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Drucksache - VI-1347
Siehe Anlage
Bezirksamt Pankow von Berlin .2011
An die Bezirksverordnetenversammlung Drucksache-Nr.:
Vorlage zur Kenntnisnahme für die Bezirksverordnetenversammlung gemäß § 15 BezVG
Zulässigkeit des angezeigten Bürgerbegehrens hinsichtlich der Kastanienallee im Ortsteil Prenzlauer Berg
Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:
Gemäß § 15 Bezirksverwaltungsgesetz wird berichtet:
Das Bezirksamt beschloss am 21. April 2011 im Umlaufverfahren die Zulässigkeit des von der Bürgerinitiative STOPPT K 21 am 29.03.2011 angezeigten Bürgerbegehrens (s. u.). Der Beschluss wurde der Senatsverwaltung für Inneres und Sport (SenInnSport) am 21.04.2011 übermittelt.
Mit Schreiben vom 28. April 2011 teilte die SenInnSport mit, dass kein Anlass gesehen wird, bezirksaufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Die SenInnSport gab Hinweise zur Formulierung der Bindungswirkungsklausel und Anregungen zur Überarbeitung der Unterschriftenlisten.
Am 03. Mai 2011 wurde der anwaltliche Verfahrensbevollmächtigte der Vertrauenspersonen des beabsichtigten Bürgerbegehrens über die Entscheidung des Bezirksamtes und die Mitteilungen der SenInnSport unterrichtet.
Folgende Beschlüsse fasste und begründete das Bezirksamt am 21.04.2011:
„I. Das von der Bürgerinitiative STOPPT K 21 beabsichtigte und dem Bezirksamt von den Vertrauenspersonen mit Schreiben vom 29.03.2011, unter Einreichung eines vorläufigen Musterbogens in der Fassung vom 13.04.2011, angezeigte Bürgerbegehren zu den geplanten Straßenbaumaßnahmen in der Kastanienallee, zwischen Schönhauser Allee und Schwedter Straße, Ortsteil Prenzlauer Berg, ist zulässig.
II. Ein entsprechender Bürgerentscheid hat die Rechtswirkung eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) über ein Ersuchen bzw. eine Empfehlung an das Bezirksamt. Er stellt mithin eine Aufforderung gegenüber dem Bezirksamt dar.
Das Bezirksamt müsste seine Maßnahmen der BVV unverzüglich zur Kenntnis bringen. Soweit dem angeregten Verwaltungshandeln nicht entsprochen wird, hat das Bezirksamt die Gründe dafür mitzuteilen.
III. Aus der Verwirklichung des mit dem Bürgerbegehren verfolgten Anliegens ergäben sich schätzungsweise folgende Kosten:
Reparatur der Gehwege: ca. 165.000 Euro, Kosten bisherige Planungen des Tiefbauamts: ca. 72.000 Euro, bisher angefallene Baukosten: ca. 37.000 Euro, bei Fortsetzung der Bauarbeiten bis 01.06.2011: ca. 100.000 Euro, bei vollständigem Baustopp anfallende Konventionalstrafen an bereits beauftragte Firmen: ca. 120.000 Euro, Kosten für Elektrizitäts- und Wasserbetriebe: ca. 28.500 Euro, gegenüber der Bauplanung des Bezirksamts (ca. 1,5 Mio. Euro), also einsparbare Bundesmittel: ca. 977.500 Euro.
Begründung: I.
1. Mit E-Mail vom 30.11.2010 und Schreiben vom 01.12.2010 meldete Herr Matthias Aberle, in seiner Eigenschaft als Vorstand der Bürgerinitiative Wasserturm, für diese gegenüber dem Bezirksbürgermeister ein Bürgerbegehren an, das sich gegen den vom Bezirksamt geplanten Umbau der Kastanienallee, zwischen Schönhauser Allee und Schwedter Straße, Ortsteil Prenzlauer Berg, richtete und auf einen sofortigen Baustopp abzielte.
