0962/XXI  

 
 
Betreff: Careleaver – Jugendwohnen in Spandau
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Bündnis '90/Die GrünenBezirksamt
Verfasser:Kossok-Spieß / Sonnenberg-Westeson 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
   Beteiligt:BzStR'in Franzke
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beantwortung
18.10.2023 
Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Spandau von Berlin      

Sachverhalt
Anlagen:
1. Version vom 05.10.2023
2. Version vom 02.11.2023

Schriftliche Antwort des Bezirksamtes vom 23.10.2023 zur Großen Anfrage 0962/XXI

Eingang im BVV-Büro: 24.10.2023

 

1. Welche Angebote gibt es in Spandau für Careleaver, also junge Menschen, die stationäre Jugendhilfeformen verlassen (vgl. § 30 SGB VIII)?

Antwort:

Im Bezirk Spandau gibt es bislang noch keine expliziten Careleaver-Angebote. Über die Spandauer AG gem. §78 SGB VIII „Hilfen zur Erziehung“ wurde in den Jahren 2018/19 bei den Spandauer Freien Trägern der Jugendhilfe intensiv für die Schaffung solcher Plätze geworben. Gemeinsam mit den Trägern wurden Standards für solche Angebote entwickelt, jedoch fanden sich in Spandau bislang weder Immobilien noch Träger für diese Art des Angebotes.

Berlinweit entstanden 2018/19 nach den Wünschen nahezu aller Jugendämter solche Plätze, von denen auch das Jugendamt Spandau in geringem Maße profitieren konnte. Letztlich scheiterten jedoch viele dieser Projekte trotz intensiver konzeptioneller, kooperativer und praktischer Vorarbeit der Träger und Jugendämter an der fehlenden tatsächlichen Nachfrage durch die Jugendämter: Entweder schätzten das Jugendamt und/oder der „abgebende“ Freie Jugendhilfeträger den individuellen Bedarf des jungen Menschen im Einzelfall sehr viel höher ein, als er durch ein Careleaver-Angebot hätte gedeckt werden nnen oder der Verselbständigungsprozess war im Einzelfall über die Stationen Gruppe-Wohngemeinschaft-Betreutes Einzelwohnen bereits so weit fortgeschritten, dass die Überleitung in ein Careleaver-Wohnen eine unnötige Zwischenstufe dargestellt hätte.

Die Träger, die 2018/19 mit dem Anmieten und Umbauen teils großer Immobilien für ein Careleaver-Wohnen wirtschaftlich weit in Vorleistung gegangen waren, mussten daraufhin ihr Angebot wieder abbauen oder belegten auf Nachfrage der Jugendämter die frei gebliebenen Plätze stattdessen mit jungen Geflüchteten.

 

2. Wie viele und welche Räumlichkeiten/Wohnplätze stehen diesbezüglich zur Verfügung?

Antwort:

Wie unter 1. beschrieben, gibt es in Spandau bislang keine Careleaver-Angebote. Ein Träger plant derzeit die Schaffung von 18 Plätzen in Spandau, es gibt allerdings noch gewichtige konzeptionelle und erlaubnisrechtliche Fragen zu klären. Es ist unklar, zu wann der Träger sein Angebot bereitstellen will.

Alternativ werden vom Jugendamt Spandau für junge Menschen Angebote der Jugendberufshilfe in Kombination mit Wohnmöglichkeit belegt (§13,3 SGB VIII). Hier bietet das RKI Kladow 5 Plätze an.

 

2.1 Wie sind diese Plätze nach Kenntnis des Bezirksamtes ausgelastet (bitte für die Jahre 2020-2023 angeben)?

Antwort:

Die §13,3-Plätze des RKI sind voll ausgelastet, reine Careleaver-Plätze gibt es in Spandau nicht.

 

3. Sind dies rein privat organisierte Wohnplätze/Räumlichkeiten oder ist der Bezirk daran beteiligt?

Antwort:

Siehe 2.1.

