Auszug - Gutachten zur Erhaltungsverordnung nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB: „Wohnanlage Belforter Str.“: Vorstellung und Diskussion  

 
 
öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung
TOP: Ö 3
Gremium: Ausschuss für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 10.02.2011 Status: öffentlich
Zeit: 19:30 - 21:38 Anlass: reguläre Ausschusssitzung
Raum: Haus 6, Raum 227
Ort: Bezirksamt Pankow von Berlin, 10405 Berlin, Fröbelstraße 17
 
Wortprotokoll

Herr BzStR Dr

Herr BzStR Dr. Nelken erinnert daran, dass am 16. November 2010 ein Aufstellungsbeschluss für eine Erhaltungsverordnung gefasst wurde. Hintergrund waren die Diskussionen nach den Präsentationen des B-Planentwurfs 3-32 am 17.06.2010 und des Bauvorhabens am 09.09.2010 im Ausschuss und der sich daraus ergebende Auftrag an das Bezirksamt, die Möglichkeiten einer Bestandssicherung zu untersuchen. Um zu prüfen, ob die Grundlagen für den Erlass einer Erhaltungsverordnung tatsächlich gegeben sind, wurde ein externes Gutachten beauftragt. Dieses liegt nunmehr vor und wird vorgestellt.

 

Frau Dr. Lindemann stellt das Gutachten in einer Kurzfassung als Präsentation vor. Das Ergebnis lautet: Nach Untersuchung und Prüfung wird dem Auftraggeber (Bezirksamt Pankow) vorgeschlagen, eine Erhaltensverordnung festzusetzen. Diese Empfehlung wird wie folgt begründet:

Ø      Die Wohnanlage Belforter Str. dokumentiert anhand ihrer Entstehungsgeschichte und der überlieferten städtebaulichen Struktur den Wandel und die Entwicklung des Städtebaus, der Wiederaufbauphase nach dem 2. Weltkrieg in der Abkehr von gründerzeitlicher Wohnweise und Stadtstruktur und letztlich auch der Neudefinition des Stadtraumes

Ø      Gleichzeitig sind die Wohnbauten ein Beispiel für den Beginn der Typisierung im Wohnungsbau dieser Zeit und hinzu kommt die Wohnanlage Belforter Str. ist eines der wesentlichen Ensembles aus dieser Bauphase im Ostteil der Stadt und die einzige geplante Zeilenbebauung auf kriegszerstörten Grundstücken in den gründerzeitlich geprägten Stadtteilen im Ortsteil Prenzlauer Berg aus der Zeit des Wiederaufbaus. Vor allem ist sie unverändert erhalten geblieben.

Ø      Mit Bezugnahme auf Kommentare zum Baugesetzbuch werden besondere städtebauliche Merkmale zur Begründung einer Erhaltensverordnung dargestellt und in den historischen Zusammenhang gestellt:

Ø      Der Wiederaufbau nach dem Krieg erforderte neue Konzepte zur Schaffung neuen Wohnraumes.

Ø      Berlin war Zentrum für neue Stadtgestaltung in den 1920er Jahren.

Ø      BauO von 1925 untersagt Quergebäude und Seitenflügel.

Ø      Im Städtebau der 20er Jahre hatte sich daher die Zeilen- und Blockrandbebauung durchgesetzt.

Ø      Nach dem Krieg wurde an die Erfahrungen der 20er Jahre angeknüpft.

Ø      Ziel für den Bereich Wohnen war die Öffnung der baulichen Struktur

Ø      In den ersten fünfzehn Jahren nach der Teilung der Stadt waren die Ideen hierfür in Ost und West gleich (Zeilenbebauung)

Ø      In diesem Kontext befindet sich auch die Anlage an der Belforter Straße:

Ø      Vor dem zweiten Weltkrieg war das Gelände vollständig bebaut (Seitenflügel, Quergebäude, Remisen, Nebengebäude).

Ø      Im Rahmen des sog. Aufbaugesetzes wurde ein Aufbaugebiet festgelegt (alle Grundstücke innerhalb des S-Bahn-Ringes); auf dieser Grundlage wurde auch die Enteignung der damaligen Eigentümer geregelt.

Ø      1958 ist erstmals das Ziel dort Wohnungsbau zu errichten formuliert worden

Ø      Das Bebauungskonzept wurde 1959 genehmigt

Ø      Neben den Zeilenbauten und der Lückenschließung in der Metzer Str. waren  in der Planung noch mehrere andere Gebäude vorgesehen, die jedoch nicht realisiert wurden. Der Grund hierfür ist nicht bekannt.

Ø      Bebaut wurde die Anlage schließlich mit dem sog. Typ57 des VEB Hochbauprojektierung

Ø      Die Typisierung von Wohngebäuden befand sich in dieser Zeit in der Anfangsphase und konzentrierte sich vorrangig auf die Gestaltung und Vereinheitlichung von Grundrissen.

Ø      Im Mai 1960 wurde die Baugenehmigung erteilt

Ø      Die Wohnanlage wurde 1993 Bestandteil des SanGeb Kollwitzplatz und blieb auch in dieser Zeit unverändert.

