Drucksache - 1556/XXI
Sachverhalt:
Mehr als 80 Prozent der Berliner Bevölkerung wohnt zur Miete. Diese Menschen waren in den 2010-er Jahren derart rasanten Mieterhöhungen – bei Bestands- und insbesondere bei Angebotsmieten – ausgesetzt, dass bereits aus den Daten des Mikrozensus von 2018 hervor geht, dass jeder zweite Miethaushalt mehr als 30 Prozent des Einkommens für die Miete aufbringen muss. Sowohl in sozialpolitischen wie auch in immobilienwirtschaftlichen Erwägungen gilt eine derart hohe Mietbelastungsquote als problematisch und eigentlich für die betroffenen Haushalte als nicht mehr leistbar.
In der Zeit, die seit diesem Befund vergangen ist, sind die Mieten wie auch die kalten und warmen Nebenkosten und nicht zuletzt die Lebenshaltungskosten insgesamt in einem abermaligen Rekordtempo angestiegen. Mieterinnen und Mieter mit geringen und mittleren Einkommen bis weit in den Mittelstand werden von dieser Entwicklung zunehmend an die Wand gedrückt.
Das Wirtschaftsstrafgesetz definiert in § 5 WiStrG den Ordnungswidrigkeitstatbestand von unangemessen zu hohen Mietentgelten, gemeinhin als „Wuchermiete“ bekannt. Bisher wird diese Ordnungswidrigkeit bundesweit kaum verfolgt und insbesondere, da Mieterinnen und Mieter darlegen müssen, dass der Vermietende eine Zwangslage aufgrund des geringen Angebots an Wohnungen ausgenutzt hat und der Nachweis bislang als schwerlich erbringbar galt.
Auf Antrag der Bundesländer Bayern, Brandenburg, Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen hat der Bundesrat einen Gesetzesentwurf beschlossen, der vorsieht, dass der Bußgeldrahmen auf 100.000 EUR verdoppelt und Mietwucher leichter anerkannt werden soll (Drucksache 849/21). Im Bundestag wurde dieser Entwurf zum Zeitpunkt der Antragstellung dieser BVV-Drucksache noch nicht beraten.
Dass die Vorschrift auch in ihrer bisherigen Form nicht faktisch ins Leere laufen muss und rechtssicher Anwendung finden kann, zeigt das Vorgehen der Stadt Frankfurt am Main, die Musterverfahren betreibt, bei denen klar ist, dass kein Mieter freiwillig für den angebotenen Wohnraum zahlen würde. Ziel ist es, eine Abkehr von der 2004-er BGH-Rechtsprechung zu erreichen (vgl. dazu u.a. Tagesspiegel, „Vorbild für Berlin? Wie ein Frankfurter Amt gegen überhöhte Mieten kämpft.“, 4.9.23).
Allein zwischen 2020 und 2022 hat die Stadt Frankfurt am Main knapp 1.400 Fälle von Mietwucher verfolgt. Dabei wurden insgesamt 419.000 Euro überzahlter Miete an Mieterinnen und Mieter zurückgezahlt und Mieten in vielen Fällen abgesenkt. Das Instrument hat sich in der Stadt Frankfurt am Main bereits jetzt bewährt!
Für die Umsetzung und Verfolgung sind die bezirklichen Wohnungsämter zuständig. Auch in unserem Bezirk muss das Instrument wirksam angewendet werden, um Mieterinnen und Mieter in Reinickendorf vor zu hohen Mieten zu schützen. Dafür bedarf es eines gemeinsamen Vorgehens mit dem Senat und den anderen Bezirken und ausreichend Ressourcen für die bezirklichen Wohnungsämter. Beschlussvorschlag:
Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen:
Dem Bezirksamt wird empfohlen, mit dem Senat, den anderen Bezirken sowie der Stadt Frankfurt am Main Musterverfahren zur Ahndung von Mietpreisüberhöhungen nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStrG) zu entwickeln.
Dem Bezirksamt wird empfohlen, sich gegenüber dem Senat dafür einzusetzen, dass den bezirklichen Wohnungsämtern zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um Musterverfahren anstrengen und notwendige Nachweise führen zu können.
Das Bezirksamt wird ersucht, niedrigschwellige Informationshinweise für mögliche Anzeigeverfahren nach dem Wirtschaftsstrafgesetz auf der bezirklichen Internetseite zu veröffentlichen. Anlagen: |
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