Auszug - Realisierung zusätzlicher Unterstützung der in jüngster Vergangenheit durch rechtsextreme Bedrohung betroffenen Jugendfreizeiteinrichtung JUP – Beschluss einer Ausschreibung  

 
 
öffentliche Sondersitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 2
Gremium: Kinder- und Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 11.04.2024 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 17:15 - 18:00 Anlass: außerordentliche Ausschusssitzung
Raum: Haus 7, BVV-Saal
Ort: Bezirksamt Pankow von Berlin, 10405 Berlin, Fröbelstraße 17
 
Wortprotokoll

Frau BzStR Tietje leitet in den TOP ein und erläutert, dass es in den letzten Wochen mehrere Vorfälle rechtsextremer Bedrohung gegen Jugendfreizeiteinrichtungen gegeben hat. Besonders betroffen ist das JUP, wo es sogar Fälle von Sachbeschädigung gegeben hat. Es hat Gespräche mit der Polizei gegeben. Von Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus liegt die Einschätzung vor, dass die Partei „Der III. Weg“ in die Vorfälle verwickelt ist. Als Solidaritätszeichen angesichts der massiven Übergriffe und aus fachlichen Ergungen schlägt das Bezirksamt vor, ein Projekt zur Aufarbeitung der Geschehnisse und zum richtigen Verhalten in solchen Bedrohungssituationen am JUP zu installieren. Das Bezirksamt hat in einem Sachmitteltitel im Haushalt eine Summe von 17.805,47€r dieses Projekt akquirieren können. Diese Summe wird bei den Mitteln für freie Träger aufgeschichtet und der Titel im Haushalt, aus dem das Geld stammt, gesperrt. Auf diese Weise lässt sich die Finanzierung im laufenden Haushaltsjahr darstellen. Frau BzStR Tietje unterstreicht noch einmal, dass sie um die Sitzung gebeten hat, da sie dringenden Handlungsbedarf in dieser Angelegenheit sieht.

Auf Nachfrage:

Was ist Inhalt des kontinuierlichen Kontakts mit der Polizei, der etabliert wurde? Gibt es ein Sicherheitskonzept? Gibt es die Möglichkeit, Kinder psychologisch zu beraten, wenn sie durch die Vorfälle traumatisiert werden? Ist in den jeweils beschriebenen Fällen die Polizei gerufen worden? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, gibt es ein Aktenzeichen, ermittelt die Staatsanwaltschaft? Was heißt „nner verschaffen sich Zugang“ im Text des Beschlussentwurfs? Gibt es Fotos von den Stickern des III. Wegs? Was bedeutet „angegriffen“? Übernimmt das Jugendamt Polizeiaufgaben, indem es Gespräche mit den Verantwortlichen des JUP führt? Wie lange sollen die drei benannten Phasen dauern? Wer soll von dem Geld profitieren (bereits angestellte Mitarbeiter, Honorarkräfte, neue Kräfte)? In der letzten Ausschusssitzung sei eine Finanzierung aus dem Integrationsfond als Möglichkeit erwähnt worden. Warum sei das nicht möglich gewesen?

Frau Ringer vom JUP bedankt sich für die Rückendeckung durchs Jugendamt. Das JUP ist mit der Polizei, Mosquito und dem Fachdienst 1 in Gesprächen. Der Angriff am 06.01. dieses Jahres wurde erst im Nachhinein angezeigt, weil keine pädagogischen Kräfte zum Zeitpunkt des Angriffs anwesend waren. Das wurde im Nachhinein aufgearbeitet. Es wurde außerdem in der Einrichtung ein Handlungsleitfaden besprochen, wie bei neuen Bedrohungssituationen zu verfahren ist. Bei späteren Angriffen wurde die Polizei gerufen, bspw. als eine Scheibe am JUP mit einer 8mm großen Stahlkugel eingeschlagen wurde. Es wurde mit der Polizei aufgearbeitet, dass es bei diesem Vorfall 41 Minuten bis zum Eintreffen einer Streife dauerte. Bei zukünftigen Bedrohungssituationen wird das zuständige Polizeirevier direkt angerufen, um zu vermeiden, dass eine Meldung aus dem JUP in der Notfallzentrale als vermeintliche Meldung mit geringer Dringlichkeit eingestugt wird.

Die Vorfälle aus dem Januar wurden im Haus mit dem Fachdienst 1 und der Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus Mosquito nachbesprochen. Außerdem wurde ins Haus hinein mit den jungen Menschen gearbeitet, um die psychologischen Folgen bei ihnen abzuschätzen und aufzuarbeiten. Die jungen Menschen, die am 06.01. anwesend waren, haben sich im Nachhinein nicht sehr betroffen gezeigt, da sie nach dem Vorfall trotzdem die Feier gefeiert haben, deretwegen sie im JUP waren. Es müsse jedoch vermieden werden, dass sich diese Bedrohungslage, die inzwischen auch durch Drohschreiben verstärkt werde, verstätigt. Daher begrüßt Frau Ringer, dass Gelder zur Unterstützung des JUPs zur Verfügung stehen. Diese Gelder würden ihr auch ermöglichen, zu ihren normalen Aufgaben zurückkehren kann.

Mit den Geldern sei es möglich von Juni-Dezember eine halbe Stelle im JUP einzurichten. Der Fachdienst 1 übernimmt keine polizeilichen Aufgaben, sondern berät in dieser Sache in pädagogischen Fragen.

Frau BzStR Tietje ergänzt, dass das Jugendamt, da eine solche Bedrohungslage für die Kinder und Jugendlichen, die die Einrichtung besuchen, traumatisierend sein kann, aus pädagogischen Erwägungen dieses zusätzliche Projekt geschnürt hat. Es geht auch darum, dass sich Kinder ggf. richtig zu verhalten wissen, wenn es zu weiteren Vorfällen kommt. Die strafrelevante Aufarbeitung obliegt der Polizei.

Der Integrationsfond war zur Finanzierung nicht im Gespräch. Es gab die Hoffnung, zur Umsetzung der geplanten Maßnahmen einen Werkvertrag in Höhe von ca. 30.000€ schließen zu können. Leider hat sich nach Rücksprache mit der Finanzabteilung des Jugendamts und der SE Finanzen herausgestellt, dass dies kein gangbarer Weg ist. Die einzige Möglichkeit ist, wie beschrieben die Mittel für freie Träger zu erhöhen und dafür den Sachmitteltitel, aus dem die Erhöhung finanziert wird, zu sperren. Nach Sperrung kann der Titel nicht mehr verstärkt werden, daher wurden die potentiell verfügbaren 30.000€, weil mit ihnen außerdem noch eine Frankreichfahrt finanziert werden muss, vermindert.

Frau Kunzler fügt hinzu, dass der Fachdienst 1 nur pädagogische Aufgaben übernimmt. Der Fachdienst hat dazu Gespräche mit dem JUP, der Polizei und dem LKA geführt. Es wird außerdem ein Gespräch mit der operativen Gruppe der Polizei gegen Jugendgewalt geben. Bei dem beantragten Projekt geht es darum aufzuarbeiten und zu schulen, wie man sich bei erneuten Vorfällen verhalten sollte, welche Sicherungsmaßnahmen es geben muss und wie das JUP seine bestehenden Netzwerke angesichts der aktuellen Bedrohungslage weiternutzen kann. Daneben wurde mit Outreach besprochen, dass sie rund um die Einrichtungen verstärkt auftreten, um mit der mobilen Jugendsozialarbeit zu unterstützend im Sozialraum zu wirken.

Das Jugendamt erhält Lob dafür, Geld für das beschriebene Projekt akquiriert zu haben. Gegen die Vorfälle vorzugehen sei nicht nur eine Sache des Jugendamts. Es müsse bezirksamtsübergreifend reagiert werden und es brauche mehr Geld aus dem gesamten Bezirkshaushalt. Es sei auch eine Bildungsaufgabe.

Auf Nachfrage:

Sind die 17.805,47€ nur Personalmittel?

Ja.

Die AG Planung solle bei der Beratung über die Förderkriterien berücksichtigen, dass die Einrichtungen auch Geld für Sicherungsmaßnahmen bräuchten.

Auf Nachfrage:

Der III. Weg“ sei auch im Kontext Schule aktiv. Die Schulen hätten deswegen Unterstützung erhalten. Ist das beim Jugendamt bekannt? Könnte man sich dahingehend vernetzen?

Es wird kritisiert, dass die Beschlussvorlage nicht einleuchtend formuliert sei. Der Sachverhalt stelle sich nicht genauso dar wie in der Ausschussdebatte. Welche Qualifikation wird die Halbtagskraft haben? Wo kommt sie her? Warum braucht es diese Kraft, wenn es schon so viele Ratgeberbroschüren im Kampf gegen Rechts gibt?

Es wird empfohlen, dass die Jugendfreizeiteinrichtungen sich über entsprechende Stiftungen Geld für Schutzmaßnahmen organisieren könnten.

Frau BzStR Tietje führt aus, dass es vor Schulen ebenfalls Vorfälle mit dem III. Weg gegeben hat, bei denen bspw. CDs verteilt wurden.

Der Bildungsausschuss des AGHs beschäftigt sich heute mit dem III. Weg. Außerdem veranstaltet die Schulaufsicht Pankow eine Infoveranstaltung dazu.

Frau BzStR Tietje möchte eruieren, ob zukünftig noch weitere Mittel im Bezirkshaushalt oder aus anderen Quellen akquiriert werden können. Sie sieht jedoch hier Gefahr im Verzug. Es sei nicht damit getan, jemandem eine Broschüre oder einen Ratgeber in die Hand zu drücken. Deshalb sei das vorgeschlagene Projekt notwendig. Bei der im JUP zu besetzenden Stelle werde es sich wahrscheinlich um eine sozialpädagogische Stelle handeln. Es gehe darum, Beziehungsarbeit mit den jungen Menschen zu leisten, das JUP für sie zum sicheren Ort zu machen und das Geschehene zu verarbeiten.

Herr Barabas bestätigt, dass es in der Schulsozialarbeit bekannt ist, dass der III. Weg jüngst vermehrt um Schulen herum auftritt, um Jugendliche anzuwerben.

Auf Nachfrage:

Ist bekannt, ob Jugendliche unter 18 Jahren an den Angriffen beteiligt waren? Wurden die Schulen, an denen die betroffenen Kinder zur Schule gehen, informiert, damit die Schulsozialarbeit dort reagieren kann?

Die angreifenden Personen haben vermummt agiert. Deshalb konnten sie nicht näher identifiziert werden. Kontakt mit der Carl von Ossietzky-Schule, auf die die Kinder und Jugendlichen, die am 06.01. in der Einrichtung waren, gingen, wurde aufgenommen.

Herr Schlüter erläutert, dass für den 06.06. eine gemeinsame Sitzung des KJHA und Schulausschusses mit der Schulaufsicht vereinbart wurde, bei der es neben der Zusammenarbeit von Jugendamt und Schule auch um derartige Vorfälle gehen soll.

Die Beschlussvorlage wird mit 14 Ja-, 1 Nein-Stimme und 0 Enthaltungen beschlossen.

Herr BVO Schlüter schließt die Sitzung.


 
 

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