Drucksache - 0129/XVIII
Entsprechend
dem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung vom 18.04.2007 hat die
Abteilung Jugend den Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Herrn
Prof. Dr. Zöllner, angeschrieben und ihn um Prüfung der rechtlichen
Möglichkeiten gebeten. In
diesem Zusammenhang übersendet Staatssekretär Schlemm mit Schreiben vom
11.07.2007 das Ergebnis seiner Prüfung. Bei
der Beantwortung der Frage, inwieweit „Eltern, die ihrem
Erziehungsauftrag nicht nachkommen (dazu gehören vor allem Verwahrlosung der
Kinder, Nichteinhaltung der Schulpflicht), mit staatlichen Sanktionen belegt
werden können“, muss zunächst zwischen den Bereichen Schule und
Schulpflicht sowie dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe unterschieden
werden. Nach
§ 44 des Berliner Schulgesetzes haben die Erziehungsberechtigten die
regelmäßige Teilnahme der oder des Schulpflichtigen am Unterricht und an den
sonstigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule zu verantworten. Wenn sie
– vorsätzlich oder fahrlässig – den Bestimmungen über die
Schulpflicht zuwiderhandeln, begehen sie eine Ordnungswidrigkeit. Diese kann
mit einer Geldbuße bis zu 2.500 Euro geahndet werden. Zuständig ist das
Bezirksamt oder die für das Schulwesen zuständige Senatsverwaltung jeweils für
die von ihnen verwalteten Schulen (§ 126 des Berliner Schulgesetzes). Im
Bereich der Schulpflicht gibt es also die Möglichkeit einer Sanktion gegenüber
den Erziehungsberechtigten durch Verhängung eines Bußgeldes. Im
Bereich der Kinder- und Jugendhilfe gibt es diese Möglichkeit der Verhängung
eines Bußgeldes nicht. Es gibt dafür verschiedene Gründe. Zunächst einmal
müsste ein solcher Bußgeldtatbestand aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit
präzise gefasst sein. Die „Nichteinhaltung der Schlupflicht“ ist
ein objektiv feststellbarer Tatbestand, das sonstige im Beschluss sogenannte
Nicht-Nachkommen des Erziehungsauftrags ist hingegen sehr vielfältig und hat
viele Abstufungen, die definiert werden müssten und die auch nicht alle
“bußgeldwürdig“ sind. Wie
Sie wissen, gibt es für schwerwiegende Fälle mehrere strafrechtliche
Sanktionen, z. B. § 225 StGB (Misshandlung von Schutzbefohlenen: dieser
Tatbestand wird erfüllt durch Quälen, rohes Misshandeln, aber auch durch
Gesundheitsschädigung durch böswillige Vernachlässigung der Pflicht, für das
Kind zu sorgen) oder auch § 221 StGB (Schwere Gesundheitsschädigung durch
Aussetzung oder Im-Stich-Lassen in hilfloser Lage). Als
weitere Sanktionsmöglichkeit wurde in der öffentlichen Diskussion erörtert,
Erziehungsversagen der Eltern durch den Entzug staatlicher Leistungen zu bestrafen,
z. B. durch Streichung oder Kürzung des Kindergeldes. Doch dürfte dies schon an
rechtlichen Hürden scheitern. Das Kindergeld bzw. die teilweise damit
verknüpfte steuerlichen Freibeträge sind Leistungen des Bundes im Rahmen des
sogenannten Familienleistungsausgleichs. Die entsprechenden Ansprüche der
Eltern haben Verfassungsrang, soweit das Kindergeld der steuerlichen
Freistellung des Existenzminimums dient, wie das Bundesverfassungsgericht am
10.11.1998 (NJW 1999,557) festgestellt hat. Es ist auch zu berücksichtigen,
dass das Kindergeld zwar formell dem bezugsberechtigten Elternteil zusteht,
aber faktisch dem Unterhalt des Kindes zugute kommen soll. Eine Streichung bzw.
Kürzung des Kindergeldes würde immer auch das Kind betreffen. In
diesem Zusammenhang ist die Frage zu stellen, ob Sanktionen gegenüber den
Eltern den betroffenen Kindern helfen, oder ob es nicht besser ist, auf
Unterstützungsleistungen durch die Jugendämter zu setzen, die ein vielfältiges
Hilfsangebot nach dem SGB VIII bereithalten. Auch in Fällen mangelnder
Kooperationsbereitschaft der Eltern ist das Jugendamt keineswegs hilflos. Das
Jugendamt hat nach § 8 a SGB VIII einen Schutzauftrag. Werden ihm gewichtige
Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bekannt, hat es im Zusammenwirken
mit den Personenberechtigten das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Weigern sich
diese, hierbei mitzuwirken, hat das Jugendamt das Familiengericht anzurufen. Nach
§ 1666 BGB hat das Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen
Maßnahmen zu treffen, wenn das körperliche oder seelische Wohl des Kindes durch
bestimmte Verhaltensweisen der Eltern gefährdet wird. Ultima ratio ist die
Herausnahme des Kindes aus der Familie bzw. die Entziehung des Sorgerechts; die
ist zwar nicht als Sanktion gegen die Eltern, sondern als Schutzmaßnahme für
das Kind gedacht, wird aber doch wohl von vielen Eltern als faktische Sanktion
befürchtet und empfunden. Das
Zusammenwirken von Jugendämtern und Familiengerichten zum Schutz der Kinder ist
bereits ausgebaut und wird noch verfeinert. Es gibt den Entwurf eines Gesetzes
zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des
Kindeswohls (Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz), der
entsprechende Ergebnisse einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe umsetzt. Vorgesehen
ist u. a. die Erweiterung des § 1666 BGB um konkrete gerichtliche Maßnahmen, zu
denen u. a. auch die Gebote an die Eltern gehören, öffentliche Hilfen wie zum
Beispiel Leistungen der Kinder– und Jugendhilfe und der
Gesundheitsfürsorge anzunehmen und für die Einhaltung der Schulpflicht zu
sorgen. Ferner sind in dem Referentenentwurf gerichtsverfahrensrechtliche
Änderungen enthalten, die bereits in den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des
Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) eingearbeitet wurden, der bereits im
Bundesrat (Drs. 309/07) beraten wird. §
157 FamFG-E (FGG-Reformgesetz) beinhaltet die Erörterung der
Kindeswohlgefährdung: das Gericht soll mit den Eltern und in geeigneten Fällen
auch mit dem Kind erörtern, wie einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls,
insbesondere durch öffentliche Hilfen, begegnet werden und welche Folgen die
Nichtannahme notwendiger Hilfen haben kann (Hinweis auf § 1666 BGB). So kann
das Jugendamt bereits in der „Grauzone“ auch unterhalb der Schwelle
der Kindeswohlgefährdung das Familiengericht einschalten. Diese Möglichkeit
gibt es zwar auch schon jetzt, doch wurde sie bislang in der Praxis selten
genutzt. Durch die ausdrückliche Aufnahme dieser Möglichkeit in das Gesetz soll
das Augenmerk sowohl der Jugendämter als auch der Richter verstärkt auf dieses
Instrument gelenkt werden. Ein weiteres Kernstück der Reform ist das sogenannte
Vorrang- und Beschleunigungsgebot für bestimmte Kindschaftssachen, zu denen
auch die Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls gehören, notfalls auf
Kosten anderer anhängiger Sachen. Der
Gesetzentwurf wird von der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und
Forschung unterstützt. Das
Bezirksamt sieht damit den Beschluss als erledigt an. |
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