Auszug - Möglichkeiten problematische Stadtquartiere positiv durch Fassadenkunst zu verändern - Erfahrungen bei der Durchführung des Projektes "Berlin-Neukölln, STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH und CITE CREATION (Erfahrungsbericht). - Die positivenErfahrungen mit Fassadenkunst in Stadtquartieren der französischen Stadt Lyon (ein Reisebericht). - Wie lassen sich die Erfahrungen mit Fassadenkunst und Bürgerbeteiligung bei Planung, Durchführung und Erhaltung bei Projekten in den Stadtteilquartieren von Berlin-Neukölln einsetzen?  

 
 
20. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Verwaltung und Gleichstellung gemeinsam mit dem Hauptausschuss (20. Sitzung)
TOP: Ö 1
Gremium: Ausschuss für Verwaltung und Gleichstellung Beschlussart: erledigt
Datum: Mo, 08.12.2008 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 18:45 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Nachbarschaftstreff Mittendrin
Ort: Sonnenallee 319, 12057 Berlin
 
Beschluss

Der Vorsitzende Herr Eichholz eröffnet die 20

Der Vorsitzende Herr Eichholz eröffnet die 20. Sitzung des Ausschusses für Verwaltung und Gleichstellung. Er stellt fest, dass die Einladung allen Ausschussmitgliedern rechtzeitig zugegangen ist und Änderungswünsche zur Tagesordnung nicht bestehen.

                                

 

Die zwischen 1975 und 1981 im Ergebnis eines städtebaulichen Wettbewerbs entstandene High-Deck-Siedlung mit ihren 2.500 Wohnungen war zum Zeitpunkt ihrer Errichtung eine Vorzeigesiedlung mit für damalige Verhältnisse bahnbrechenden Elementen wie Gästewohnungen, Saunen oder Gemeinschaftsräume.

 

Seit dem Wegzug bürgerlicher Schichten in den 90er Jahren wird die soziale Struktur im Quartier durch eine hohe Arbeitslosigkeit und einen großen Anteil an Transferleistungsempfängern charakterisiert. Dies sowie das zu verzeichnende niedrige Bildungsniveau und die sehr unterschiedlichen kulturellen und religiösen Wertanschauungen haben zu erheblichen sozialen Verwerfungen in der Siedlung geführt. Seit 1999 ist die High-Deck-Siedlung Quartiersmanagementgebiet. Das Quartiersmanagement-Verfahren hat dazu beigetragen, die Wohn- und Lebensverhältnisse im Quartier etwas zu verbessern. Heute engagieren sich rund 130 Bewohnerinnen und Bewohner ehrenamtlich.

 

Mit dem Zuzug sozial schwacher Roma-Familien haben sich die sozialen Spannungen im Frühjahr 2008 aber wieder erheblich verschärft. Da diese neuen Bewohner zahlreiche Besucher und Gäste  in ihren Wohnungen aufnehmen und sich dort teilweise bis zu 30 Personen aufhalten, haben sich die Nachbarschaften massiv verschlechtert. Eine Eskalation der Situation in Einzelfällen konnte nur durch das eng vernetzte Handeln von Quartiersmanagement, Hausverwaltung, Bezirksamt, Polizei und Schule vermieden werden.

 

Die High-Deck-Siedlung befand sich bis Ende 2006 fast ausschließlich im Eigentum der STADT UND LAND. Da die Wohnungsbaugesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen den stark sanierungsbedürftigen Wohnungsbestand nicht halten konnte, erfolgte zum 1.1.2007 der Verkauf von rund 1.900 Wohnungen an die Capricornus High Deck Residential GmbH & Co. KG. Der STADT UND LAND gehören seitdem noch 500 Wohnungen in der Siedlung.

 

Mit dem Verkauf des Großteils der Siedlung hat sich die STADT UND LAND aber nicht aus der Verantwortung für die Gebietsentwicklung zurückgezogen. Da sie mit ihren Beständen in den Siedlungen „Am Heidekamp“ und „Köllnische Heide“ noch immer einer der großen Bestandshalter rund um die süd-östliche Sonnenallee ist, liegt die Stabilisierung der Nachbarschaften nach wie vor in ihrem Interesse. Dieser Verantwortung stellt sich die Gesellschaft, indem sie bereits unmittelbar nach dem Verkauf der High-Deck-Siedlung begann, in die am Rande der Siedlung liegenden verbliebenen Objekte zu investieren.

 

Für den 214 Seniorenwohnungen umfassenden Gebäudekomplex Heinrich-Schlusnus-Straße 8-12 hat die STADT UND LAND ein soziales Kunstprojekt nach dem Vorbild der Lyoner Siedlungen „La Sarra“ und „Tony Garnier“ initiiert. Hier haben die Künstler der Citè Crèation Problemviertel durch aufwändige Fassadengestaltungen mit verblüffend echt aussehenden Motiven in attraktive Adressen verwandelt. Aus ehemals grauen Betonblöcken wurden vielbeachtete Kunstwerke, die der Bewohnerschaft ein neues Selbstwertgefühl und vor allem eine Identifikation mit ihrem Wohnviertel vermittelt haben. Auch nach 20 Jahren weisen die künstlerisch gestalteten Hauswände keinerlei Schmierereien oder Zerstörungen auf, und die ehemals gemiedenen Problemsiedlungen sind heute Ziel von Stadtrundfahrten. Lyon ist damit ein Musterbeispiel, wie mit städtebaulichen Maßnahmen auch soziale Veränderungsprozesse angestoßen werden können. Während in den 70er und 80er Jahren in Lyon immer wieder schwere Ausschreitungen zu verzeichnen waren, blieb die Stadt von den in Paris, Marseilles und Rennes im Mai 2007 erneut aufflammenden Krawallen weitestgehend verschont.