 

3.1 Wenn der Bezirk daran beteiligt ist bzw. Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, inwiefern und welche Mittel stehen dafür bereit?

Antwort:

Wenn das Jugendamt Spandau Angebote in anderen Bezirken belegt, dann wird die Betreuung über eine ambulante Hilfe (§30 SGB VIII) sichergestellt. Der Lebensunterhalt für den jungen Menschen einschließlich der Wohnraumkosten wird über das Job-Center abgesichert.

 

3.2 Wenn der Bezirk nicht daran beteiligt ist bzw. Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, durch wen werden die Angebote/Räumlichkeiten bereitgestellt?

Antwort:

Den Wohnraum stellt der Träger und untervermietet ihn an den jungen Menschen.

 

3.3 Wenn der Bezirk nicht daran beteiligt ist bzw. Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, warum nicht?

Antwort:

Der Bezirk Spandau verfügt nicht über eigene Wohnimmobilien und kann auch nicht ohne Weiteres als Mieter und Untervermieter auftreten. Daher benötigen Careleaver-Angebote einen Freien Träger der Jugendhilfe, der bereit ist, geeigneten Wohnraum anzumieten und an Careleaver weiter unterzuvermieten.

 

4. Welche eigentlichen Bedarfe für diesbezügliche Räumlichkeiten und Unterstützungen sowie Herausforderungen für Careleaver sieht der Bezirk in Spandau?

Antwort:

Die größte Herausforderung in dieser Thematik ist der große Wohnraummangel. Selbst wenn ein Träger bereit ist, ein Careleaver-Angebot zu schaffen, ist es kaum möglich, eine entsprechende Immobilie zu finden. Ferner muss die dann dem jungen Menschen in Rechnung gestellte Untermiete den finanziellen Rahmen der AV-Wohnen einhalten, da sonst das Job-Center die Miethöhe nicht anerkennt.

Trägerseitig ist der Anreiz zur Schaffung von Careleaver-Angeboten geringer als zur Schaffung von gängigen stationären Jugendhilfeangeboten im Bereich der Hilfen zur Erziehung: Es fallen die gleichen Wohnraumkosten pro Platz an, mit der geringeren Betreuungsdichte bei Careleaver-Angeboten lässt sich jedoch weniger Geld verdienen. Neben dem zusätzlich herrschenden Fachkräftemangel ist ein weiteres Hemmnis für die Träger, dass ihnen bei einem Careleaver-Angebot die Rolle eines Vermieters zufällt:

Auch wenn der junge Mensch die Hilfe abbricht, kann er eine Zeit lang Mieter bleiben; der Platz kann so lange nicht weiter vergeben werden.

Aus Sicht des Jugendamtes Spandau besteht ein Bedarf an Careleaver-Angeboten, denn die derzeitige Wohnungsnot ermöglicht nicht den bislang üblichen Verselbständigungsabschluss aus stationärer Jugendhilfe in eigenen Wohnraum, ggf. mit ambulanter Nachbetreuung. Wünschenswert wären hier Träger, die bereit und in der Lage sind, größere Wohngemeinschaften für Careleaver bereitzustellen und dann das Zusammenleben dieser jungen Menschen zu unterstützen durch das Schaffen von niedrigschwelligen Angeboten wie Vernetzungsorte, Treffpunkte, spezialisierte Beratungsstellen …

 

4.1 Welche Möglichkeiten hat insbesondere der Bezirk, die er sofort schaffen und bereitstellen könnte?

Antwort:

Der Bezirk hat keine eigenen geeigneten Wohnimmobilien, die er zur Verfügung stellen könnte.

Aus der gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Jugendamt und Trägern der AG §78, die 2019 gemeinsame Standards für Careleaver-Projekte entwickelt hatte, gründete sich die Initiative „Zukunft wohnt in Spandau“, um das vermutete Potential an privatem Wohnraum/privaten Wohnmöglichkeiten zu „heben“ und solche Angebote und die Bedarfe junger Menschen zu „matchen“. Rund 35 Spandauer Immobilienunternehmen wurden mit dem Konzept angefragt und im vergangenen Jahr zu einem Auftakttreffen eingeladen. Lediglich ein landeseigenes Unternehmen erschien. Zwar wurden von nahezu allen Angefragten die Initiative und deren Ideen gelobt, jedoch sah sich niemand in der Lage, Wohnraum anzubieten.

 

4.2 Welche Planungsverfahren laufen diesbezüglich und mit welchem aktuellen Stand?

Antwort:

Gegenwärtig werden in einer Arbeitsgruppe von Freien Trägern und Jugendamt die Verselbständigungs- und Careleaver-Standards überarbeitet/aktualisiert. Alle Planungen scheitern jedoch am fehlenden und bezahlbaren Wohnraum.

 

5. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bezirksamt sind für den Bereich der Careleaver zuständig und wo sind diese angesiedelt?

Antwort:

An den gemeinsamen Arbeitsgruppen mit den Freien Trägern der Jugendhilfe sind der Regionale Sozialpädagogische Dienst (RSD) und der Fachdienst Steuerung des Jugendamtes beteiligt.

r den einzelnen jungen Menschen ist die jeweilige fallführende Fachkraft im RSD zuständig.

 

6. Plant der Bezirk, weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit diesem Bereich zu betrauen bzw. dafür einzustellen, die Mittel zu erhöhen oder weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Arbeit in diesem Bereich zu ergreifen?

6.1 Wenn ja, inwiefern?

6.2 Wenn nein, warum nicht?

Antwort:

Das hauptsächliche Problem besteht nicht im Fehlen von Ideen, Konzepten und rechtlichen Möglichkeiten, sondern in fehlendem Wohnraum, in dem sich diese Angebote umsetzen lassen. Mehr eingesetztes Personal wird an diesem Umstand nichts ändern können.

 

 

Berlin-Spandau, 23.10.2023

 

Tanja Franzke

Bezirksstadträtin

 

 

 

Große Anfrage der SPD-Fraktion zur 021/XXI (BVV) am 18.10.2023

 

1. Welche Angebote gibt es in Spandau für Careleaver, also junge Menschen, die stationäre Jugendhilfeformen verlassen (vgl. § 30 SGB VIII)?

2. Wie viele und welche Räumlichkeiten/Wohnplätze stehen diesbezüglich zur Verfügung?

2.1 Wie sind diese Plätze nach Kenntnis des Bezirksamtes ausgelastet (bitte für die Jahre 2020-2023 angeben)?

3. Sind dies rein privat organisierte Wohnplätze / umlichkeiten oder ist der Bezirk daran beteiligt?

3.1 Wenn der Bezirk daran beteiligt ist bzw. Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, inwiefern und welche Mittel stehen dafür bereit?

3.2 Wenn der Bezirk nicht daran beteiligt ist bzw. Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, durch wen werden die Angebote/Räumlichkeiten bereitgestellt?

3.3 Wenn der Bezirk nicht daran beteiligt ist bzw. Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, warum nicht?

4. Welche eigentlichen Bedarfe für diesbezügliche Räumlichkeiten und Unterstützungen sowie Herausforderungen für Careleaver sieht der Bezirk in Spandau?

4.1 Welche Möglichkeiten hat insbesondere der Bezirk, die er sofort schaffen und bereitstellen könnte?

4.2 Welche Planungsverfahren laufen diesbezüglich und mit welchem aktuellen Stand?

5. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bezirksamt sind für den Bereich der Careleaver zuständig und wo sind diese angesiedelt?

6. Plant der Bezirk, weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit diesem Bereich zu betrauen bzw. dafür einzustellen, die Mittel zu erhöhen oder weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Arbeit in diesem Bereich zu ergreifen?

6.1 Wenn ja, inwiefern?

6.2 Wenn nein, warum nicht?

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
Stadtbezirk Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Sitzungsteilnehmer/-in Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen