Auszug - Gespräch mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung Herrn Dipl.-Päd., M.A. Bernd Becking zu Themen - Aktuelle Arbeitsmarktsituation: Überblick, Entwicklung, Trends und Aussichten - Angebote für Unternehmen in der Region: Neue Stellen, Ausbildung und Qualifikation - Facharbeitermangel bzw. -bedarf  

 
 
13. öffentliche Sitzung des Wirtschaftsausschusses
TOP: Ö 1
Gremium: Wirtschaftsausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 05.02.2008 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 17:00 - 19:45 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Agentur für Arbeit Berlin Süd, 7. OG, Raum 741
Ort: Sonnenallee 282, 12057 Berlin
 
Beschluss

Der Vorsitzende Herr Mahlo eröffnet die 13

Der Vorsitzende Herr Mahlo eröffnet die 13. Sitzung des Wirtschaftsausschusses und stellt fest, dass die Einladung allen Ausschussmitgliedern rechtzeitig zugegangen ist und Änderungswünsche zur Tagesordnung nicht bestehen.

 

 

Herr Becking, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Berlin-Süd seit November 2007, berichtet, dass sich die Bundesagentur für Arbeit (BA) seit 2003 im Reformprozess befindet, der auf die Zielsetzung ausgerichtet ist, bei den Kernaufgaben Vermittlung, Beratung, Qualifizierung und Lohnersatzleistungen eine höhere Wirkung und mehr Wirtschaftlichkeit zu erzielen. Im Hinblick auf die Kundenzufriedenheit erhebt die BA als erster Dienstleister im SGB III den Anspruch, bis 2010 bei den Arbeitnehmern eine Bewertung besser als 3 und bei den Arbeitgebern eine Bewertung von besser als 2 zu erzielen. Die gegenwärtige Beurteilung seitens der Arbeitgeber liegt zwischen 2,1 und 2,6. Weiterhin strebt die BA im Wettbewerb eine Spitzenposition an und will langfristig erreichen, dass sie bei der Vermittlung und Beratung wirkungsvoller und wirtschaftlicher ist als der Durchschnitt privater Träger.

 

Im Rahmen der Reformen wurden auch die Organisationseinheiten der BA neu ausgerichtet. Die Zentrale ist zuständig für Strategie und Zielsetzung, die Regionaldirektionen steuern die Agenturen, die als unternehmerische Filialen das operative Geschäft verantworten. Zur Erreichung der Organisationsziele, die Dienstleistung am Kunden zu orientieren und wirksam und wirtschaftlich zu erbringen, wurde im Zuge der Reformierung der BA auch ein enges Controlling eingeführt. Neben statistischen Erhebungen gehört hierzu auch, dass die Agenturen unter einander verglichen werden. Die Agentur für Arbeit Berlin-Süd befindet sich in einem Cluster mit allen anderen Berliner Arbeitsagenturen sowie mit den Agenturen von Nordrhein-Westfalen. Sie nimmt in diesem Cluster Platz 2 und unter allen 178 Agenturen Platz 27 ein. Als "Vision 2010" hat sich die BA zum Ziel gesetzt, als in der Gesellschaft anerkannter moderner und leistungsstarker Dienstleister zur sozialen Sicherheit von Menschen beizutragen. Dies orientiert an den konkreten Zielen Verkürzung der Arbeitslosigkeit und Sicherung von Berufs- und Beschäftigungschancen. Erste Erfolge sind insofern zu verzeichnen, als die BA in 2007 Überschüsse von 18 Milliarden Euro verbuchen konnte, in 2007 der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 2,3 % auf 4,2 % gesenkt wurde und in 2008 um weitere 0,9 % auf 3,3 %.

 

Die gesamte Agentur für Arbeit Berlin-Süd und die angeschlossenen Jobcenter steuerten in 2007 einen Geldfluss von insgesamt 277,8 Mio. Euro. Davon entfielen auf die Förderung von Arbeit und Beschäftigung (SGB II) 161,6 Mio. Euro, berufliche Weiterbildung 11,1 Mio. Euro, Eingliederungszuschüsse 4,2 Mio. Euro, Berufsausbildungsbeihilfe 8,7 Mio. Euro, berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen 4,3 Mio. Euro, Rehabilitation 26,3 Mio. Euro und Mittel zur Existenzgründung 30,8 Mio. Euro.

 

An das Neuköllner Jobcenter sind Mittel in Höhe von 73 Mio. Euro geflossen, hiervon wurden 95 % ausgeschöpft. Es erfolgte die Förderung von insgesamt 37.326 Personen, darunter

 

·        Weiterbildungsmaßnamen 4.088

·        Trainingmaßnahmen 3.238

·        Vermittlung durch Beauftragte Dritter 576

·        Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber 1.244

·        Integrationsbemühungen für AL mit Hemmnissen 14.873

·        Gründungszuschuss 389

 

Die Frage nach dem Erfolg dieser Fördermaßnahmen kann nicht so ohne weiteres beantwortet werden, da der Erfolg im Bereich des SGB II nicht immer in Form von Integration in Arbeit messbar ist. Insgesamt gab es in 2007 im gesamten Bereich der Arbeitsagentur Berlin-Süd 3.792 geförderte Integrationen.

 

Die Arbeitslosenquote in Neukölln im Januar 2008 beträgt 20,6 %, was einem Rückgang von 1 % im Vergleich zum Vorjahresmonat entspricht. Der Bestand von 29.500 Arbeitslosen im Januar 2008 ist gegenüber Januar 2007 um 4,1 % gesunken. Gleichwohl bleibt die Langzeitarbeitslosigkeit auf einem ausgesprochen hohen Niveau. Auch gibt es eine erhebliche Diskrepanz zwischen freien Stellen mit hohen Anforderungsprofilen sowie gering qualifizierten Arbeitslosen. Lokal, regional und sektoral besteht weiter Fachkräftebedarf. In 2007 waren das verarbeitende Gewerbe (22 %), der Handel (17 %) sowie das Gesundheits- und Sozialwesen (15 %) die Branchen mit den höchsten Beschäftigungszahlen. Stellenzugänge waren in 2007 insbesondere in Dienstleistungs-, Fertigungs- und Gesundheitsberufen zu verzeichnen. Für den Arbeitsmarkt 2008 wird eine verstärkte Nachfrage im Dienstleistungssektor, insbesondere im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, Reinigung, Sicherheit, Friseure und Callcenter sowie in der Gesundheits- und Pflegebranche erwartet. In Letzterer scheint vor allem die ambulante Pflege ein Zukunftsmarkt zu sein. Denn die Nachfrage nach examinierten Kranken- und Altenpflegepersonal ist hoch.

 

Im Rahmen des Reformprozesses hat die BA auch eine stärkere Arbeitgeberorientierung erfahren. Der Arbeitgeber-Service Berlin-Süd besteht aus sieben Teams die für die Bereiche SGB II und III arbeiten. Ziele des Arbeitgeber-Services ist die Stellung als kompetenter Partner am Arbeitsmarkt, die Erhöhung der Kundenzufriedenheit, hohe Leistungsfähigkeit, wirtschaftliches und effizientes Arbeiten sowie der schnelle und qualitativ hochwertige Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Das Dienstleistungsangebot des Arbeitgeber-Services umfasst

 

·        Service aus einer Hand

·        passgenaue Vermittlung, gezielte Auswahl und Vermittlung von qualifizierten Bewerbern mit einer vereinbarten Anzahl an Vermittlungsvorschlägen

·        fundiertes Wissen über einen überregionalen Bewerberpool

·        Bewerbervorauswahl zur Zeit- und Kostenersparnis für die Unternehmen

·        Durchführung von Vermittlungs- und Arbeitgeberbörsen

·        Beratung zu möglichen Arbeitgeberleistungen

·        Qualifizierung für unternehmensspezifische Bedarfe

·        kostenlose Veröffentlichung von Stellenangeboten auf Deutschlands größter Internetstellenbörse

·        Beteiligung von Psychologen der BA bei Auswahlverfahren und Einstellungen

·        Beratung zur Personalplanung der Unternehmen durch ständige Beobachtung des Arbeitsmarktes und den Abgleich von Angebot und Nachfrage in der jeweiligen Branche

·        umfassende Beratung zu Fördermöglichkeiten bei vorhandenen Minderleistungen und Defiziten der Bewerber

·        Herausgabe eines Arbeitgeber-Newsletter

 

Zu den Qualitätsstandards des Arbeitsgeber-Services gehört

 

·        die qualifizierte Erstreaktion innerhalb von 48 Stunden

·        Bewerberkontakt vor Vermittlungsvorschlag zur Einschätzung der Motivation und Eignung

