Auszug - Vortrag zum Thema "Tilidin" Referent: Herr Schafraneck (Gangway e.V.)
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Herr Schaffranek ist der Präventionsexperte des Berliner
Vereins Gangway e.V. Er hat als Streetworker in Neukölln gearbeitet, insgesamt
war er 16 Jahre in der Suchtarbeit tätig. Sein Ziel ist es, neue Arbeitsansätze
mit bereits konsumierenden Jugendlichen zu entwickeln. Schon
in den 70er und 80er Jahren war „Tilidin“ ein beliebtes
Ersatzmittel für Heroinabhängige - damals war es bekannt als
„Valoron“. Vor ca. 10 Jahren galt das Rollbergviertel als
Hauptproblemgebiet. Inzwischen ist der Konsum unter Jugendlichen Berlinweit
verbreitet. Schwerpunkte sind Neukölln, Kreuzberg, Wedding und Tiergarten. Die
ethnische Zugehörigkeit der Konsumenten ist gemischt. Es gibt einen auffälligen
Anteil von Jugendlichen aus Einwanderungsfamilien. Der Anteil von
Konsumentinnen wird auf 25% bis 30% geschätzt. Die Abhängigkeit von Tilidin ist
außerdem in Strafanstalten sehr hoch. Der Hauptanteil der Konsumenten ist
jedoch über 40 Jahre alt und nimmt
Tilidin als Schmerzmittel. Warum
wurde es wieder aktuell? Tilidin schaltet
Schmerz und Angst aus, wirkt zunächst euphorisierend und ist vergleichsweise
billig. Es lässt sich in Tropfenform einfach konsumieren und fällt nicht unter
das Betäubungsmittelgesetz. Das Medikament ist unter Jugendlichen zur Modedroge geworden.
Als legales Schmerzmittel steht Tilidin in vielen Hausapotheken. Beschafft wird
Tilidin auch über illegale oder gefälschte Rezepte. Die Droge wurde lange unterschätzt. In Berlin wurden
im vergangenen Jahr 2000 gefälschte Rezepte entdeckt. Andere Bundesländer
erfassen diese Fälschungen statistisch gar nicht. Herr Schaffranek forderte
die Pharmaindustrie auf, Tilidin in Tropfenform vom Markt zu nehmen und nur
noch als Tabletten zu verkaufen, da diese erheblich langsamer wirken und somit
für den schnellen Kick uninteressant seien. Die Form der Substanz zu ändern sei
erheblich effektiver als Tilidin unter das Betäubungsmittelgesetz zu stellen.
Denn das habe noch niemanden vom
Drogenkonsum abgehalten. (Der Vortrag ist dem Protokoll als Datei
beigefügt.) In der anschließenden
Diskussion fragte Frau Vonnekold nach den Anzeichen für den Konsum von Tilidin.
Herr Schaffranek antwortet, dass die Abhängigkeit der Jugendlichen für ihre
Eltern nur schwer erkennbar sei: große Gereiztheit (in der Abklangphase), starke
Stimmungsschwankungen innerhalb eines Tages sowie relativ hohe Ausgaben. Vielen
Eltern sei das Problem auch deshalb nicht bewusst, weil Tilidin als
Schmerzmittel häufig in der Hausapotheke zu finden sei. Frau Dr. Gallus-Jetter
fragte nach Erfahrungen mit Schwangeren. Die Neugeborenen sind dann bereits
abhängig. Außerdem führt Tilidin-Abhängigkeit bei Müttern oft zu Frühgeburten. Herr Schaffranek
berichtet, dass der soziale Druck extrem sei, besonders unter Jugendlichen aus
türkischen und arabischen Familien. Niemand dürfe etwas erfahren, weder in der
Familie noch die besten Freunde. Selbst unter den Konsumenten werde innerhalb
der Clique normalerweise nicht darüber gesprochen. Frau Busse fragt, ob die
Krankenkassen nicht Druck auf die Pharmaindustrie ausüben könnten, um die
Tropfen vom Markt zu nehmen? Herr Schaffranek verweist auf die Gewinne der
Unternehmen. Außerdem werde Tilidin bisher bundesweit nicht als Problem
wahrgenommen, sondern nur in einigen Großstädten bzw. Bundesländern. Frau Vonnekold fragt, wie
man die Öffentlichkeit sensibilisieren könne. Frau Finger verweist
darauf, dass Tilidin in Jugendfreizeiteinrichtungen sehr wohl ein Thema sei. Herr Schaffranek betont
die Bedeutung von öffentlicher Aufklärung. Zurzeit wird ein Film zum Thema
Tilidin gedreht, er soll im Herbst aufgeführt werden. Frau Finger dankt Herrn
Schaffranek für den Vortrag. Sie warnt abschließend vor einer Unterschätzung
des Themas. Abschließend wurden
Materialien der Fachstelle für Suchtprävention des Landes Berlin verteilt, auch
in türkischer und arabischer Sprache (www.berlin-suchtpraevention.de). Abstimmungsergebnis:
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