Auszug - Vortrag zum Thema "Tilidin" Referent: Herr Schafraneck (Gangway e.V.)  

 
 
46. öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 2
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 20.05.2010 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Rathaus Neukölln, Çigli-Zimmer, 1. Etage, Raum A104
Ort: Karl-Marx-Straße 83, 12040 Berlin
 
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Herr Schaffranek ist der Präventionsexperte des Berliner Vereins Gangway e

Herr Schaffranek ist der Präventionsexperte des Berliner Vereins Gangway e.V. Er hat als Streetworker in Neukölln gearbeitet, insgesamt war er 16 Jahre in der Suchtarbeit tätig. Sein Ziel ist es, neue Arbeitsansätze mit bereits konsumierenden Jugendlichen zu entwickeln.

Schon in den 70er und 80er Jahren war „Tilidin“ ein beliebtes Ersatzmittel für Heroinabhängige - damals war es bekannt als „Valoron“. Vor ca. 10 Jahren galt das Rollbergviertel als Hauptproblemgebiet. Inzwischen ist der Konsum unter Jugendlichen Berlinweit verbreitet. Schwerpunkte sind Neukölln, Kreuzberg, Wedding und Tiergarten. Die ethnische Zugehörigkeit der Konsumenten ist gemischt. Es gibt einen auffälligen Anteil von Jugendlichen aus Einwanderungsfamilien. Der Anteil von Konsumentinnen wird auf 25% bis 30% geschätzt. Die Abhängigkeit von Tilidin ist außerdem in Strafanstalten sehr hoch. Der Hauptanteil der Konsumenten ist jedoch über 40 Jahre alt und  nimmt Tilidin als Schmerzmittel.

Warum wurde es wieder aktuell? Tilidin schaltet Schmerz und Angst aus, wirkt zunächst euphorisierend und ist vergleichsweise billig. Es lässt sich in Tropfenform einfach konsumieren und fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Das Medikament ist unter Jugendlichen zur Modedroge geworden. Als legales Schmerzmittel steht Tilidin in vielen Hausapotheken. Beschafft wird Tilidin auch über illegale oder gefälschte Rezepte. Die Droge wurde lange unterschätzt. In Berlin wurden im vergangenen Jahr 2000 gefälschte Rezepte entdeckt. Andere Bundesländer erfassen diese Fälschungen statistisch gar nicht.

Herr Schaffranek forderte die Pharmaindustrie auf, Tilidin in Tropfenform vom Markt zu nehmen und nur noch als Tabletten zu verkaufen, da diese erheblich langsamer wirken und somit für den schnellen Kick uninteressant seien. Die Form der Substanz zu ändern sei erheblich effektiver als Tilidin unter das Betäubungsmittelgesetz zu stellen. Denn das habe noch niemanden vom Drogenkonsum abgehalten. (Der Vortrag ist dem Protokoll als Datei beigefügt.)

In der anschließenden Diskussion fragte Frau Vonnekold nach den Anzeichen für den Konsum von Tilidin. Herr Schaffranek antwortet, dass die Abhängigkeit der Jugendlichen für ihre Eltern nur schwer erkennbar sei: große Gereiztheit (in der Abklangphase), starke Stimmungsschwankungen innerhalb eines Tages sowie relativ hohe Ausgaben. Vielen Eltern sei das Problem auch deshalb nicht bewusst, weil Tilidin als Schmerzmittel häufig in der Hausapotheke zu finden sei.

Frau Dr. Gallus-Jetter fragte nach Erfahrungen mit Schwangeren. Die Neugeborenen sind dann bereits abhängig. Außerdem führt Tilidin-Abhängigkeit bei Müttern oft zu Frühgeburten.

Herr Schaffranek berichtet, dass der soziale Druck extrem sei, besonders unter Jugendlichen aus türkischen und arabischen Familien. Niemand dürfe etwas erfahren, weder in der Familie noch die besten Freunde. Selbst unter den Konsumenten werde innerhalb der Clique normalerweise nicht darüber gesprochen.

Frau Busse fragt, ob die Krankenkassen nicht Druck auf die Pharmaindustrie ausüben könnten, um die Tropfen vom Markt zu nehmen? Herr Schaffranek verweist auf die Gewinne der Unternehmen. Außerdem werde Tilidin bisher bundesweit nicht als Problem wahrgenommen, sondern nur in einigen Großstädten bzw. Bundesländern.

Frau Vonnekold fragt, wie man die Öffentlichkeit sensibilisieren könne.

Frau Finger verweist darauf, dass Tilidin in Jugendfreizeiteinrichtungen sehr wohl ein Thema sei.

Herr Schaffranek betont die Bedeutung von öffentlicher Aufklärung. Zurzeit wird ein Film zum Thema Tilidin gedreht, er soll im Herbst aufgeführt werden.

Frau Finger dankt Herrn Schaffranek für den Vortrag. Sie warnt abschließend vor einer Unterschätzung des Themas.

Abschließend wurden Materialien der Fachstelle für Suchtprävention des Landes Berlin verteilt, auch in türkischer und arabischer Sprache (www.berlin-suchtpraevention.de).

 

Abstimmungsergebnis:

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Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Tilidinmissbrauch unter Jugendlichen_aktuell (1675 KB)    

 
 

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