Auszug - Vorstellung Betreuungskonzept Safe Places Herzbergstraße 9, My Way Soziale Dienste gGmbH  

 
 
19. öffentliche Sitzung des Sozialausschusses
TOP: Ö 4
Gremium: Sozialausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 15.02.2024 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:05 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Rathaus Neukölln, Puschkin-Zimmer, 1. Etage, Raum A105
Ort: Karl-Marx-Straße 83, 12040 Berlin
 
Beschluss


Die Ausschussvorsitzende Frau Ouattara begrüßt Herrn Schulze (Geschäftsführung) und Herrn Blöhm (Sozialarbeiter) von MyWay Soziale Dienste gGmbH und bittet um Vorstellung des Betreuungskonzeptes Safe Places Hertzbergstr. 9.

Herr Schulze ist mit dem Träger MyWay bereits seit 2017 mit der ersten Einrichtung im Bezirk tätig. Seither ist das Angebot stetig gewachsen. Auch die Safe Places sind schon längere Zeit ein Thema mit Herrn BzStR Rehfeldt. Im Herbst 2023 konnte es dann schnell losgehen, nachdem nach umfangreichen Bemühungen des Bezirksamtes eine geeignete Fläche gefunden werden konnte.

Wie schon zum Presse- und Anwohnertermin vor Ort am 22.01.2024 startet Herr Schulze mit den Worten, dass er sich nicht wohl fühlt, einen Menschen in einer 3m³ großen Wohnbox leben zu lassen. Er empfindet Demut und Scham, dass ein Mensch so leben muss.

Dennoch ist er überzeugt, dass dieses zusätzliche Angebot eine Chance für die Menschen ist, da im Austausch mit Herrn BzStR Rehfeldt von Anfang an festgelegt wurde, dass diese Hilfe nur dann sinnvoll ist, wenn durch eine enge sozialarbeiterische Begleitung eine Anschlussperspektive in ein anderes Betreuungssystem unterstützt werden kann und der Aufenthalt in den Wohnboxen so kurz wie möglich gehalten werden kann.

Frau Hascelik fragt, was Herr Schulze unter kurz versteht.

Herr Schulze ist seit 1998 in der Obdachlosenhilfe tätig und hält in diesem Zusammenhang ungefähr 6 Monate für kurzfristig, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass es dabei immer um eine Einzelfallbetrachtung geht und bei erkennbaren Fortschritten auch ein längerer Verbleib möglich ist.

Ein durch ihn begleitetes ASOG Projekt in Berlin Marzahn hat gezeigt, dass viele Menschen länger als 5 Jahre in ASOG Einrichtungen verbleiben, daher möchte er auch möglichst nicht aus den Safe Places in ASOG vermitteln. Die Grundidee ist idealerweise in betreutes Wohnen überleiten zu können. Herr Blöhm berichtet von ersten Erfahrungen bei der Belegung. Die Menschen bitten tatsächlich darum, eine solche Wohnbox beziehen zu dürfen. Die erste Anfrage kam über Facebook. Zusätzlich sind die Menschen gut vernetzt, daher spricht sich schnell herum, dass es diese Safe Places gibt. Er sieht daher einen großen Bedarf in Neukölln und der ganzen Stadt, dieses Angebot auszuweiten.

Herr Pohl erwähnt, dass auch in ASOG Einrichtungen soziale Arbeit angeboten wird und es die gleiche Klientel ist.

Herr Blöhm nennt die bekannten Probleme beim Bezug von ASOG Einrichtungen zum Beispiel bei Drogenkonsum und/oder beim Besitz von Haustieren. Zum Thema Sozialarbeit in ASOG Einrichtungen kann er aus eigener Erfahrung berichten, dass diese nur sehr sporadisch und nicht in der wünschenswerten Intensität angeboten werden kann. Ausnahme in ganz Berlin ist „Die Teupe“.  Um einen Menschen in ein Betreutes Einzelwohnen zu bekommen, ist eine intensive 3-4-wöchige Unterstützung erforderlich. Dies kann in einem Wohnheim nicht geleistet werden.

Herr BzStR Rehfeldt ergänzt, dass ASOG Einrichtungen durch das Bezirksamt Neukölln in der Vergangenheit nur mit Sozialarbeit anerkannt wurden. Mittlerweile sei das insbesondere bei kleineren Anbietern nicht mehr in allen Fällen durchzuhalten. Der Umfang ist in allen Fällen aber deutlich geringer, als im Projekt Safe Places.

Herr Schulze ergänzt, dass die wenigen Sozialarbeiter mit der Realität überfordert werden mit den multiplen Problemlagen, wie psychische Erkrankungen, Sprachbarrieren und vieles mehr, was zur Folge hat, dass das Heim dann oft sagt es sei kein Platz frei.

Herr Kringel dankt für die Arbeit und führt aus, dass nicht nur psychische Krankheiten, sondern auch physische Krankheiten zunehmen. Er möchte wissen, ob auch erkrankte Menschen in die Wohnboxen aufgenommen werden können und ärztliche Anbindung erfolgt.

Herr Blöhm bestätigt, dass dies genau Teil der Arbeit ist und hier auch die Zeit besteht, die Menschen bei Bedarf zu Terminen zu begleiten. Für bettlägerige Menschen sind die Hütten jedoch nicht geeignet.

Herr Blöhm hat langjährige Erfahrung in der §67-Betreuung. Hier findet einmal wöchentlich ein Gespräch statt und es werden Hilfepläne erstellt, die auch die Mitarbeit der Betroffenen erfordert.

Dies trifft auf die Zielgruppe der obdachlosen Menschen nicht zu, daher ist der Vorteil für ihn bei den Safe Places, wo die Menschen sich aufhalten. Dadurch ist ein Beziehungs- und Vertrauensaufbau möglich und es können vorrangige Probleme, wie Beantragung eines Personalausweises, Vorbereiten eines Zugangs zur Krankenversicherung und Antragstellung auf Sozialleistungen (BüG / Grundsicherung) angegangen und unterstützt werden. Oberste Priorität in der Beratung und Begleitung haben also die Bedarfe Gesundheit und Hilfesysteme.

Frau Hascelik fragt nach, ob nur Menschen mit Anspruch auf Sozialleistungen die Zielgruppe sind, ob ein Mensch bei fehlender Mitwirkung dann ausziehen muss und ob es eine Nutzungsvereinbarung (Regeln) gibt. Auch möchte sie wissen, wie ein Mensch, der in einer Wohnbox lebt sich dem 1. Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen soll.

Herr Blöhm beschreibt, dass die 1. Priorität die Existenzsicherung ist. Arbeitsaufnahme steht erst viel später auf dem Plan. Der Vorteil, dass die Lebensgrundlage gesichert ist, versetzt den Bewohner in die Lage mehr Zeit für die Zusammenarbeit mit dem Sozialarbeiter zu haben, da das tägliche „Betteln“ entfallen kann.  Die Kommunikation mit dem Jobcenter läuft dann häufig über das Fallmanagement, die ebenfalls die Stabilisierung des Menschen in den Vordergrund und die Arbeitsaufnahme in den Hintergrund stellen.

Herr BzStR Rehfeldt ergänzt, dass Bürgergeldbezug eine grundsätzliche Erwerbsfähigkeit voraussetzt, nicht die sofortige Arbeitsaufnahme oder bedingungslose Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt.

Herr Blöhm bestätigt dies aus der Erfahrung des Betreuten Einzelwohnens von Suchtkranken. Auch hier haben die Betroffenen Anspruch auf Bürgergeld, da sie grundsätzlich erwerbsfähig, jedoch aktuell nicht arbeitsfähig sind.

Herr Hecht fragt nach dem Belegungsstand der Boxen und konkret nach dem Erfolg der ersten Anfrage über Facebook.

Herr Blöhm berichtet, dass aktuell 5 Boxen belegt sind. Eine Box ist in Absprache mit der Sozialen Wohnhilfe reserviert für einen Menschen, der in Britz Süd in einer Grünanlage lebt. Die Belegung nach der Facebook-Anfrage hat nicht funktioniert hat, da sich die Person nicht wieder gemeldet hat. Dafür kamen jedoch nach den Presseartikeln diverse Anfragen. Kontakte mit Anfragen

Herr BzStR Rehfeldt erwähnt, dass die Soziale Wohnhilfe von der Zusammenarbeit begeistert ist und sich eine Ausweitung dieses zusätzlichen Angebotes wünscht.

Herr Schulze ergänzt, dass der Träger auch im Housing First Bereich tätig ist und somit etwa 60 Sozialarbeiter beschäftigt. Eine erste Beratung für den Personenkreis ist also auch sichergestellt, wenn alle Boxen belegt sind. Das Thema bewegt viele Menschen – so hat er gerade erst mitbekommen, dass vielen Menschen vom 1. FC Union unbedingt in Eigenleistung neue Boxen bauen wollen.

Herr Hecht fragt nach der Arbeitsweise und der Häufigkeit der Sozialarbeit und ob es für diese neue Aufgabe nach einem Zeitraum eine Auswertung geben wird.

Herr Blöhm ist mindestens jeden Tag vor Ort meistens sogar zweimal täglich. Die Beratungen macht er terminiert und kann dafür Räume im Büro, einem Jugendclub und der Beratungsstelle nebenan benutzen. Der Tages-Rhythmus und die Lebenswelt der Bewohner müssen erst stabilisiert werden. Herr Blöhm rechnet auch damit, dass es mit zunehmenden Jahresverlauf noch besser werden kann, da dann auch das Wetter besser wird. Die Bewohner nehmen die Angebote bisher schon gut an.

Herr Schulze führt aus, dass eine ständige Evaluation stattfindet, da er es cool findet, dass beim Projekt Safe Places nach 24 Jahren §67 Arbeit mit fast unverändertem Konzept endlich eine neue Möglichkeit getestet werden kann.

Herrn Bender ist verwundert, dass es nicht mehr Safe Places gibt, wenn es doch Menschen gibt, die diese Boxen suchen und Menschen die diese bauen wollen.

Herr Schulze beantwortet direkt: Es fehlt an geeigneten Plätzen. Die Erfahrungen aus Kreuzberg zeigt, dass an einem Standort nicht mehr als 6 Boxen stehen sollten.

Herr BzStR Rehfeldt bestätigt dies und dass ihm die fachliche Meinung sehr wichtig ist und er selbst auch Bedenken hätte 20 Boxen auf einen Platz zu stellen, da dadurch die Akzeptanz der Anwohnerinnen und Anwohner schwinden und eine zu dynamische Entwicklung bei den Bewohnern der Boxen entstehen könnte. Es werden ständig neue mögliche Standorte gesucht und geprüft. Er bittet dafür auch um die Unterstützung der Ausschussmitglieder.

Herr Blöhm unterstreicht dies noch einmal und führt aus, dass es aus diesem Grund auch keine Sitzmöbel im Außenbereich gibt und die Boxen bewusst in einer Reihe und nicht als eine Art Community aufgestellt wurden.

Herr Pohl fragt welche Möglichkeit der Finanzierung geplant ist.

Herr BzStR Rehfeldt nimmt Bezug auf die Antwort zur KA 294/XXI „Als Anschubfinanzierung sind 2023 Mittel aus dem Netzwerk der Wärme, die von der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung bereitgestellt und vom Bezirksamtskollegium konkret für Safe Places vorgesehen worden sind, verwendet. Dazu wurde eine Zuwendung an den Träger My Way ausgereicht. Für das Haushaltsjahr 2024 hat die Bezirksverordnetenversammlung 70.000 Euro für die Safe Places zur Verfügung gestellt. Mit Blick auf die noch laufende Belegung der Pauschalen Minderausgabe sowie dem Austausch mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg zu einer dauerhaften Finanzierung können – wie bereits mehrfach im Sozialausschuss sowie in der BVV berichtet – derzeit noch keine abschließenden Angaben zur weiteren Finanzierungsart gemacht werden.“

Er betont, dass die Safe Places von Anfang an nicht als vorübergehende Erscheinung gedacht waren – es sei denn diese werden nicht mehr gebraucht. Geplant ist eine langfristig gesicherte Finanzierung unabhängig von politischen Entscheidungen. Die finale tagessatzgebundene Ausgestaltung der Finanzierung wird gerade kalkuliert und mit dem Träger abgestimmt.

Herr Stemmermann dankt für die Vorstellung. Für ihn klingt es nach einem sehr guten Projekt.

Er fragt nach dem Betreuungsschlüssel der Sozialarbeit (VZÄ) für die 6 Boxen, der Kooperation mit dem Unionhilfswerk und hat Fragen zur Finanzierung: 1. Was kostet das Projekt im Monat? 2. Bis wann reicht die Anschubfinanzierung? Nach seiner Meinung stehen Gelder im aktuellen Haushalt nicht zur Verfügung.

Herr Blöhm berichtet zur Kooperation mit dem Unionhilfswerk. Der Austausch ist sehr gut und My Way hat einen wertvollen Verbündeten gefunden. In der direkt anliegenden Kontakt- und Beratungsstelle kann ein Büroraum genutzt werden, die Bewohner können die Angebote nutzen und im Sommer ist eine Garten(mit)nutzung angedacht.

Herr Schulze ergänzt, dass er von dieser Unterstützung begeistert ist, denn „Träger sind sich nicht immer grün“.

Aktuell ist eine volle Stelle Sozialarbeit für die 6 Boxen zum Start des Projektes angesetzt. Wenn es etabliert ist, wird der Schlüssel sicher verringert werden können.

Herr BzStR Rehfeldt berichtet, dass er wegen der Kalkulation im Austausch mit dem Träger ist. Dieser reicht einen Tagessatz ein, der dann geprüft wird. Das ist ein übliches Verfahren. Er geht davon aus, dass ab März 2024 eine langfristig tragfähige Finanzierung über einen Tagessatz gesichert ist.

Die von der BVV beschlossenen Mittel sind anders als behauptet nicht weg, sondern aktuell mit einer Verfügungsbeschränkung belegt. Im Zuge der PMA Auflösung muss entschieden werden, was damit passiert. Dies ist jedoch abschließend erst nach Vorliegen des Jahresabschlusses möglich, also vermutlich im April.

Vielleicht sind die Mittel dann nicht in der Höhe oder auch gar nicht vorhanden. Daher hält Herr BzStR Rehfeldt eine weitere Finanzierung über Zuwendung auch nicht für das beste Vorgehen.

Frau Lanske fragt nach Sanitären Einrichtungen.

Herr Blöhm berichtet, dass 2 Dixi-Toiletten und eine Mülltonne zur Verfügung stehen. Ob ein Waschtisch aufgestellt werden kann, ist derzeit in Prüfung.

Herr Pohl fragt, ob Herr Rehfeldt für die Finanzierung und Verwendung der Haushaltsmittel ein Produkt im Kopf hat und mit dem Jobcenter in Abstimmung ist?

Herr BzStR Rehfeldt antwortet, dass es für die Safe Places kein eigenes Produkt gibt.

Mit dem Jobcenter ist er in Abstimmung. Da es bei vorliegender Erwerbsfähigkeit nicht darum geht, ob dieses leisten muss, bezieht sich die Abstimmung eher auf die örtliche Zuständigkeit ggf. Sonderzuständigkeit für die 6 Menschen. Bei berlinweiter Ausdehnung des Projektes ist dies bestenfalls nicht mehr die Frage.

Herr Pohl hakt nochmals nach und behauptet, dass SGB II und SBG XII Leistungen nicht selbstverständlich sind.

Herr BzStR Rehfeldt betont, dass es keine Probleme bei der rechtlichen Einschätzung bei der Leistung gibt. Da ist sich die Amtsleitungs- und Stadtratsebene einig.

Die Ausschussvorsitzende bedankt sich für die ausführliche Vorstellung und die Diskussion und schließt den TOP.


 
 

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