Drucksache - IX-0426  

 
 
Betreff: Benennung einer öffentlichen Grünanlage im Ortsteil Pankow in „Susanne-und Kurt-Crohn-Platz“
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
   
Drucksache-Art:Vorlage zur Kenntnisnahme § 15 BezVGVorlage zur Kenntnisnahme § 15 BezVG
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin
16.11.2022 
10. ordentliche Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlagen:
Vzk §15 BezVG BA 10.BVV am 16.11.2022

Siehe Anlage


Bezirksamt Pankow von Berlin

.2022

An die
Bezirksverordnetenversammlung

Drucksache-Nr.:

Vorlage zur Kenntnisnahme
r die Bezirksverordnetenversammlung gemäß § 15 BezVG

Benennung einer öffentlichen Grünanlage im Ortsteil Pankow in „Susanne-und Kurt-Crohn-Platz“

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

Gemäß § 15 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) wird berichtet:

Das Bezirksamt hat in seiner Sitzung am 01.11.2022 folgenden Beschluss gefasst:

Die öffentliche Grünanlage, gelegen an der Wisbyer Straße, Baumbachstraße, Kurze Straße, Schonensche Straße, wird in „Susanne-und Kurt-Crohn-Platz“ benannt. Die Lage der Grünanlage ist auf dem beiliegenden Lageplan zu erkennen.

Begründung

Die Benennungsabsicht wurde der Bezirksverordnetenversammlung gemäß § 15 BezVG als Vorlage zur Kenntnisnahme übergeben. Die Vorlage wurde am 28.09.2022 in der 9. ordentlichen Tagung der Bezirksverordnetenversammlung mit der Drucksache IX-0363 ohne Aussprache zur Kenntnis genommen.

Die zu benennende Grünanlage liegt etwa auf halber Strecke der ehemaligen Wirkungsstätte des Ehepaars Crohn zwischen dem Standort des ehemaligen Jüdischen Waisenhauses Berlin-Pankow in der Berliner Straße 120/121 und dem Standort des Baruch-Auerbachschen Waisenhauses in der Schönhauser Allee 162.

Kurt Crohn (1896 ~1944) leitete das II. Waisenhaus der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Berliner Straße 120/121 von 1936 und seit 1940 das Baruch-Auerbachschen Waisenhauses in der Schönhauser Allee 162. Mit seiner Ehefrau Susanne Crohn (geb. Ritterband, 1898 1986) übernahm er zusammen die Leitung des jüdischen Waisenhauses in Pankow. Er war als Direktor und Leiter der zugehörigen Volksschule tätig, sie war die Wirtschaftsleiterin des Waisenhauses.

Bevor das Waisenhaus Ende 1940 aufgelöst und das Gebäude durch die SS beschlagnahmt wurde, soll es Kurt Crohn gelungen sein, einige Kinder zu evakuieren, um sie so vor der Deportation zu bewahren.

Mit der Platzbenennung werden die herausragenden Leistungen von Susanne und Kurt Crohn, bis zur Deportation ihrer Heimzöglinge in Deutschland zu bleiben und dadurch ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, geehrt und rechtfertigt die Benennung der Grünanlage.

Lebende Angehörige von Susanne und/oder Kurt Crohn, die der Benennung hätten zustimmen können, konnten nicht ermittelt werden.

Die Abfrage bei den übrigen Straßen- und Grünflächenämtern Berlins und beim Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat ergeben, dass keine gleichen Benennungsabsichten bestehen sowie gleiche oder gleichlautende Straßen- oder Platzbezeichnungen in Berlin nicht vorhanden sind. Die statistische Schlüsselnummer lautet: 11322

Die Abfrage des Frauenbeirates ergab, dass der Benennung des Platzes zugestimmt wird.

Das Benennungsverfahren wird entsprechend § 5 BerlStrG i.V.m. Ziffer 1 Abs. 2 c, Abs. 3 AV-Benennung und BA-Beschluss V-873/2004 vom 18.01.2005 durchgeführt.

Haushaltsmäßige Auswirkungen

keine

Gleichstellungs- und gleichbehandlungsrelevante Auswirkungen

Mit der Benennung des Platzes nach Susanne Crohn leistet das Bezirksamt Pankow einen weiteren Beitrag, die Leistungen von Frauen, die bisher in Geschichtsschreibung und Politik nicht oder nur ungenügend Beachtung fanden, öffentlich zu machen und ihnen so eine Würdigung zuteilwerden zu lassen.

Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung

keine

Kinder- und Familienverträglichkeit

entfällt

Dr. Cordelia Koch
stellvertretende Bezirksbürgermeisterin



 

Rona Tietje
Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung und Bürgerdienste
stellvertretend
r die Leiterin der Abteilung Ordnung und Öffentlicher Raum

Anlage

Lageplan (Anlage 1)

Biografie eingereicht vom Fachbereich Museum/Bezirkliche Geschichtsarbeit

(Anlage 2)



 

Kult Gesch L/

Kult Gesch 3        

 

Abt. Stadtentwicklung

Straßen- und Grünflächenamt

SGA 141

 

Betr.: Benennungsvorschlag Park an der Baumbachstraße, OT Prenzlauer Berg

Hier: Benennung in Susanne-und-Kurt-Crohn-Platz“

 

Vorbemerkung:

Die zu benennende namenlose Grünanlage befindet sich im Ortsteil Prenzlauer Berg. Sie ist unbebaut und hat eine Fläche von etwa 6500 m². Sie liegt an der Wisbyer Straße, zwischen den Querstraßen Baumbachstraße und Kurze Straße. Rückseitig wird sie von der Schonenschen Straße begrenzt. Stadträumlich liegt die Grünanlage etwa auf halber Strecke zwischen dem Standort des ehemaligen Jüdischen Waisenhauses Berlin in der Berliner Straße 120/121 und dem Standort des Baruch-Auerbachschen Waisenhauses in der Schönhauser Allee 162.