Mit Schreiben vom 13.12.2010 teilte der für das Bürgerbegehren vom Bezirksamt am 07.12.2010 für zuständig erklärte Bezirksstadtrat für Öffentliche Ordnung Herrn Aberle und den von ihm benannten Vertrauenspersonen mit, dass er keine Kostenschätzung erstellen lassen könne, weil die Fragestellung, in der es um den sofortigen Stopp des Umbaus der Kastanienallee gehe, offen ließe, ob ein endgültiger Stopp oder lediglich ein Stopp bis zu einer anderen Entscheidung gemeint sei. Er bot ein Beratungsgespräch an.
Mit Schreiben vom 16.12.2010 erklärte die Bürgerinitiative Wasserturm, dass die Fragestellung eindeutig sei, stellte die Umbaupläne des Bezirksamts in der Fragestellung allerdings umfänglicher dar. Von dem Angebot eines Beratungsgesprächs wurde kein Gebrauch gemacht.
Mit Schreiben vom 10.01.2011 übersandte der Bezirksbürgermeister Herrn Aberle und den Vertrauenspersonen die Kostenschätzung des Bezirksamts und schlug ihnen auf der Basis des Anliegens der Bürgerinitiative eine eindeutige Fragestellung vor, die sich mit „ja“ oder „nein“ beantworten ließ. Er wies darauf hin, dass der Beginn der Unterschriftensammlung dem Bezirksamt anzuzeigen sei.
Mit Schreiben vom 20.01.2011 konkretisierte die Bürgerinitiative Wasserturm ihr Anliegen dahingehend, dass es ihr um die Reparatur der Gehwege sowie um die Anordnung von Tempo 30 km/h gehe, und teilte mit, wie sie die Kostenschätzung des Bezirksamtes in die Unterschriftenliste aufzunehmen gedenke.
Mit Schreiben vom 11.02.2011 wies der Bezirksstadtrat für Öffentliche Ordnung darauf hin, dass die Kostenschätzung wörtlich zu übernehmen sei, und teilte mit, dass Reparaturmaßnahmen keine Umbaumaßnahmen seien.
2. Mit E-Mail vom 09.03.2011 und einem Schreiben vom 09.03.2011, im Bezirksamt eingegangen am 11.03.2011, sandte Herr Matthias Aberle für die Initiative STOPPT K 21 dem Bezirksstadtrat für Öffentliche Ordnung ein Muster einer Unterschriftenliste mit einer neu formulierten Fragestellung, eine auf ihre Substanz – wie es heißt – reduzierte Kostenschätzung des Bezirksamtes sowie ein Verzeichnis der Vertrauensleute, bestehend aus Herrn Aberle, Herrn Harter und Herrn Roettger, jeweils mit vollständigen Anschriften. Das Schreiben vom 09.03.2011 nebst Anlage ist als Anlage 1 in Kopie beigefügt. Herr Aberle teilte mit, dass eine anwaltliche Vertretung durch Herrn Rechtsanwalt Dr. jur. habil. Will, Friedrichshagener Straße 20, 15566 Schöneiche, stattfinde. Für den Fall, dass die Unterschriftenliste formale Mängel aufweise, bat die Initiative STOPPT K 21 um ein Beratungsgespräch.
Am 23.03.2011 fand in den Räumen und unter der Leitung des Bezirksstadtrats für Öffentliche Ordnung ein Beratungsgespräch statt. Daran nahmen auf der Seite der Initiative STOPPT K 21 Frau Abati-Bilbao, Frau Dorsch, Herr Aberle, Herr Harter, Herr Roettger sowie Herr Rechtsanwalt Dr. Will und auf der Seite des Bezirksamtes auch die Leiter des Tiefbauamts und des Rechtsamtes teil.
Herr Aberle stellte in dem Beratungsgespräch auf Nachfrage des Bezirksstadtrates für Öffentliche Ordnung klar, dass es sich nunmehr um ein von der Initiative STOPPT K 21 beabsichtigtes Bürgerbegehren handele. Das von der Bürgerinitiative Wasserturm ursprünglich angemeldete Bürgerbegehren werde nicht weiter verfolgt. Allerdings seien die Erkenntnisse aus der zwischen dem Bezirksamt und der Bürgerinitiative Wasserturm geführten Korrespondenz berücksichtigt worden, weil zum Teil Personenidentität beider Initiativen bestehe.