·        Einhaltung von Vereinbarungen (Anzahl der Vermittlungsvorschläge, Qualifikation, alternative Berufsabschlüsse)

·        persönliche Erreichbarkeit für Arbeitgeber

·        qualifizierte Aufnahme von Stellenangeboten

·        Nachbetreuung und Abfrage der Zufriedenheit mit den Dienstleistungen des Arbeitgeber-Services

 

Auf lobenden Hinweis von Herrn Mahlo auf den Arbeitgeber-Service bestätigt Herr Buschkowsky, dass dieser auch tatsächlich auf Resonanz bei den Unternehmen stößt. Während das Arbeitsamt früher bei den lokalen Unternehmensgesprächen oftmals in der Kritik stand, wird die Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur jetzt von den Firmen positiv bewertet.

 

Problematisch ist nach wie vor, dass es in Neukölln ein festes Gefüge von rund 80.000 Hartz IV-Empfängern gibt. Der Anteil der Bedarfgemeinschaften ist im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 % und damit nur maginal zurückgegangen. Insoweit ist das in Neukölln zu verzeichnende Spannungsfeld der Vollbeschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt auf der einen Seite und der hier vorhandenen höchsten Hartz IV-Dichte in ganz Deutschlang auf der anderen Seite noch immer bittere gesellschaftliche Realität. Ohne den zweiten und dritten Arbeitsmarkt wird ein erheblicher Anteil der Neuköllner Erwerbsfähigen nicht in Beschäftigung gebracht werden können. Zweiter großer Problemkreis ist der Bereich der Ausbildung. Hier führen die Unternehmen unisono Klage, dass immer mehr junge Menschen selbst einfachste Satzbildung und die Grundrechenarten nicht beherrschen.

 

Herr Mahlo teilt die Sorge um die zunehmend mangelnde Grundqualifikation Jugendlicher und verteilt Informationsmaterial über ein von der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg geplantes Projekt für schwervermittelbare Jugendliche ohne Berufsabschluss und ohne Chance auf einen regulären Ausbildungsplatz. Um diesen Jugendlichen eine Chance zu geben, will die Fachgemeinschaft Bau ein an ihren Lehrbauhof in Marienfelde angeschlossenes Internat aufbauen, an dem die Jugendlichen einen Schulabschluss nachholen und eine Schulausbildung absolvieren können. Auf Nachfrage erklären die Vertreter der Arbeitsagentur, dass sie das Projekt hinsichtlich der Errichtung und der Unterhaltung eines solchen Internats nicht unterstützen können. Eine Förderung könnte gegebenenfalls nur mit den vorhanden Arbeitsmarktinstrumenten erfolgen. Frau Dr. Stelz gibt zu Protokoll, dass sie das Projekt aus inhaltlichen Gründen ablehnt.

 

Auf Nachfrage von Herrn Scharmberg erläutert Herr Bielert, dass die Nachfrage nach Auszubildenden in allen Qualifikationsniveaus zu verzeichnen ist. Das Problem ist nur, dass die Frage der Qualifikation sich nicht nur am Zeugnis, sondern auch an den sozialen Fertigkeiten, den sogenannten Soft Skills festmachen lässt. Um das Problem der Jugendarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, werden sich die Arbeitsagenturen verstärkt um diejenigen jungen Menschen kümmern müssen, denen es hieran mangelt. Dies wird allerdings nicht über die klassische duale Ausbildung erfolgen können.

 

Zum Arbeitgeber-Service gehört im Übrigen mittlerweile die Vermittlung von Auszubildenden. Nicht zuletzt weil sie erkannt haben, dass der Fachkräftemangel auch hausgemachte Gründe hat, sind die Unternehmen bereit, auszubilden. Allerdings bereitet ihnen die Akquise von Auszubildenden oftmals Probleme. Herr Mahlo und Herr Kleinschmidt berichten in diesem Zusammenhang, das sie in ihren Betrieben gute Erfahrungen mit Schülerpraktika gemacht haben. Herr Becking bestätigt, dass die Schulen die Brücke in die Berufswelt schlagen und die Schüler schon früher als jetzt auf die Berufsorientierung vorbereitet werden müssen. Eine Beschäftigung hiermit im letzten Schuljahr hält er für verspätet, hiermit sollte spätestens zwei Jahre vor Schulabschluss begonnen werden.

 

Frau Dr. Stelz berichtet, dass nach ihren Erfahrungen die im Internet veröffentlichte Stellenbörse der Arbeitsagentur oft nicht aktuell ist. Sie vermisst die nachbereitende Abfrage nach der Kundenzufriedenheit mit der Dienstleistung, wie sie Arbeitgebern gegenüber erfolgt, auf der Arbeitnehmerseite. Weiterhin kritisiert sie, dass die Arbeitsagenturen bei der Vermittlung in Arbeit auch Zeitarbeitsfirmen bedienen, die wiederum in Niedriglohnbereiche wie z. B. in Callcenter vermitteln, die oftmals in rechtlichen Grauzonen operieren. Herr Becking erläutert zunächst, dass es den Arbeitgebern obliegt, nicht mehr freie Stellen in der Stellenbörse des Internets zu löschen, und bestätigt, dass eine standardmäßige Abfrage nach der Zufriedenheit der Arbeitnehmern nicht vorgenommen wird. Gleichwohl haben diese über das Instrument der Kundenbefragung die Möglichkeit, nach einer Beurteilung der Arbeitsagentur. Hinsichtlich der Zeitarbeitsfirmen hält er nichts von einer pauschalen Diabolisierung dieser Unternehmen. Die Arbeitsagenturen setzen gewisse Qualitätsstandards fest, die Firmen erfüllen müssen wie z. B. Tariftreue oder pünktliche Lohnzahlungen. Ansonsten mischen sich die Arbeitsagenturen aber nicht in andere Arbeitgeber-/Ar­beitnehmerverhältnisse ein. Im Übrigen erhalten 30 bis
40 % der Zeitarbeitstätigen nach nicht allzu langer Zeit eine Beschäftigung in den Unternehmen, zu denen sie entliehen wurden. Nach Informationen der Metallbranche gehen dort sogar 60 bis 70 % der Mitarbeiter aus Zeitarbeitsfirmen in feste Beschäftigungsverhältnisse über.

 

Herr Buschkowsky ergänzt, dass Zeitarbeit im übrigen Europa eine anerkannte Branche ist, die eine ganz andere Bedeutung als hier hat. In anderen europäischen Ländern wird Zeitarbeit von jungen qualifizierten Arbeitnehmern zur Erweiterung ihres Berufshorizonts ganz bewusst genutzt. Weiterhin wendet sich Herr Buschkowsky gegen eine pauschale Kriminalisierung von Callentern. Es gibt viele seriöse Callcenter, die mit Stundenlöhnen von 9 bis 12 Euro nicht im Niedriglohnbereich angesiedelt sind und z. B. den Vorteil familienkonformer Arbeitszeiten bieten.

 

Frau Dr. Stelz wollte mit ihrer Kritik nicht alle Callcenter pauschal in ein negatives Licht rücken. Selbstverständlich ist ihr bekannt, dass es auch viele seriöse Unternehmen dieser Art gibt. Ihr ist aber von einem Arbeitslosen berichtet worden, dass er in ein Callcenter vermittelt wurde, das im Grunde genommen wie eine moderne Drückerkolonne arbeitet. Nachdem er sich geweigert hat, dort weiterhin tätig zu sein, hat er Probleme mit der Arbeitsagentur bekommen. Außerdem kann es nicht abgesprochen werden, dass das Lohnniveau in vielen Branchen so niedrig ist, dass das Lohngefüge einfach nicht mehr stimmt.

 

Auf Nachfrage von Herrn Voigt, wie viele Aufstocker es aus dem Kreis der in Zeitarbeitsfirmen Vermittelten gibt, bittet Herr Becking um Verständnis, dass es hierfür insofern keine Erhebungen gibt, als hieraus keine operativen Erkenntnisse gewonnen werden können. Herr Buschkowsky erläutert, dass Aufstocker nicht neu sind, im alten Sozialhilfesystem waren es die Menschen, die ergänzende Sozialhilfe erhielten. Aus seiner Sicht ist es überaus positiv zu beurteilen, dass sich Menschen in eine Beschäftigung begeben, die unterhalb des Hartz IV-Niveaus für ihre Familie entlohnt wird. Im Übrigen sind 15.000 Bedienstete des öffentlichen Dienstes in Berlin Aufstocker.

 


 
 

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