 

Historischer Sachverhalt

Informationen zur Biographie von Kurt Crohn (1896 ~1944) und insbesondere seiner beruflichen Tätigkeit, darunter die Leitung des II. Waisenhauses der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Berliner Straße 120/121 von 1936 und seit 1940 des Baruch-Auerbachschen Waisenhauses in der Schönhauser Allee 162 sowie zu seinem Tod sind mehrfach dokumentiert. Zur Biografie von Susanne Crohn (geb. Ritterband, 1898 1986) ist die Quellenlage weniger umfangreich.

Kurt Crohn studierte Pädagogik und arbeitete zunächst als Lehrer in dem Berliner Waisenhaus, in dem er selbst aufgewachsen war. Susanne Ritterband kam aus einem jüdisch-bürgerlichen Elternhaus im damaligen Ostpreußen. Zum Studium zog sie nach Berlin und arbeitete bis 1932 als Diplom-Handelslehrerin. 1936 übernahm sie zusammen mit Kurt Crohn die Leitung des jüdischen Waisenhauses in Pankow. Er war als Direktor und Leiter der zugehörigen Volksschule tätig, sie war die Wirtschaftsleiterin des Waisenhauses. Bevor das Waisenhaus Ende 1940 aufgelöst und das Gebäude durch die SS beschlagnahmt wurde, soll es Kurt Crohn gelungen sein, einige Kinder zu evakuieren, indem er sie in den sog. Kindertransporten nach Großbritannien und in die Niederlande unterbrachte. Die verbliebenen Kinder kamen in das Baruch-Auerbachsche Waisenhaus, in dem verschiedene Waisenhäuser zusammengelegt wurden und dessen Direktion Kurt Crohn bis Ende 1942 übernahm. Nach der erzwungenen Einstellung des Betriebs konnte das Paar die Deportation zahlreicher Kinder nicht mehr verhindern und musste selbst bis zum Juni 1943 Zwangsarbeit in Berlin leisten. Die Familie wurde im Anschluß in das KZ Theresienstadt deportiert und Kurt Crohn von Susanne Crohn und der gemeinsamen Tochter Renate getrennt. Nach seiner Deportation am 28. 09. 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz verlieren sich die Spuren von Kurt Crohn, ein genaues Sterbedatum ist nicht bekannt. Susanne Crohn wurde zusammen mit ihrer Tochter im Mai 1945 im KZ Theresienstadt befreit. Beide wanderten im Mai 1949 nach Israel aus, wo Susanne Crohn bis 1965 als Wirtschaftsleiterin eines Krankenhauses arbeitete. Sie starb mit 88 Jahren. Die Tochter blieb in Israel.

 

Zustimmung zur beabsichtigten Benennung

Lebende Angehörige von Susanne und/oder Kurt Crohn konnten nicht ermittelt werden.

 

Bewertung

Die Lebensschicksale von Susanne und Kurt Crohn stehen pars pro toto für unzählige andere durch den Nationalsozialismus verfolgte und ermordete Jüdinnen und Juden. Gleichzeitig verweist das Schicksal der beiden Eheleute auf das Schicksal der vielen ermordeten jüdischen Waisenkinder des II. Jüdischen Waisenhauses der Jüdischen Gemeinde in Pankow sowie später in Prenzlauer Berg und dokumentiert die herausragende Leistung der beiden Pädagog:innen und Wirtschafter:innen, bis zur Deportation ihrer Heimzöglinge in Deutschland zu bleiben und dadurch ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen.

Insofern stellt die Ehrung von Susanne und Kurt Crohn etwas Herausragendes dar und rechtfertigt die Benennung des Platzes an der Wisbyer Straße.

Aus den oben genannten Gründen, ist die Umbenennung des Platzes in „Susanne-und-Kurt-Crohn-Platz“ zu befürworten.

Quellen

 

Erinnerungen an Vater und Mutter von Renate Bechar, Tel-Aviv im Mai 2001, unveröffentlicht, 4 Seiten, Archiv Museum Pankow, Signatur 2.2.4, Teil 1.

 

Renate Bechar: Mein Vater Direktor Kurt Crohn, in: Inge Lammel (Hg.): Jüdische Lebenswege. Ein kulturhistorischer Streifzug durch Pankow und Niederschönhausen, Teetz/Berlin 2007, S. 317319.

 

Matthias Frühauf: Das Zweite Waisenhaus der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, in: Inge Lammel (Hg.): Jüdische Lebenswege. Ein kulturhistorischer Streifzug durch Pankow und Niederschönhausen, Teetz/Berlin 2007, S. 307317.

 

Inge Lammel: Alltagsleben im Waisenhaus. Die Geschichte des Jüdischen Waisenhauses in Pankow in Bildern und Dokumenten, in: Peter-Alexis Albrecht, Leslie Baruch Brent, Inge Lammel (Hg.): Verstörte Kindheiten. Das Jüdische Waisenhaus in Pankow als Ort der Zuflucht, Geborgenheit und Vertreibung, Berlin 2008, S. 115140.

 

Berlin, den 30. 06. 2022

 

gez.

digitale Unterschrift

Bernt Roder

 

 
 

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