Drucksache - 0981/XX
Der Ausschuss für Haushalt, Wirtschaft, Verwaltung und Gleichstellung empfiehlt der Bezirksverordnetenversammlung die Annahme des Antrages in folgender Fassung:
Der mitberatende Ausschuss für Straßen, Grünflächen und Ordnung empfiehlt dem federführenden Ausschuss für Haushalt, Wirtschaft, Verwaltung und Gleichstellung die Annahme des Antrages in folgender Fassung:
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Das Bezirksamt wird gebeten, importierte Natursteinmaterialien für Bauvorhaben nur noch einzusetzen, wenn diese unter fairen Bedingungen produziert wurden. Für importierte Natursteine kann dies z.B. durch das Siegel des Fair Stone e.V. oder des Xertifix e.V. gewährleistet werden.
Begründung: Der Bezirk Neukölln strebt eine Auszeichnung als „Fairtrade Town“ an. Hierfür sollte das Bezirksamt Vorbildfunktion übernehmen, um das Vorhaben mit weiterem Leben zu erfüllen. Gerade in der globalen Natursteinindustrie kommt es jedoch regelmäßig zu Fällen von Kinderarbeit, sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen sowie lebensgefährlichen und tödlichen Arbeitsunfällen durch Explosionen oder das Abstürzen großer Steinblöcke. Die hohe Lärm- und Staubbelastung führen zudem zu Taubheit und Silikose (Staublunge) und dadurch zu einem frühen Tod. Die Löhne im Natursteinsektor sind extrem niedrig und liegen laut einer aktuellen Studie weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn (Tageslohn eines sogenannten unqualifizierten Arbeiters in Telangana / Indien: 3,55 €, Studie: The Dark Sites of Granite, August 2017, S. 31). Die schrittweise Verbesserung von Arbeits- und Gesundheitsschutz (Schutzkleidung, Minimierung von Kontakt mit Silica und anderem Mineralstaub) sowie die Zahlung von gesetzlichen Mindestlöhnen gemäß Vorgaben im Abbau- und Verarbeitungsland sollten daher unbedingt eingefordert werden. Öffentliche Beschaffer*innen aus Bund, Ländern und Kommunen kaufen jährlich Waren und Dienstleistungen im Umfang von etwa 350 Mrd. Euro. Diese enorme Kaufkraft ermöglicht es, Einfluss darauf zu nehmen, unter welchen Arbeitsbedingungen und sozialen Standards Waren produziert werden. Durch konkrete Anforderungen an Lieferanten kann großer Einfluss auf eine faire Gestaltung des Handels genommen werden. So wirken die kommunalen Beschaffer*innen als Vorbild für Konsumenten und privatwirtschaftliche Einkäufer. Zur Beschaffung von Natursteinen empfehlen der Deutsche Städtetag, die Städte München, Zürich und Basel, viele kleinere Kommunen und unabhängige Organisationen wie die Verbraucher Initiative e.V. das Fair Stone Siegel oder das Xertifix-Siegel. Diese Siegel berücksichtigt nicht nur die ILO Kernarbeitsnormen 138 und 182 – keine ausbeuterische Kinderarbeit, sondern steht auch für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, den Arbeits- und Gesundheitsschutz und fordert das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung. Weitere Informationen zum Fair Stone Siegel gibt es unter: http://fairstone.org/wp-content/uploads/sites/2/2013/02/fair-stone-standard.pdf
-Schlussbericht-
Ob eine Mauer im Stadtbild, das neue Gerät auf dem Spielplatz oder die Fassade eines Schulneubaus: Bei Bauten in öffentlicher Hand werden oft Natursteine verbaut. Selten wird aber die Frage gestellt, wo diese Steine herkommen und unter welchen Bedingungen sie abgebaut wurden. Mit dieser Frage haben sich die Bezirke Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg im Rahmen eines Pilotprojekts befasst, bei dem drei Pilotausschreibungen zur Beschaffung von Natursteinen aus sozial verantwortlichem Bezug durchgeführt. Der innovative Charakter der Ausschreibungen bestand darin, dass produktspezifische Sozialstandards verankert wurden, die über die vom Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz als Mindeststandards vorgegeben ILO-Kernarbeitsnormen hinausgehen. Weiterhin wurden glaubwürdige Nachweise gefordert und Eigenerklärungen explizit ausgeschlossen.
Essentiell für die Durchführung und das Monitoring waren in beiden Bezirken die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung anteilig finanziell geförderten Personalstellen für Kommunale Entwicklungspolitik, die u. a. zu Themen zur Stärkung der sozialverantwortlichen Beschaffung arbeiten.
Die beiden Bezirke haben in den Ausschreibungen Natursteine aus sozial verantwortlichem Bezug beschafft. In Neukölln wurden 100 Kubikmeter Steine aus Polen für die Gestaltung einer Spielmauer im Hort Wutzkyallee beschafft.
Im Rahmen der Pilotausschreibungen konnten zahlreiche Erfahrungen hinsichtlich der praktischen Umsetzung der sozial verantwortlichen Beschaffung von Natursteinen gesammelt werden – von der Erstellung der Vergabeunterlagen bis hin zur Nachweiskontrolle mit der Lieferung. In einer danach veröffentlichen Dokumentation zeigen die Pilotbezirke auf, wie eine sozial verantwortliche Beschaffung rechtlich möglich ist und was öffentliche Bauträger dabei beachten sollten.
Das Pilotprojekt war ein erster vielversprechender Anfang für eine nachhaltige Natursteinbeschaffung. Aus der Dokumentation wird aber auch deutlich, dass es noch ein weiter Weg ist, bis sich hierzu ein Regelverfahren etabliert hat. https://www.berlin.de/ba-neukoelln/politik-und-verwaltung/beauftragte/nachhaltigkeit/nachhaltig-bauen-sozial-verantwortliche-beschaffung-ist-moeglich-neukoelln-zeigt-wie-1016910.php
Das Bezirksamt sieht damit den Beschluss der BVV als erledigt an.
Berlin-Neukölln, den 14.10.2021
Martin Hikel |
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