Auszug - Pflegemissbrauch bei einem Pflegedienst - angemeldet durch BzStR Bewig  

 
 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales
TOP: Ö 2
Gremium: Soziales Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 06.07.2016 Status: öffentlich
Zeit: 16:35 - 17:44 Anlass: ordentlichen
Raum: Sitzungszimmer 202
Ort: Rathaus Spandau, 2. Etage
 
Wortprotokoll

 

BzStR Bewig führt aus, dass mehr als 2 Monate seit der Durchsuchung eines Pflegedienstes vergangen sind. Frau Mareck (Gruppenleiterin) sowie Frau Dybowski (Pflegecontrollerin) werden von ein paar Eindrücken am Tag der Durchsuchung und den Dingen, die herausgefunden wurden, berichten.

Das pflegefachliche Controlling wurde 2009 eingerichtet. Im Jahr 2011 hat das Bezirksamt Spandau diesen Bereich mit Personal verstärkt. Dabei entwickelte sich eine Diskussion, die vom damaligen Staatssekretär Bügel öffentlichkeitswirksam aufgetan wurde, wie umfänglich der Pflegemissbrauch ist.

Im Land Berlin wurden daraufhin verschiedene Arbeitsgruppen gegründet. Aufgrund der seinerzeit nicht ausreichenden personellen Kapazitäten, wurde im Jahr 2015 mit dem Land Berlin eine Zielvereinbarung "Absicherung und Weiterentwicklung einer abgestimmten und systematischen Vorgehensweise zur Verhinderung von Leistungsmissbrauch und Abrechnungsmanipulation ambulanter Hilfe zur Pflege in Berlin" abgeschlossen.

Die Zielvereinbarung beinhaltete auch zwei zusätzliche Mitarbeiter für Spandau, die Anfang 2016 eingestellt werden konnten und im Rahmen dieser Fälle, die bekannt wurden, auch aktiv geworden sind.

In dem konkreten Fall des Pflegedienstes Ariadne wurden die Kosten nicht mehr übernommen. Nach den Durchsuchungen und den Belegen, die gefunden wurden, hat dann der Pflegedienst seinen Betrieb eingestellt.

Dabei war es wichtig sicherzustellen, dass diejenigen, die tatsächlich Pflegebedürftig sind, nicht plötzlich unversorgt geblieben sind.

 

Herr Fischer ergänzt, dass der Bezirk Spandau für ambulante Maßnahmen zur Hilfe zur Pflege (Stand: 31.12.2015) 17,4 Millionen Euro ausgibt. Berlinweit betrug das Ausgabevolumen im letzten Jahr 201 Millionen Euro. Zum Stichtag 31.12.2015 wurden in Spandau 1299 pflegebedürftige Personen betreut, die ihre notwendige pflegerische Versorgung, aufgrund mangelnden Einkommens, nicht selber bezahlen können.

Der Anteil der pflegebedürftigen Personen im Bezirk ist wesentlich höher. Diese erhalten Leistungen von der Pflegeversicherung.

 

Frau Mareck berichtet, dass im Frühjahr 2015 die Senatsverwaltung an die Abteilung herantrat, mit der Bitte, ein Tagesprofil für einen Monat im Jahr 2014 zu erstellen. Zu diesem Zweck wurde eine Kürzelliste von Pflegediensten zur Verfügung gestellt. Anhand dieser Liste fielen Namensgleichheiten von Klienten auf. Dem wurde nachgegangen und festgestellt, dass einige Mitarbeiter des Pflegedienstes mit den Pflegebedürftigen verwandt sind. Bei weiteren Prüfungen stellte sich heraus, dass in einigen dieser Fälle, die Angehörigen in der vollen Versorgung der Eltern oder Geschwister waren, obwohl in den Hausbesuchen angegeben wurde, dass kein Kontakt vorhanden ist bzw. eine Hilfestellung durch die Familienangehörigen nicht möglich ist, weil sie erwerbstätig sind. Einen Hinweis darauf, dass sie in dem Pflegedienst tätig sind, gab es nicht.

In den besonders auffälligen Fällen wurden nach Recherchen bei einigen Klienten die Leistungen eingestellt, mit dem Hinweis, dass die Angehörigen die Pflege übernehmen können.

Gleichzeitig gab es vom Landeskriminalamt (LKA) die Information, das gegen den Pflegedienst großflächig ermittelt wird. Um nicht die Ermittlungen des LKA zu gefährden, wurde die Abteilung aufgefordert, nur in den Fällen leistungsrechtlich vorzugehen, die offensichtlich waren.

Anfang April hat das LKA die Abteilung darüber informiert, dass am 21.04. eine große Hausdurchsuchung, parallel bei über 30 Klienten in ganz Berlin, geplant ist. Die Abteilung wurde gebeten, diese Maßnahme zu begleiten. Es wurden 8 Mitarbeiter des Bezirksamtes zur Begleitung gemeldet.

Zusammen mit dem LKA wurden im Bezirk Spandau 18 Leistungsberechtigte besucht.