In dem Beratungsgespräch wurden mangels Kenntnis des am 06.03.2011 in Kraft getretenen 10. Änderungsgesetzes des Bezirksverwaltungsgesetzes (BezVG) – GVBl. S. 58 ff.) noch auf der Grundlage der Vorfassung des BezVG Einzelheiten zur Abfassung der Fragestellung, der Kostenschätzung und zur Gestaltung der Unterschriftenlisten erörtert. Auch der auf der Seite der Initiative STOPPT K 21 in dem Gespräch vertretene Bevollmächtigte, Herr Rechtsanwalt Dr. Will, wies nicht auf die Gesetzesänderung hin, so dass davon ausgegangen werden muss, dass auch er zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis darüber hatte.
Es wurde besprochen, dass eine Gehwegreparatur und die Anordnung von Tempo 30 km/h kein reduzierter Umbauplan, sondern gar kein Umbau seien, dass die Umbaupläne des Bezirks unvollständig dargestellt wurden, weil keine Angaben zu dem geplanten Radfahrangebotsstreifen gemacht wurden, die Fragestellung nicht nur mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden könne, die Kostenschätzung des Bezirksamtes nicht wörtlich wiedergegeben werde und die Vertrauenspersonen auf den Unterschriftenlisten genannt werden müssen. Außerdem wurde bemängelt, dass Hinweise dazu fehlen, wer unterschriftberechtigt ist.
Es wurde darüber hinaus mitgeteilt, dass ein erfolgreicher Bürgerentscheid im vorliegenden Fall die Wirkung eines Beschlusses der BVV über ein Ersuchen bzw. eine Empfehlung gegenüber dem Bezirksamt (§13 Abs. 1 BezVG) und damit den Charakter einer Anregung zum Verwaltungshandeln (§ 12 Abs. 1 S. 2 BezVG) hätte und keine Vollzugspflicht für das Bezirksamt begründen würde.
Zudem wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für den Fall einer rechtlichen Verpflichtung zum Bau der Kastanienallee in dem in Rede stehenden Abschnitt die Sperrwirkung eines zustande gekommenen Bürgerbegehrens nicht eintreten dürfte. Ausgehend von dem Anliegen der Initiative STOPPT K 21 wurde ihr seitens des Bezirksamtes eine für zulässig erachtete Fragestellung empfohlen und in schriftlicher Form ausgehändigt. Auch die weiteren formalen Aspekte wurden der Initiative schriftlich an die Hand gegeben.
Die an dem Beratungsgespräch teilnehmenden Vertreter des Bezirksamtes erfuhren einige Tage nach dem Gespräch vom 23.03.2011 durch einen Umlauf des Gesetz- und Verordnungsblattes von der Gesetzesänderung.
Mit Fax vom 29.03.2011 wurde der Bevollmächtigte der Initiative STOPPT K 21, Herr Rechtsanwalt Dr. Will, gemäß § 45 Abs. 3 BezVG neuer Fassung über diese Gesetzesänderung des BezVG und über sich daraus für das beabsichtigte Bürgerbegehren ergebende Änderungen unterrichtet. Er wurde darüber informiert, dass sich eine vertragliche Verpflichtung des Bezirksamts Pankow von Berlin aus den vom Tiefbauamt mit Firmen am 14.10.2010 abgeschlossenen Verträgen über Straßenbauleistungen und über den medienmäßigen Anschluss der öffentlichen Beleuchtung zum Bau des Straßenabschnitts ergebe.
Der Leiter des Rechtsamts ergänzte die Informationen über die Gesetzesänderung telefonisch gegenüber Herrn Rechtsanwalt Dr. Will ebenfalls am 29.03.2011 noch dahingehend, dass mindestens zwei Vertrauenspersonen die schriftliche Anzeige des Bürgerbegehrens unterzeichnen müssen, auf den Unterschriftslisten das Geburtsdatum der Unterzeichnenden handschriftlich eingetragen und neben der Anschrift der Wohnsitz (alleinige Wohnung oder Hauptwohnung) angegeben werden müsse. Der Bevollmächtigte wurde gebeten, seine Mandantschaft darüber unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
Mit Schreiben vom 29.03.2011 zeigte die Bürgerinitiative das beabsichtigte Bürgerbegehren unter Einreichung eines vorläufigen Musterbogens an. Die Anzeige wurde durch Herrn Aberle und Herrn Harter sowie Frau Abati-Bilbao und Frau Dorsch unterzeichnet. Die Anzeige der Initiative STOPPT K 21 und der Musterbogen sind als Anlage 2 in Kopie beigefügt.
Die in dem Gespräch am 23.03.2011 der Initiative empfohlene Fragestellung wurde in dem vorläufigen Musterbogen geändert, die bisherige Fassung der Kostenschätzung darin beibehalten und in der Unterschriftenliste keine Rubrik für den Wohnsitz vorgesehen. Es wurden eine Begründung für das Bürgerbegehren sowie Angaben zur Unterschriftsberechtigung und zu den verantwortlichen Initiatoren hinzugesetzt.
Die Anzeige des Bürgerbegehrens nebst dieses vorläufigen Musters einer Unterschriftenliste wurde gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 BezVG mit Bezirksamtsbeschluss vom 12.04.2011 der BVV zur Kenntnis gegeben.
Am 12.04.2011 fand in den Räumen und unter der Leitung des Bezirksstadtrates für Öffentliche Ordnung ein weiteres Gespräch statt. Daran nahmen auf der Seite der Initiative STOPPT K 21 wiederum Herr Aberle, Herr Roettger, Frau Dorsch sowie Herr Rechtsanwalt Dr. Will und auf der Seite des Bezirksamts erneut die Leiter des Tiefbauamtes und des Rechtsamtes teil. In diesem Gespräch wurde die Initiative STOPPT K 21 darauf hingewiesen, dass die vorliegende Fassung des vorläufigen Musterbogens formale und inhaltliche Mängel aufweist, die zur Unzulässigkeit des beabsichtigten Bürgerbegehrens führen können. Diese bestanden darin, dass kein Hinweis auf das handschriftlich einzutragende Geburtsdatum gegeben wurde und keine Spalte zur Angabe des Wohnsitzes für die Unterschriftenleistung vorgesehen war. Außerdem war nicht eindeutig zu erkennen, wer die Vertrauenspersonen sind. Vor allem aber sei die Fragestellung und die Begründung in einer Weise irreführend, dass dadurch eine nicht mehr hinnehmbare Beeinflussung der Unterschriftsleistenden gegeben sei. Die Forderung auf der Seite des Bezirksamtes, dass in der Kostenschätzung auch ein Hinweis darauf zu geben sei, dass Anlieger in Höhe von ca. 45 % der Kosten von Straßenbaumaßnahmen, die nach Auslaufen des Sanierungsgebietes Ende 2012 durchgeführt werden, nach dem Straßenausbaubeitragsgesetz beitragspflichtig sind, wurde nicht aufrecht erhalten.
Die Initiative STOPPT K 21 reichte daraufhin am 13.04.2011 einen geänderten vorläufigen Musterbogen ein und erweiterte die Liste der Vertrauenspersonen um Frau Abati und Frau Dorsch, jeweils mit vollständigen Anschriften, in Kopie beigefügt als Anlage 3.
II.
Das von der Bürgerinitiative STOPPT K 21 beabsichtigte und dem Bezirksamt von den Vertrauenspersonen mit Schreiben vom 29.03.2011, unter Einreichung eines vorläufigen Musterbogens in der Fassung vom 13.04.2011, angezeigte Bürgerbegehren ist zulässig.