Ø      Sie ist die einzige Wohnanlage in Zeilenbauweise in den Gründerzeitgebieten im OT Prenzlauer Berg, nicht jedoch in Berlin

 

Herr BV Kraft hinterfragt, ob die Tatsache, dass sich im OT Prenzlauer Berg keine weiteren Zeilenbauten befinden der Grund für die Empfehlung zum Erlass einer Erhaltungsverordnung ist, oder ob es weitere Gründe gäbe.

Frau Dr. Lindemann antwortet hierauf, dass die Anlage ein Beleg für die Weiterentwicklung des Städtebaus sei, Ansätze der Typisierung zu erkennen und die  unveränderte Situation seit Bestehen der Anlage (keine wesentlichen Veränderungen am Erscheinungsbild – Struktur und Erschließung der Anlage) auch zu berücksichtigen seien.

Ein betroffener Bürger erklärt, dass das Wohngebiet wohnfähig und nicht sanierungsbedürftig ist.

Herr Kraft bittet um weitere Erläuterungen dazu, wie sich die Erhaltungswürdigkeit begründet und hinterfragt, ob man zu gegebener Zeit auch zum Beispiel alle Plattenbauten als erhaltenswürdig einstufen müsste, da diese ja zweifelsfrei typisiert sind, eine Weiterentwicklung des Städtebaus und zum Beispiel im Ortsteil Buch unverändert sind?

Frau Dr. Lindemann antwortet hierauf, dass es nicht darum geht, alle baulichen Anlagen unter Schutz zu stellen, sondern nur die Beispielhaftigkeit und den Beginn von Veränderungen zu dokumentieren und die Weiterentwicklung aufzuzeigen. Man käme im Übrigen auch nicht zu der Empfehlung zum Erlass einer Erhaltungsverordnung, wenn es im Ortsteil Prenzlauer Berg weitere Beispiele für Zeilenbauten innerhalb gründerzeitlicher Baustrukturen geben würde.

Herr BV Brenn weist darauf hin, dass die Anlage schon deshalb erhalten werden müsse, weil sie sich in einer Frischluftschneise befindet.

Herr BV Mindrup hinterfragt beim Bezirksamt den weiteren Verlauf in der Sache.

Frau Carrasco antwortet, dass ab kommenden Montag das vorgestellte Gutachten auf der Website des BA zu finden sein wird und bis Ende Februar Zeit für Stellungnahmen ist. Der BVV-Beschluss mit Entwurf der Verordnung und der Begründung sei am 30. März 2011 zu erwarten. Die Verordnung wird voraussichtlich am 26. Mai 2011 im Ausschuss behandelt und am 8. Juni 2011 in der BVV.

Herr Bahr fragt, ob die Typisierungen in den 1950er Jahren begonnen haben oder nicht schon in den 1920er Jahren und ob Zeilenbau typisch sei, obwohl nur drei Beispiele vorgestellt wurden?

Frau Dr. Lindemann antwortet, dass es Typisierungen bereits in den 1920er gab und auch Ansätze für vereinheitliche Grundrisse, diese waren jedoch nicht so massiv und raumgreifend. Nach dem zweiten Weltkrieg bekam die Typisierung einen wesentlich anderen Stellenwert. Es wurde das „Prinzip Wohnzelle“ entwickelt, dass entweder eine Blockrandbebauung mit Lücke oder eine Zeilenbebauung vorsieht. Ein Beispiel für Zeilenbebauung in Berlin ist unter anderem Siemensstadt (20er und 50er Jahre) Diese drei Zeilen hier sind das einzige Beispiel im OT Prenzlauer Berg, das in einem Gebiet mit gründerzeitlicher Baustruktur realisiert wurde.

Herr BV Brandt hinterfragt, wie die Ausführungen der Gutachter mit dem B-Plan-Entwurf des BA in Einklang zu bringen sind.

Herr Dr. Nelken verweist auf die Debatte in den letzten Ausschusssitzungen. Ursprung dieses und anderer  B-Pläne war das Ziel, Nachverdichtungen im Blockinnenbereich zu unterbinden. Hierzu zählte auch dieser Block. Folgerichtig sollte weitere Bebauung im Blockinnenbereich eingeschränkt werden. In dem im Ausschuss diskutierten Entwurf des B-Planes war eine Blockrandschließung vorgesehen, da im gesamten Umfeld Blockrandschließungen erfolgt sind. Im Ausschuss wurde dann jedoch hinterfragt, warum eine Blockrandschließung zugelassen werden sollte. Daraufhin hatte das BA die ursprünglichen Planungsziele für den B-Plan zu überprüfen.. Im Ergebnis der Überprüfung der Planungsziele wurde festgestellt, dass sich für den Bebauungsplan eine Reduzierung auf den bloßen Bestandserhalt nicht herleiten lässt. Hierfür sind besondere städtebauliche Gründe erforderlich, die die Erhaltungswürdigkeit der Bestandsbebauung begründen. Daraufhin wurde das Gutachten beauftragt, um festzustellen, ob es solche Gründe gibt..

 


 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
Bezirksverordnetenversammlung Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Kommunalpolitiker/in Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen