Auszug - Gespräch mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung Herrn Dipl.-Päd., M.A. Bernd Becking zu Themen - Aktuelle Arbeitsmarktsituation: Überblick, Entwicklung, Trends und Aussichten - Angebote für Unternehmen in der Region: Neue Stellen, Ausbildung und Qualifikation - Facharbeitermangel bzw. -bedarf
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Der Vorsitzende Herr Mahlo eröffnet die 13. Sitzung des Wirtschaftsausschusses und stellt fest, dass die Einladung allen Ausschussmitgliedern rechtzeitig zugegangen ist und Änderungswünsche zur Tagesordnung nicht bestehen. Herr Becking, Vorsitzender
der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Berlin-Süd seit November 2007,
berichtet, dass sich die Bundesagentur für Arbeit (BA) seit 2003 im
Reformprozess befindet, der auf die Zielsetzung ausgerichtet ist, bei den
Kernaufgaben Vermittlung, Beratung, Qualifizierung und Lohnersatzleistungen
eine höhere Wirkung und mehr Wirtschaftlichkeit zu erzielen. Im Hinblick auf
die Kundenzufriedenheit erhebt die BA als erster Dienstleister im SGB III den
Anspruch, bis 2010 bei den Arbeitnehmern eine Bewertung besser als 3 und bei
den Arbeitgebern eine Bewertung von besser als 2 zu erzielen. Die gegenwärtige
Beurteilung seitens der Arbeitgeber liegt zwischen 2,1 und 2,6. Weiterhin
strebt die BA im Wettbewerb eine Spitzenposition an und will langfristig
erreichen, dass sie bei der Vermittlung und Beratung wirkungsvoller und
wirtschaftlicher ist als der Durchschnitt privater Träger. Im Rahmen der Reformen
wurden auch die Organisationseinheiten der BA neu ausgerichtet. Die Zentrale
ist zuständig für Strategie und Zielsetzung, die Regionaldirektionen steuern
die Agenturen, die als unternehmerische Filialen das operative Geschäft
verantworten. Zur Erreichung der Organisationsziele, die Dienstleistung am
Kunden zu orientieren und wirksam und wirtschaftlich zu erbringen, wurde im
Zuge der Reformierung der BA auch ein enges Controlling eingeführt. Neben
statistischen Erhebungen gehört hierzu auch, dass die Agenturen unter einander
verglichen werden. Die Agentur für Arbeit Berlin-Süd befindet sich in einem
Cluster mit allen anderen Berliner Arbeitsagenturen sowie mit den Agenturen von
Nordrhein-Westfalen. Sie nimmt in diesem Cluster Platz 2 und unter allen 178
Agenturen Platz 27 ein. Als "Vision 2010" hat sich die BA zum Ziel
gesetzt, als in der Gesellschaft anerkannter moderner und leistungsstarker Dienstleister
zur sozialen Sicherheit von Menschen beizutragen. Dies orientiert an den
konkreten Zielen Verkürzung der Arbeitslosigkeit und Sicherung von Berufs- und
Beschäftigungschancen. Erste Erfolge sind insofern zu verzeichnen, als die BA
in 2007 Überschüsse von 18 Milliarden Euro verbuchen konnte, in 2007 der
Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 2,3 % auf 4,2 % gesenkt wurde und in
2008 um weitere 0,9 % auf 3,3 %. Die gesamte Agentur für
Arbeit Berlin-Süd und die angeschlossenen Jobcenter steuerten in 2007 einen
Geldfluss von insgesamt 277,8 Mio. Euro. Davon entfielen auf die Förderung von
Arbeit und Beschäftigung (SGB II) 161,6 Mio. Euro, berufliche Weiterbildung
11,1 Mio. Euro, Eingliederungszuschüsse 4,2 Mio. Euro,
Berufsausbildungsbeihilfe 8,7 Mio. Euro, berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen
4,3 Mio. Euro, Rehabilitation 26,3 Mio. Euro und Mittel zur Existenzgründung
30,8 Mio. Euro. An das Neuköllner Jobcenter
sind Mittel in Höhe von 73 Mio. Euro geflossen, hiervon wurden 95 %
ausgeschöpft. Es erfolgte die Förderung von insgesamt 37.326 Personen, darunter ·
Weiterbildungsmaßnamen
4.088 ·
Trainingmaßnahmen
3.238 ·
Vermittlung
durch Beauftragte Dritter 576 ·
Eingliederungszuschüsse
an Arbeitgeber 1.244 ·
Integrationsbemühungen
für AL mit Hemmnissen 14.873 ·
Gründungszuschuss
389 Die Frage nach dem Erfolg
dieser Fördermaßnahmen kann nicht so ohne weiteres beantwortet werden, da der
Erfolg im Bereich des SGB II nicht immer in Form von Integration in Arbeit
messbar ist. Insgesamt gab es in 2007 im gesamten Bereich der Arbeitsagentur
Berlin-Süd 3.792 geförderte Integrationen. Die Arbeitslosenquote in
Neukölln im Januar 2008 beträgt 20,6 %, was einem Rückgang von 1 % im
Vergleich zum Vorjahresmonat entspricht. Der Bestand von 29.500 Arbeitslosen im
Januar 2008 ist gegenüber Januar 2007 um 4,1 % gesunken. Gleichwohl bleibt die
Langzeitarbeitslosigkeit auf einem ausgesprochen hohen Niveau. Auch gibt es
eine erhebliche Diskrepanz zwischen freien Stellen mit hohen
Anforderungsprofilen sowie gering qualifizierten Arbeitslosen. Lokal, regional
und sektoral besteht weiter Fachkräftebedarf. In 2007 waren das verarbeitende
Gewerbe (22 %), der Handel (17 %) sowie das Gesundheits- und Sozialwesen (15 %)
die Branchen mit den höchsten Beschäftigungszahlen. Stellenzugänge waren in
2007 insbesondere in Dienstleistungs-, Fertigungs- und Gesundheitsberufen zu
verzeichnen. Für den Arbeitsmarkt 2008 wird eine verstärkte Nachfrage im
Dienstleistungssektor, insbesondere im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung,
Reinigung, Sicherheit, Friseure und Callcenter sowie in der Gesundheits- und
Pflegebranche erwartet. In Letzterer scheint vor allem die ambulante Pflege ein
Zukunftsmarkt zu sein. Denn die Nachfrage nach examinierten Kranken- und
Altenpflegepersonal ist hoch. Im Rahmen des Reformprozesses
hat die BA auch eine stärkere Arbeitgeberorientierung erfahren. Der
Arbeitgeber-Service Berlin-Süd besteht aus sieben Teams die für die Bereiche
SGB II und III arbeiten. Ziele des Arbeitgeber-Services ist die Stellung als
kompetenter Partner am Arbeitsmarkt, die Erhöhung der Kundenzufriedenheit, hohe
Leistungsfähigkeit, wirtschaftliches und effizientes Arbeiten sowie der
schnelle und qualitativ hochwertige Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Das
Dienstleistungsangebot des Arbeitgeber-Services umfasst ·
Service aus
einer Hand ·
passgenaue
Vermittlung, gezielte Auswahl und Vermittlung von qualifizierten Bewerbern mit
einer vereinbarten Anzahl an Vermittlungsvorschlägen ·
fundiertes
Wissen über einen überregionalen Bewerberpool ·
Bewerbervorauswahl
zur Zeit- und Kostenersparnis für die Unternehmen ·
Durchführung
von Vermittlungs- und Arbeitgeberbörsen ·
Beratung zu
möglichen Arbeitgeberleistungen ·
Qualifizierung
für unternehmensspezifische Bedarfe ·
kostenlose
Veröffentlichung von Stellenangeboten auf Deutschlands größter
Internetstellenbörse ·
Beteiligung von
Psychologen der BA bei Auswahlverfahren und Einstellungen ·
Beratung zur
Personalplanung der Unternehmen durch ständige Beobachtung des Arbeitsmarktes
und den Abgleich von Angebot und Nachfrage in der jeweiligen Branche ·
umfassende
Beratung zu Fördermöglichkeiten bei vorhandenen Minderleistungen und Defiziten
der Bewerber ·
Herausgabe
eines Arbeitgeber-Newsletter Zu den Qualitätsstandards
des Arbeitsgeber-Services gehört ·
die
qualifizierte Erstreaktion innerhalb von 48 Stunden ·
Bewerberkontakt
vor Vermittlungsvorschlag zur Einschätzung der Motivation und Eignung ·
Einhaltung von
Vereinbarungen (Anzahl der Vermittlungsvorschläge, Qualifikation, alternative
Berufsabschlüsse) ·
persönliche
Erreichbarkeit für Arbeitgeber ·
qualifizierte
Aufnahme von Stellenangeboten ·
Nachbetreuung
und Abfrage der Zufriedenheit mit den Dienstleistungen des Arbeitgeber-Services Auf lobenden Hinweis von
Herrn Mahlo auf den Arbeitgeber-Service bestätigt Herr Buschkowsky, dass dieser
auch tatsächlich auf Resonanz bei den Unternehmen stößt. Während das Arbeitsamt
früher bei den lokalen Unternehmensgesprächen oftmals in der Kritik stand, wird
die Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur jetzt von den Firmen positiv
bewertet. Problematisch ist nach wie
vor, dass es in Neukölln ein festes Gefüge von rund 80.000 Hartz IV-Empfängern
gibt. Der Anteil der Bedarfgemeinschaften ist im Vergleich zum Vorjahr um
3,6 % und damit nur maginal zurückgegangen. Insoweit ist das in Neukölln
zu verzeichnende Spannungsfeld der Vollbeschäftigung auf dem ersten
Arbeitsmarkt auf der einen Seite und der hier vorhandenen höchsten Hartz
IV-Dichte in ganz Deutschlang auf der anderen Seite noch immer bittere
gesellschaftliche Realität. Ohne den zweiten und dritten Arbeitsmarkt wird ein
erheblicher Anteil der Neuköllner Erwerbsfähigen nicht in Beschäftigung
gebracht werden können. Zweiter großer Problemkreis ist der Bereich der
Ausbildung. Hier führen die Unternehmen unisono Klage, dass immer mehr junge
Menschen selbst einfachste Satzbildung und die Grundrechenarten nicht
beherrschen. Herr Mahlo teilt die Sorge
um die zunehmend mangelnde Grundqualifikation Jugendlicher und verteilt
Informationsmaterial über ein von der Fachgemeinschaft Bau Berlin und
Brandenburg geplantes Projekt für schwervermittelbare Jugendliche ohne
Berufsabschluss und ohne Chance auf einen regulären Ausbildungsplatz. Um diesen
Jugendlichen eine Chance zu geben, will die Fachgemeinschaft Bau ein an ihren
Lehrbauhof in Marienfelde angeschlossenes Internat aufbauen, an dem die
Jugendlichen einen Schulabschluss nachholen und eine Schulausbildung
absolvieren können. Auf Nachfrage erklären die Vertreter der Arbeitsagentur,
dass sie das Projekt hinsichtlich der Errichtung und der Unterhaltung eines
solchen Internats nicht unterstützen können. Eine Förderung könnte
gegebenenfalls nur mit den vorhanden Arbeitsmarktinstrumenten erfolgen. Frau
Dr. Stelz gibt zu Protokoll, dass sie das Projekt aus inhaltlichen Gründen
ablehnt. Auf Nachfrage von Herrn
Scharmberg erläutert Herr Bielert, dass die Nachfrage nach Auszubildenden in
allen Qualifikationsniveaus zu verzeichnen ist. Das Problem ist nur, dass die
Frage der Qualifikation sich nicht nur am Zeugnis, sondern auch an den sozialen
Fertigkeiten, den sogenannten Soft Skills festmachen lässt. Um das Problem der
Jugendarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, werden sich die
Arbeitsagenturen verstärkt um diejenigen jungen Menschen kümmern müssen, denen
es hieran mangelt. Dies wird allerdings nicht über die klassische duale
Ausbildung erfolgen können. Zum Arbeitgeber-Service
gehört im Übrigen mittlerweile die Vermittlung von Auszubildenden. Nicht
zuletzt weil sie erkannt haben, dass der Fachkräftemangel auch hausgemachte
Gründe hat, sind die Unternehmen bereit, auszubilden. Allerdings bereitet ihnen
die Akquise von Auszubildenden oftmals Probleme. Herr Mahlo und Herr
Kleinschmidt berichten in diesem Zusammenhang, das sie in ihren Betrieben gute
Erfahrungen mit Schülerpraktika gemacht haben. Herr Becking bestätigt, dass die
Schulen die Brücke in die Berufswelt schlagen und die Schüler schon früher als
jetzt auf die Berufsorientierung vorbereitet werden müssen. Eine Beschäftigung
hiermit im letzten Schuljahr hält er für verspätet, hiermit sollte spätestens
zwei Jahre vor Schulabschluss begonnen werden. Frau Dr. Stelz berichtet,
dass nach ihren Erfahrungen die im Internet veröffentlichte Stellenbörse der
Arbeitsagentur oft nicht aktuell ist. Sie vermisst die nachbereitende Abfrage
nach der Kundenzufriedenheit mit der Dienstleistung, wie sie Arbeitgebern
gegenüber erfolgt, auf der Arbeitnehmerseite. Weiterhin kritisiert sie, dass
die Arbeitsagenturen bei der Vermittlung in Arbeit auch Zeitarbeitsfirmen bedienen,
die wiederum in Niedriglohnbereiche wie z. B. in Callcenter vermitteln, die
oftmals in rechtlichen Grauzonen operieren. Herr Becking erläutert zunächst,
dass es den Arbeitgebern obliegt, nicht mehr freie Stellen in der Stellenbörse
des Internets zu löschen, und bestätigt, dass eine standardmäßige Abfrage nach
der Zufriedenheit der Arbeitnehmern nicht vorgenommen wird. Gleichwohl haben
diese über das Instrument der Kundenbefragung die Möglichkeit, nach einer
Beurteilung der Arbeitsagentur. Hinsichtlich der Zeitarbeitsfirmen hält er
nichts von einer pauschalen Diabolisierung dieser Unternehmen. Die
Arbeitsagenturen setzen gewisse Qualitätsstandards fest, die Firmen erfüllen
müssen wie z. B. Tariftreue oder pünktliche Lohnzahlungen. Ansonsten mischen sich
die Arbeitsagenturen aber nicht in andere Arbeitgeber-/Arbeitnehmerverhältnisse
ein. Im Übrigen erhalten 30 bis Herr Buschkowsky ergänzt,
dass Zeitarbeit im übrigen Europa eine anerkannte Branche ist, die eine ganz
andere Bedeutung als hier hat. In anderen europäischen Ländern wird Zeitarbeit
von jungen qualifizierten Arbeitnehmern zur Erweiterung ihres Berufshorizonts
ganz bewusst genutzt. Weiterhin wendet sich Herr Buschkowsky gegen eine
pauschale Kriminalisierung von Callentern. Es gibt viele seriöse Callcenter,
die mit Stundenlöhnen von 9 bis 12 Euro nicht im Niedriglohnbereich angesiedelt
sind und z. B. den Vorteil familienkonformer Arbeitszeiten bieten. Frau Dr. Stelz wollte mit
ihrer Kritik nicht alle Callcenter pauschal in ein negatives Licht rücken.
Selbstverständlich ist ihr bekannt, dass es auch viele seriöse Unternehmen
dieser Art gibt. Ihr ist aber von einem Arbeitslosen berichtet worden, dass er
in ein Callcenter vermittelt wurde, das im Grunde genommen wie eine moderne Drückerkolonne
arbeitet. Nachdem er sich geweigert hat, dort weiterhin tätig zu sein, hat er
Probleme mit der Arbeitsagentur bekommen. Außerdem kann es nicht abgesprochen
werden, dass das Lohnniveau in vielen Branchen so niedrig ist, dass das
Lohngefüge einfach nicht mehr stimmt. Auf Nachfrage von Herrn
Voigt, wie viele Aufstocker es aus dem Kreis der in Zeitarbeitsfirmen
Vermittelten gibt, bittet Herr Becking um Verständnis, dass es hierfür insofern
keine Erhebungen gibt, als hieraus keine operativen Erkenntnisse gewonnen
werden können. Herr Buschkowsky erläutert, dass Aufstocker nicht neu sind, im
alten Sozialhilfesystem waren es die Menschen, die ergänzende Sozialhilfe
erhielten. Aus seiner Sicht ist es überaus positiv zu beurteilen, dass sich
Menschen in eine Beschäftigung begeben, die unterhalb des Hartz IV-Niveaus für
ihre Familie entlohnt wird. Im Übrigen sind 15.000 Bedienstete des öffentlichen
Dienstes in Berlin Aufstocker. |
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