Grundlage für die Beurteilung sind §§ 45, 49 BezVG in der durch Art. I des Gesetzes vom 24.02.2011 geänderten und am 06.03.2011 in Kraft getretenen Fassung (GVBl. S. 58 ff.).
Die Initiative STOPPT K 21 teilte am 09.03.2011 per E-Mail und schriftlich am 09.03.2011, im Bezirksamt eingegangen am 11.03.2011, mit, dass sie beabsichtige, ein Bürgerbegehren durchzuführen, und zeigte das beabsichtigte Bürgerbegehren mit Schreiben vom 29.03.2011 an. Herr Aberle stellte in dem Beratungsgespräch am 23.03.2011 klar, dass das von der Bürgerinitiative Wasserturm am 01.12.2010 angemeldete Bürgerbegehren nicht weiterverfolgt werde.
1. Die formale Zulässigkeit des beabsichtigten Bürgerbegehrens ergibt sich aus Folgendem:
Es liegt eine schriftliche Mitteilung über die Absicht ein Bürgerbegehren durchführen zu wollen vor und es wurden mehr als drei, nämlich fünf, Vertrauenspersonen benannt, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten.
Das beabsichtigte Bürgerbegehren wurde schriftlich unter Einreichung eines vorläufigen Musterbogens angezeigt. Dieser wurde aufgrund des Gesprächs vom 12.04.2011 am 13.04.2011 modifiziert. Die Anzeige haben mehr als zwei Vertrauenspersonen unterzeichnet. Diese werden auch auf dem am 13.04.2011 geänderten und damit maßgeblichen vorläufigen Musterbogen einer Unterschriftenliste mit vollständigem Namen und Anschrift angegeben.
Der vorläufige Musterbogen vom 13.04.2011 enthält alle notwendigen Angaben.
So ist die Kostenschätzung bereits dem Unterschriftenteil vorangestellt. Sie enthält die vom Bezirksamt vorab mitgeteilten Kostenpositionen und entspricht dem Beschluss zu Ziff. II, siehe dazu unten zu Ziff. IV.
Auf dem vorläufigen Musterbogen wurde eine Fragestellung formuliert, die eindeutig ist und mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden kann.
Für die notwendigen Daten der Unterschriftsleistenden (Familienname, Vorname, Geburtsdatum, Wohnsitz mit Anschrift und Tag der Unterschrift) sind Spalten vorgesehen, so dass die entsprechenden Eintragungen vorgenommen werden können. Auf die notwendige handschriftliche Eintragung des Geburtsdatums wurde hingewiesen. Hinweise, welcher Personenkreis unterschriftsberechtigt ist, wurden gegeben.
Die gegebene Begründung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber möglich.
2. Die materielle Zulässigkeit des beabsichtigten Bürgerbegehrens ergibt sich aus Folgendem:
Bei dem beabsichtigten Bürgerbegehren handelt es sich um eine Angelegenheit, in der die Bezirksverordnetenversammlung Beschlüsse fassen kann.
Dem Bürgerbegehren liegt hinsichtlich der Gehwegreparatur ein Gegenstand zugrunde, der in die Zuständigkeit der Bezirksverwaltung fällt. Die Straßenbaulast liegt insoweit beim Bezirksamt Pankow von Berlin. Auch innerhalb eines Sanierungsgebietes, wie das hier der Fall ist, gehören Arbeiten an öffentlichen Straßen in die Zuständigkeit der Gemeinden, also der Bezirke, wenn nichts anderes bestimmt ist, was hier nicht der Fall ist.
Bei der angestrebten Anordnung von Tempo 30 km/h ist eine unmittelbare bezirkliche Zuständigkeit zwar nicht gegeben, da diese bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und der Verkehrslenkung Berlin liegt. Die Kastanienallee ist Teil des übergeordneten Straßennetzes.
Ein Bürgerbegehren ist in dieser Angelegenheit dennoch nicht ausgeschlossen, denn die BVV könnte einen Beschluss fassen, der das Bezirksamt auffordert, sich bei der zuständigen Stelle für die Umsetzung des Anliegens einzusetzen.
Für die Anordnung von Tempo 30 km/h in dem fraglichen Straßenabschnitt hatte sich das Bezirksamt allerdings bereits gegenüber der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eingesetzt. Diese hat die Forderung des Bezirksamtes mit Schreiben vom 29.03.2011 abgelehnt. Verbote oder Beschränkungen des fließenden Verkehrs seien nur zulässig, wenn sie zwingend erforderlich sind. Nur wenn besondere örtliche Gefahrenlagen empirisch belegt werden könnten, hielten solche Anordnungen einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung stand. Eine durchgehende Anordnung von Tempo 30 km/h sei „nach aktuellen Erkenntnissen nicht rechtssicher begründbar“, so die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in dem genannten Schreiben.
Damit dürfte ein erfolgreicher Bürgerentscheid zwar nicht zu dem gewünschten Ziel führen, unzulässig wird er jedoch dadurch nicht.
Die formulierte Fragestellung ist zwar hinsichtlich der Aussage, dass Radfahrangebotsstreifen legal zum Halten sowie zum Be-und Entladen genutzt werden können, tendenziell, weil dem durch die Anordnung eines absoluten Halteverbots entgegengewirkt werden könnte, deshalb jedoch nicht unzulässig, da ohne diese Anordnung das Halten sowie Be- und Entladen nach gegenwärtiger Rechtslage theoretisch nicht ausgeschlossen ist.
Auch macht die gegebene Begründung für das Bürgerbegehren dieses nicht unzulässig. Es soll dem Anliegen der Initiative STOPPT K 21 Nachdruck verleihen. Dazu gehört auch die ganz theoretische Ausführung, dass für stürzende Radfahrer der Gegenverkehr eine Gefahr darstellen könnte. Diese Art der Darstellung beeinflusst die Bürger/innen in ihrem Abstimmungsverhalten nicht in einer Weise, die nicht mehr hinnehmbar wäre.
Nur wenn das so wäre, wäre das Bürgerbegehren nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Stuttgart, Urteil vom 17.07.2009 (GeschZ. 7 K 3229/08), des OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.12.2005 (GeschZ. 2 LB 19/05) und des OVG NRW, Urteil vom 23.04.2002 (GeschZ. 15 A 5594/00) unzulässig.
Das Bürgerbegehren ist auch nicht deshalb unzulässig, weil durch einen erfolgreichen Bürgerentscheid vom Bezirksamt ein vertragswidriges Verhalten verlangt würde.
Zwar hat das Tiefbauamt bereits am 14.10.2010 einen Vertrag mit einem Unternehmen über sämtliche Straßenbauleistungen (einschließlich Erneuerung der öffentlichen Beleuchtung) und einen weiteren Vertrag zum medienmäßigen Anschluss der öffentlichen Beleuchtung abgeschlossen, jedoch handelt es im vorliegenden Fall nicht um ein das Bezirksamt unmittelbar verpflichtendes Bürgerbegehren, sondern um eines, das im Falle eines erfolgreichen Bürgerentscheides keine Vollzugspflicht des Bezirksamts begründet. Es besteht insoweit bei einem erfolgreichen Bürgerentscheid keine direkte Verpflichtung zu vertragsbrüchigem Verhalten.
Nur wenn ein erfolgreicher Bürgerentscheid unmittelbar verpflichtend wäre, wäre er nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Beschluss vom 09.11.2009 (GeschZ. 4 ZB 08.1915) und des Verwaltungsgerichtes Regensburg, Beschluss vom 11.05.2010 (GeschZ. RN 3 E 10.00524), unzulässig. Danach dürfen Bürgerbegehren nicht zu einem vertragwidrigen Verhalten verpflichten. Dies sei mit der Rechtsordnung nicht vereinbar. Das Prinzip der Vertragstreue stelle einen der elementarsten Rechtsgrundsätze überhaupt dar.
Das beabsichtigte Bürgerbegehren ist letztlich auch nicht deshalb unzulässig, weil ein entsprechendes Ersuchen beanstandet werden müsste. Ersuchen sind wegen der durch sie nicht begründeten Vollzugspflicht des Bezirksamtes grundsätzlich nicht beanstandungsfähig. Eine Ausnahme bestünde allenfalls dann, wenn die Bezirksverordnetenversammlung ihre Kompetenzgrenzen erkennbar überschreitet. Davon wäre hier nicht auszugehen, da Ersuchen und Empfehlungen zu bezirklichen Straßenbaumaßnahmen in die Kompetenz der Bezirksverordnetenversammlung fallen. Im Übrigen hätte erst ein erfolgreicher Bürgerentscheid die Wirkung eines Ersuchens bzw. einer Empfehlung, noch nicht das Bürgerbegehren.
Allerdings dürfte die Sperrwirkung eines zustande gekommenen Bürgerbegehrens aufgrund bestehender vertraglicher Verpflichtungen nicht eintreten mit der Folge, dass Baumaßnahmen dennoch fortgesetzt werden könnten. Sonstige Gründe, nach denen das beabsichtigte Bürgerbegehren materiell unzulässig ist, sind nicht ersichtlich.
III.
Die gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 BezVG durch Beschluss zu Ziff. II. festgestellte Bindungswirkung ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Innerhalb der Bezirksverwaltung besteht für die Ziele des Bürgerbegehrens keine originäre Beschlusskompetenz der BVV gemäß § 12 Abs. 2 BezVG.
Es handelt sich aber um eine Angelegenheit, zu der die BVV gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BezVG Verwaltungshandeln durch Empfehlungen und Ersuchen anregen kann.
Hinsichtlich des Teilaspektes der Gehwegreparatur handelt es sich um einen Gegenstand, zu dem die BVV ein Ersuchen gegenüber dem Bezirksamt beschließen könnte. Dieser Beschluss würde keine Vollzugspflicht gegenüber dem Bezirksamt begründen. Das Bezirksamt müsste seine Maßnahmen der BVV unverzüglich zur Kenntnis bringen und die Gründe dafür mitteilen, soweit dem angeregten Verwaltungshandeln nicht entsprochen wird (§ 13 Abs. 1 BezVG).
Hinsichtlich des Teilaspektes der Anordnung von Tempo 30 km/h ist eine bezirkliche Zuständigkeit nicht gegeben. Diese liegt bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und der Verkehrslenkung Berlin, denn die Kastanienallee ist Teil des übergeordneten Straßennetzes. Dennoch handelt es sich auch insoweit um eine Angelegenheit, in der die BVV gemäß § 13 Abs. 1 BezVG einen Beschluss in Form einer Empfehlung an das Bezirksamt fassen kann.
Das Bezirksamt müsste sich daraufhin bei der zuständigen Stelle für die Umsetzung des Anliegens einsetzen. Ein erfolgreicher Bürgerentscheid hätte insoweit ebenfalls keine unmittelbar verpflichtende Wirkung gegenüber dem Bezirksamt.
IV.
Die Einschätzung der Kosten, die sich aus der Verwirklichung des mit dem Bürgerbegehren verfolgten Anliegens ergeben würden, ist im Beschluss zu Ziff. III bezeichnet.
V.
Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport wird über den gefassten Beschluss unterrichtet.“
Haushaltsmäßige Auswirkungen
Aus der Verwirklichung des mit dem Bürgerbegehren verfolgten Anliegens entstehen die aus dem Beschlusspunkt III. des Bezirksamtes dargestellten Kosten. Weitere Kosten, die durch die Prüfung und Begleitung des Bürgerbegehrens entstehen, sind derzeit nicht bezifferbar.
Gleichstellungs- und gleichbehandlungsrelevante Auswirkungen
keine
Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung
keine
Kinder- und Familienverträglichkeit
entfällt
Anlage 1: Anlagen zum BA – Beschluss VI-1560/2011 Anlage 2: Schreiben SenInnSport vom 28. April 2011
Christine Keil Jens-Holger Kirchner stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Bezirksstadtrat für Öffentliche Ordnung
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