 

Das Kunstprojekt, bei dem sich die Fassade des Wohnhauses in der Heinrich-Schlusnus-Straße in eine Vogelvolière mit Jugendstilelementen verwandeln soll, ist der erste Schritt, gemeinsam mit den Bewohnern eine neue Wohnkultur zu entwickeln und der Siedlung eine neue Identität zu geben. Da die Kunst nicht nur das Gebäude aufwerten, sondern vor allem die Identifikation der Anwohner mit ihrem Wohnumfeld fördern soll, hat die STADT UND LAND großen  Wert darauf gelegt, dass deren Wünsche und Anregungen Berücksichtigung finden. In drei durch die Citè Crèation moderierten Workshops wurde gemeinsam das Grundmotiv erarbeitet. Nach Fertigstellung der Reverenzfassade werden weitere Workshops zur Detailabstimmung folgen. Die Bemalung der gesamten Fassade wird voraussichtlich ab April 2009 erfolgen.

 

Die „Volière“ ist nicht nur ein Kunst-, sondern auch eine Sozialprojekt. Die Vergabe der Handwerksleistungen hat die STADT UND LAND an die Bedingung der Schaffung von  Ausbildungsplätzen für Mädchen und Jungen aus der Siedlung gekoppelt.
Hierfür wurden junge Menschen aus der High-Deck-Siedlung, die auf dem Ausbildungsmarkt ansonsten keine Chance gehabt hätten, vom Quartiersmanagement gezielt angesprochen. Eingestellt wurden drei Jungen und ein Mädchen mit deutscher, türkischer, arabischer und englischer Herkunft. Ausbildungsbetrieb ist der Malerbetrieb Borst & Muschiol. Die anfängliche Skepsis des Unternehmens zur Anstellung von Auszubildenden mit multiplen Vermittlungshemmnissen hat sich mittlerweile gelegt. Borst & Muschiol ist für sein Engagement im Übrigen mit dem Berliner Integrationspreis 2008 des Landesbeirats für Integrations- und Migrationsfragen ausgezeichnet worden. Das Projekt scheint sich unter den Jugendlichen der Siedlung auch schon herumgesprochen zu haben. Nachdem die Bewerberlage für die in 2008 zu besetzenden vier Ausbildungsplätze verhalten war, geht das Quartiersmanagement für die vier in 2009 zu vergebenden Plätze von einem größeren Interesse aus.


Im Juni haben sich Herr Buschkowsky, Vertreter der STADT UND LAND sowie für die BVV Herr Eichholz und Herr Koglin auf Einladung Lyons persönlich ein Bild von den Fassadengestaltungen in der französischen Stadt gemacht. Hierbei herrschte Einvernehmen, dass das Projekt eine Chance sein kann, einem sozialen Brennpunkt in Neukölln zu einem neuen Status und einer neuen Identifikation zu verhelfen.  Für die „Volière“ stellt die STADT UND LAND zwei Drittel der benötigten Mittel zur Verfügung. Das Bezirksamt trägt mit 70 T€ ein Drittel. Der Kostenbeitrag des Bezirksamtes ist an die Bedingung der Schaffung von jeweils vier Ausbildungsplätzen in 2008 und 2009 geknüpft. Die zwei Jahresraten in Höhe von jeweils 35 T€ werden 2008 aus dem vorsorglich etatisierten, aber nicht benötigen Titel für Veranstaltungen auf dem Gutshof Britz finanziert. Die Finanzierung 2009 erfolgt ebenfalls aus dem Etat der Abteilung des Bezirksbürgermeisters.

 

Die Ausschussmitglieder sprechen sich in einzelnen Wortbeiträgen übereinstimmend über das Projekt und für dessen Durchführung aus, da es nicht nur einen innovativen Ansatz verfolgt, sondern auch Aussicht auf Herbeiführung ein positiven Images für den Problemkiez bringt. Der Ausschuss pflichtet Herrn Buschkowsky bei, dass das Fassadenprojekt der STADT UND LAND aber nur der Anfang sein kann. Für einen durchgreifenden sozialen Wandel und ein völlig neues Image der Siedlung ist die komplette Gestaltung der High-Deck-Siedlung erforderlich. Insoweit bleibt nur zu hoffen, dass es gelingt, die Capricornus dafür zu gewinnen, sich an der Fassadenkunst zu beteiligen und diese auf ihre Gebäude auszudehnen. Die Kosten hierfür betragen allerdings rund 2 Mio. €.

 


 
 

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