Drucksache - 1268/XVIII
Im § 172 des Baugesetzbuches gibt es die Möglichkeit des Erlasses einer Satzung (Rechtsverordnung) für ein definiertes Stadtgebiet „zur Erhaltung der Zusammensetzung der Bevölkerung“, auch häufig „Milieuschutz“ genannt. In einem solchen beschlossenen Gebiet bedürfen dann Baumaßnahmen und Änderungen baulicher Anlagen, auch Nutzungsänderungen einer besonderen Genehmigung, unabhängig von einer evt. erforderlichen bauordnungsrechtlichen Genehmigung. Insbesondere wird dabei geprüft, ob das Ziel der Erhaltung der Zusammensetzung der Bevölkerung „aus besonderen städtebaulichen Gründen“ damit infrage gestellt wird. Orientierung für diese Überprüfung ist üblicherweise ein gebietsspezifischer Mietpreisspiegel und die Art der baulichen Veränderung.
Voraussetzung dafür ist die Erstellung einer aufwändigen Sozialstudie für das Gebiet mit umfangreichen Aussagen zur Sozialstruktur, zu den Wohnverhältnissen, dem gebietsspezifischen Mietpreisspiegel und der Begründung für den Erlass einer Milieuschutzsatzung. Diese Sozialstudie muss korrespondierend mit dem Berliner Mietspiegel etwa alle 2 Jahre fortgeschrieben werden, um zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für den Milieuschutz noch vorliegen.
Für das Quartier Schillerpromenade wurde nach den oben skizzierten Vorarbeiten vom Bezirksamt Neukölln eine Erhaltungssatzung mit Milieuschutz als Rechtsverordnung im Jahre 1996 erlassen (GVBl. vom 9. Juli 1996, S. 246). Mit der Durchführung der erforderlichen Beratungsarbeiten für Antragsteller vor Ort sowie der Vorprüfung von Anträgen wurde die BSG beauftragt, die Bautätigkeiten und auch div. Ordnungswidrigkeiten feststellte und dem Fachbereich Stadtplanung meldete. Außerdem wurden durch die BSG die Eigentümer der ca. 300 Grundstücke beraten, dabei etwa 330 Anträge vorgeprüft und später die Einhaltung von Genehmigungsauflagen überprüft. Der Fachbereich Stadtplanung war je nach Arbeitsandrang mit ein bis zwei Mitarbeitern durch diese Aufgaben gebunden, sei es durch Bearbeitung der Anträge oder Durchführung der formalen Verfahren zu den begangenen Ordnungswidrigkeiten.
Nach fünf Jahren Erfahrung mit dem Milieuschutz wurde durch eine nochmalige Sozialstudie (Evaluierung und Aktualisierung der Sozialstruktur und Mieten) festgestellt, dass das beabsichtigte Ziel nicht erreicht werden konnte, insbesondere waren Mietsteigerungen im Gebiet durch starke Fluktuation stärker ausgeprägt als in der Gesamtstadt - die Mieten des gebietsspezifischen Mietpreisspiegels im Schillerkiez lagen im Jahre 2000 höher als der Berliner Mietspiegel.
Nachdem auf Betreiben der Fraktionen von SPD und CDU der Milieuschutz aufgehoben werden sollte (BVV-Beschluss 453/XVI vom 30. Mai 2001), wurde die Verordnung zur Aufhebung des Milieuschutzes begründet und erlassen (GVBl vom 6. Okt. 2001, S.523).
Folgende miet- und bauplanungsrechtlichen Gründe erschweren oder verhindern die Anwendung des Milieuschutzes :
1) Die Genehmigung der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungsstandards der Wohnungen (entspricht etwa dem Standard des sozialen Wohnungsbaus) darf nicht aus Milieuschutzgründen versagt werden, führt aber zur mietrechtlich zulässigen Umlage dieser Modernisierungsmaßnahme (11%ige Mieterhöhung). Dazu gehören: - Einbau eines Bades und Innen-WCs - erstmaliger Einbau einer Sammelheizung - Wärmedämm-Maßnahmen - Isolierglasfenster - sichere Elektro-und Wasserinstallationen - Gegensprechanlage - Einbau eines Aufzuges für neu geschaffenen Wohnungen - usw… Verhindert werden könnte nur „Luxusmodernisierung“ (z. B. Marmorbäder, Luxusarmaturen, Anbau von Balkonen …).
2) Bei Neuabschlüssen von Mietverträgen hat das Bezirksamt keine Einflussnahmemöglichkeiten auf die Miethöhe.
3) Die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung setzt voraus, dass sie sich „städtebaulich bewährt“ hat. Dies ist auf Grund des besonderen Entwicklungsbedarfs im Gebiet und der Prägung der Bevölkerungsstruktur durch niedrige Einkommen, soziale Missstände usw. äußerst fraglich, gerade deswegen wurde hier ein Quartiersmanagement eingerichtet.
4) Falls die o. g. gebietsspezifischen Mietpreisspiegel als bindende Obergrenzen angewendet werden, ergeben sich rechtliche Probleme. Die Unzulässigkeit der Anwendung von Mietobergrenzen hat das OVG am 10.6.2004 bestätigt. Auch wenn man den gebietsspezifischen Mietpreisspiegel nur als Orientierung und Verhandlungsgrundlage mit dem Eigentümer nimmt, darf dies nicht zur Unwirtschaftlichkeit des Mietobjektes führen.
Aus den o.g. Gründen ist zu ersehen, dass „Milieuschutz“ nicht als geeignetes Instrument zur Verhinderung von Mieterhöhungen angesehen werden kann, wenn zeitgemäße Modernisierungen durchgeführt werden.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Instrument „Milieuschutz“ Hoffnungen und Erwartungen weckt, die nicht erfüllt werden können.
Dazu kommt weiterhin ein personalwirtschaftlicher Aspekt. Auf Grund der bereits vorhandenen Erfahrungen mit Milieuschutz im Gebiet Schillerpromenade steht fest, dass die praktische Durchführung sehr arbeitsintensiv ist und mindestens zwei bis drei Personen bindet. Die erforderliche Erstellung der o. g. Sozialstudien sowie deren Fortschreibung/Evaluierung bzw. deren Kosten sind ebenfalls zu berücksichtigen. Diese personal- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen rechtfertigen nicht die Einrichtung eines Milieuschutzes, der nur in der Lage ist, Luxusmodernisierungen zu verhindern, die bisher keine Rolle spielten.
Denkbare und mögliche Maßnahmen gegen befürchtete Mieterhöhungen:
Gegen Mietüberhöhung ist die Anwendung des § 5 Wirtschaftsstrafgesetzes geeignet.
Das Angebot der Mieterschutzverbände ist ebenfalls geeignet zum Schutz der Bewohner gegen rechtswidrige Praktiken. Offene - kostenlose - Mieterberatung, wie sie angedacht, aber noch nicht beschlossen ist, im Rahmen des „Aktionsraumes plus“ für Nord-Neukölln würde hier auch einkommensschwachen Bewohnern helfen.
Das Quartier Schillerpromenade gehört zu den nächsten Gebieten, für die SenStadt die Durchführung von vorbereitenden Untersuchungen i.S. § 141 Baugesetzbuch beschlossen hat. Falls die Ergebnisse zur Festlegung eines Sanierungsgebietes führen sollten, wären hier Steuerungsmöglichkeiten auf die Miethöhen gegeben.
Das Bezirksamt sieht damit den Beschluss als erledigt an. |
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