Die Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinickendorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Steglitz-Zehlendorf und Marzahn-Hellersdorf waren ebenfalls beteiligt.

Parallel zu den Leistungsberechtigten wurden die Geschäftsräume durchsucht und die Geschäftsführerin an diesem Tag inhaftiert.

 

Frau Dybowski schildert, dass sie das LKA zu einem Ehepaar begleitet hat. Dieses Ehepaar hatte vor einiger Zeit den Bedarf von Hilfsmitteln, wie einen Rollator, angemeldet. Bei der Durchsuchung hat die Ehefrau versucht einen Hilfebedarf zu initiieren, in dem sie sich an Möbeln festhielt, humpelte und sich dann hinsetzen musste.

Die Wohnung wurde nach Hilfsmitteln, Reiseunterlagen, Krankenhausberichte oder Verträge mit Pflegediensten durchsucht. Es konnte nichts gefunden werden, weil das Ehepaar vor kurzem den Pflegedienst gewechselt hatte.

Unterlagen wurden gesichtet und beschlagnahmt. Des Weiteren wurden von einem Laptop des Ehepaares Fotos heruntergeladen, da eine Geburtstagsfeier in dem Versorgungszeitraum lag. Nach der Durchsuchung machte das Ehepaar in der getrennten Befragung unterschiedliche Angaben über den Hilfebedarf aus den Jahren 2013 und 2014 nach Krankenhausaufenthalte. Danach war ein geringerer Bedarf von ein- bis zweimal in der Woche nötig.

Es wurde aber ein täglicher Hilfebedarf, bei der Ehefrau zweimal am Tag, angemeldet. Der Ehemann gab an, dass er in der ganzen Zeit alles alleine machen konnte und nur einmal in der Woche der Pflegedienst vorbeikam, um die Wohnung zu reinigen und ggf. sie zum Arzt gefahren wurden. Kein täglicher Bedarf im Bereich der Körperpflege.

Im Verlauf des Hausbesuches und bei der Befragung der Ehefrau, war der Ehemann sehr hilfsbereit. Er konnte Sachen zeigen und wollte auf ein Schränkchen steigen, um vom Schrank einen Koffer herunterzuholen.

Bei der Ehefrau verbesserten sich während des Hausbesuches die Bewegungen nach und nach. Sie zog sich an, versorgte die Blumen, bereitete in der Küche das Essen vor. Diese Aktivitäten waren vorher angemeldeter Hilfebedarf.

In Bezug auf die Hilfsmittel, die dem Ehepaar zur Verfügung stehen, befanden sich 2 Rollatoren im Keller, viele Bandagen waren verpackt in den Schränken verstaut, eine Sitzerhöhung lag verpackt im Badezimmer oben auf einem Schrank. Es konnte davon ausgegangen werden, dass diese Hilfsmittel nicht benötigt wurden.

Im Nachhinein wurde im Austausch mit den anderen Mitarbeitern deutlich, dass sich überall das gleiche Bild ergeben hatte.

 

Herr Fischer bestätigt die Schilderungen und ergänzt aus anderen Fällen, dass Badewannenlifter angeschafft worden waren und nicht ausgepackt und Rollatoren teilwiese als Aufbewahrungsorte für andere Sachen benutzt wurden.

Es gab 70 Fälle in Spandau beim Pflegedienst Ariadne. 18 Leistungsberechtigte wurden bei diesen Hausdurchsuchungen kontrolliert und in 17 Fällen ist unmittelbar die Hilfe eingestellt worden, weil entweder kein Pflegebedarf vorhanden war oder die Leistungen, die die Pflegeversicherung gezahlt hatte für den relativ niedrigen Hilfebedarf ausreichend gewesen wären.

Als weitere Maßnahme wurde beschlossen, dass alle geprüft werden und die Geschäftsbeziehung mit dieser Firma zum 13.05.2016 abgebrochen wurde.

Neben den Einstellungen haben 7 Leistungsberechtigte mitgeteilt, dass sie keine Leistungen der Sozialhilfe mehr benötigen und 7 haben sich überhaupt nicht mehr gemeldet, infolgedessen sind da auch die Leistungen eingestellt worden. Es blieben 39 übrig, die nach und nach besucht werden. Unterdessen wurden 28 von den 39 Klienten mit unangemeldeten Hausbesuchen aufgesucht. Dabei bestätigte sich in 25 Fällen gar kein Pflegebedarf, der nicht mit der Pflegekasse gedeckt werden konnte.

Im Verlauf der nächsten Wochen werden insgesamt alle durchsucht worden sein.

Von den 70 Vorgängen, die damals vorlagen, erhalten derzeit 54 keine Leistung.

Darüber wie es berlinweit weitergegangen ist, liegen keine Informationen vor, da vom LKA nur spärliche Informationen vorliegen. Das wird sich verbessern, da die große Menge an Beweismitteln erst ausgewertet werden muss.

 

An der weiteren Erörterung beteiligen sich BzStR Bewig, die Bezv. Müller, Paolini, Kleineidam, Reinefahl, Apel-Sielemann und Herr Fischer.


 
 

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