Auszug - Präventionsstrategien gegen Homophobie in Neukölln  

 
 
59. öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 3
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 03.06.2021 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 18:20 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Videositzung
Ort:
 
Beschluss


Anlässlich dieses Tagesordnungspunktes bittet der stellvertretende Ausschussvorsitzende Herrn BzStR Liecke um einige einleitende Worte. Dieser weist darauf hin, dass diese Thematik bereits mehrfach im Jugendhilfeausschuss angeschnitten wurde und heute ein konkreter Überblick durch Herrn Bandt und Herrn Thoma gegeben wird.

 

Herr Bandt macht zunächst deutlich, dass die Thematik Präventionsstrategie gegen Homophobie in Neukölln nicht allein ein Thema des Jugendamtes ist und heute der Focus auf der Jugendarbeit bzw. der Jugendsozialarbeit liegt. Aber auch in allen anderen Bereichen des Jugendamtes gibt es Berührungspunkte.

 

Im Jahr 2018 gab es eine Studie des Deutschen Jugendinstituts zum Thema „Was brauchen queere Jugendliche?“. Im Ergebnis gaben 55% der Befragten an, Beschimpfungen ausgesetzt zu sein. Queere Jugendliche sind statistisch gesehen auch häufiger von Obdachlosigkeit betroffen und empfinden in den Bereichen Schule, Ausbildung und Beruf Diskriminierung. Das Thema „Freizeit“ hat eine große Bedeutung. Queere Jugendlichen gaben an, Bedarf an einem gegenseitigen Austausch in geschütztem Raum zu haben.

 

Anschließend berichtet Herr Thoma berichtet über das „Netzwerk gegen Trans- und Homophobie“, dass mindestens viermal pro Jahr auf Einladung des Jugendamtes tagt.

 

Vertreten sind unter anderem das Jugendamt, Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen, Streetworkende, die Gleichstellungsbeauftragte, Initiativen und Vereine (u. a. Schwulenberatung, MANEO, LSVD, Bundesverband Trans, Cultures Interacitve), Queere Treffpunkte in Neukölln (SchwuZ, Silverfuture, Jugendtreff Q*ube) sowie die Polizei (LSBTIQ-Beauftragte, Opferschutzbeauftragter, Abschnitt 55, OGJ).

Das Netzwerk trifft sich seit Mai 2018 auf Einladung des Jugendamtes Neukölln. Anlass war die Zunahme von in Teilen brutalen trans- und homophoben Übergriffen in Neukölln. Das Ende des vergangenen Jahres von Camino vorgelegte Monitoring zu trans- und homophober Gewalt verdeutlicht, wie wichtig die Runde auch heute noch ist.

Folgende inhaltliche Punkte wurden in Bezug auf das Netzwerk festgelegt:

 

  1. Das Netzwerk versteht sich als Fachgremium, dass in Bezug auf queere Themen auch beratend tätig sein kann. Bei Anfragen von Seiten der Politik möchte das Gremium gerne beratend tätig werden.
  2. Es handelt sich um ein Netzwerk, in dem die verschiedenen Projekte und Akteure in ihrer Unterschiedlichkeit Bezug aufeinander nehmen können.
  3. Die Teilnehmenden des Netzwerkes bekennen sich zur Diversität Neuköllns.
  4. Das Netzwerk dient zum Austausch, zur Initiierung gemeinsamen Handelns - und der Erarbeitung gemeinsamer Strategien.
  5. Der Fokus der Arbeit des Netzwerkes liegt im Bereich „Jugend“ - das soziale Umfeld, Elternarbeit etc. werden jedoch nicht außer Acht gelassen.
  6. Ziel ist es, mit gemeinsamen Aktionen und Aktivitäten, beispielsweise in Form der Jugenddisko QueerZ, an die Öffentlichkeit zu treten.
  7. Bei identifizierten Problemlagen oder Bedarfen können sich einzelne Netzwerkpartner (z. B. Polizei mit Jugendförderung) für Aktionen oder Bildungsveranstaltungen zusammenfinden und dafür den Namen und die Logoleiste des Netzwerkes verwenden.

Seit vergangenem Jahr wird die Runde durch die erfahrenen Großgruppenmoderatorin Britta Loschke moderiert. Dies hat nochmal zu einer deutlichen qualitativen Verbesserung des Gremiums geführt.

Des Weiteren informiert Herr Thoma über das Netzwerkfondsprojekt „Junge, Junge“, dass noch bis Juni 2022 mit dem Ziel, geschlechterreflektierte Jungenarbeit in Neukölln nachhaltig zu etablieren, läuft. Träger des Projektes ist Cultures Interactive. Ein wichtiger Grund für die Initiierung dieses Projektes war die weit verbreitete trans- und homophobie und Sexismus unter Neuköllner Jugendlichen. Dieses Netzwerkfondsprojekt soll präventiv und nachhaltig arbeiten und Alternativen zu bisherigen Strategien der Gewaltprävention erproben. Das Projekt will „an die Wurzeln“ vieler Problem gehen und setzt bei problematischen Männlichkeits- und Rollenbildern an. Derzeit werden im Rahmen des Projektes 20 Neuköllner Pädagogen und Pädagoginnen in einer 20tägigen Fortbildung zu diskriminierungssensiblen, geschlechterreflektierten Jungenarbeiterinnen bzw. Jungenarbeitern geschult.

Anschließend berichtet Herr Thoma mit Blick auf das QueerZ – Club. Youth. Festival, dass die queere Jugenddisko QueerZ pandemiebedingt etwas schleppend anlief. Trotzdem fanden bereits drei Veranstaltungen (im SchwuZ, digital und Open Air in der JFE Lessinghöhe) statt – für dieses Jahr stehen noch zwei queere Jugenddiskos - Open Air in der Kinderwelt am Feld und hoffentlich wieder im SchwuZ - an. Die Queerz ist eine Kooperationsveranstaltung des LSVDs, dem SchwuZ – und dem Jugendamt Neukölln und ist für queere Jugendliche von 14 bis 21 und ihre Freundinnen bzw. Freunde gedacht. Das wichtigste Ziel der Veranstaltung ist Empowerment. Dabei sollen die Jugendlichen die Chance haben, sich mit Peers zu treffen, die in einer ähnlichen Situation sind. Sie lernen auf einem „Markt der Möglichkeiten“ Projekte mit deren Angeboten kennen, die für sie ansprechbar sind. Die Jugendlichen haben außerdem die Möglichkeit, mit Hilfe von Workshopangeboten zu reflektieren und bestärkt zu werden. Das Bühnenprogramm soll ebenfalls starke Menschen aus der Community zeigen, die einen Vorbildcharakter haben und dabei noch unterhalten.

Dieses Jahr soll verstärkt mit Jugendfreizeiteinrichtungen aus Neukölln kooperiert werden. Mit einigen Einrichtungen wie der Schilleria, dem MaDonna, dem Reachina und dem Q*ube klappt dies bereits ganz hervorragend.

Auch die Leitlinien für die Neuköllner Kinder- und Jugendarbeit widmen sich in der Leitlinie 3 dem Thema „Geschlechterreflektierte Jugendarbeit“. Darin heißt es:

„Dazu gehört, dass vielfältige geschlechtliche Identitäten uns sexuelle Lebensweisen junger Menschen sichtbar gemacht und gestärkt werden“ und weiter: „Ziel muss auch das Empowerment von lesbischen, schwulen, trans-, queer- und intergeschlechtlichen jungen Menschen sein. Geschütze Gruppen, Räume und Angebote sind nötig. Vernetzungs- und Beratungsangebote müssen geschaffen, Coming-Out-Prozesse unterstützt, Hilfe bei Diskriminierung und Mobbing sichergestellt werden“. Das neue queere Jugendzentrum „Q*ube“ ist hierbei sicherlich ein wichtiger Baustein. Ebenso wie „Queers & Friends“ im Reachina und der queere Filmeabend im UFO.

Zwei wesentliche Bausteine sind im Rahmen einer Strategie gegen Homophobie die Aufklärung von Jugendlichen und das Empowerment queerer Jugendlichen.

Abschließend weist Herr Thoma auf den Bedarf einer Regelfinanzierung des queeren Jugendzentrums hin und macht auch deutlich, dass es sich nicht allein um einen Themenkomplex des Jugendamtes handelt und hier der Bedarf nach einem Queer-Beauftragten im Bezirksamt Neukölln besteht.

 

Herr Tekin von den „Berliner Jungs“ fügt hinzu, dass sexuelle Minderheiten eine vulnerable Gruppe im Bereich der sexualisierten Gewalt sind.

Herr Adler berichtet, dass seitens der schulbezogenen Sozialarbeit Schnittstellen erlebt werden und bedankt sich für die kompetente Beratung und Fortbildung seitens der Kolleginnen und Kollegen im Jugendamt.

Auch Frau Yildirim und Frau Sanchis-Calva machen sehr deutlich, dass sie glücklich über die neue queere Einrichtung im Bezirk sind und ein Besuch mit den Besucherinnen ihrer Einrichtung dort geplant ist.

Außerdem weist Frau Künning in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es bereits im Jahr 2028 zahlreiche homophobe Gewaltvorfälle gab und die Fraktion der Grünen daher einen Antrag in die Bezirksverordnetenversammlung eingebracht hat, der das Bezirksamt aufforderte eine Queerbeauftragte bzw. einen Queerbeauftragten zu etablieren. Dieser Antrag wurde bis zum heutigen Tag leider nicht umgesetzt. Sie hofft daher auf die nächste Wahlperiode.

Herr BzStR Liecke macht darauf aufmerksam, dass es nicht trivial ist eine intensive und umfassende Konzeption zu einer Präventionsstrategie gegen Homophobie in Neukölln zu erstellen und in der Realität umzusetzen. Das Jugendamt nimmt hier in Bezug auf Kinder und Jugendliche eine Vorreiterrolle ein, kann aber nicht alle Bereiche des Bezirksamts abdecken. Er macht abschließend deutlich, dass er sehr stolz auf das umfassende Angebot ist, dass seine Kolleginnen und Kollegen im Jugendamt in den vergangenen Jahren ins Leben gerufen haben.

Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, bedankt sich der stellvertretende Ausschussvorsitzende für die ausführliche Berichterstattung und beendet diesen Tagesordnungspunkt.


 
 

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