Auszug - Karstadt-Standort Hermannplatz weiterentwickeln - ohne Abriss des Hauptgebäudes  

 
 
45. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Haushalt, Wirtschaft, Verwaltung und Gleichstellung
TOP: Ö 5
Gremium: Ausschuss für Haushalt, Wirtschaft, Verwaltung und Gleichstellung Beschlussart: im Ausschuss abgelehnt
Datum: Mo, 14.12.2020 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:30 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Videositzung
Ort:
2019/XX Karstadt-Standort Hermannplatz weiterentwickeln - ohne Abriss des Hauptgebäudes
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:LINKEHaushWiVerwGleich
Verfasser:1. Fuhrmann, Marlis
2. Beitritt: Grüne
Morsbach, Michael
Drucksache-Art:AntragBeschlussempfehlung - 2. Lesung
 
Beschluss


Herr Kringel begründet die Drucksache 2082/XX und Frau Fuhrmann die Drucksache 2019/XX.

 

Herr Hikel nimmt zu TOP 4 und 5 zusammengefasst Stellung.

Mit dem vorliegenden Entwurf für die Entwicklung des Karstadtgebäudes hat eine umfassende Diskussion über Art und Nutzung, Umfang der Bebauung und Auswirkungen für die Umgebung begonnen. Die vorrangigen Ziele für die Umsetzung sind neben der nachhaltigen Sicherung des Warenhausstandortes, die Sicherung vorhandener Arbeitsplätze, die Realisierung bedarfsgerechter Nutzungskonzepte für die Menschen im Umfeld des Hermannplatzes sowie die Vermeidung von sozialen Nachteilen für die Anwohner/innen der angrenzenden Kieze in FriedrichshainKreuzberg und Neukölln. Dafür bedarf es sowohl neuer Konzepte für das KarstadtWarenhaus als auch städtebauliche Impulse für den Standort. Dafür ist eine umfassende sowie frühzeitige Beteiligung der Anwohner/innen an den Plänen für die Entwicklung des Grundstücks, des Hermannplatzes und der unmittelbaren Umgebung sicherzustellen.

Grundlage für eine intensive Abstimmung mit Akteuren, Politik, Verwaltung und Eigentümern ist die Vereinbarung (Letter of Intent) vom 3. August 2020 über den Erhalt von Warenhausstandorten der GALERIA Karstadt Kaufhof GmbH sowie über die Investitionen der SIGNA-Gruppe in städtebauliche Projekte im Land Berlin. Darin ist für den Hermannplatz vorgesehen, dass „durch den Senat in enger Zusammenarbeit mit dem Bezirk ein vorhabenbezogener Bebauungsplan aufgestellt“ sowie „ausgehend von dem von SIGNA vorgelegten Konzept ein zügiges Masterplan-Verfahren unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft durchgeführt“ werden soll.

Aus Sicht der Wirtschaftsförderung ergibt sich eine politische Notwendigkeit zur Verhandlung eines von der öffentlichen Hand gesteuerten Verfahrens, das bisher nicht stattgefunden hat. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen bespricht derzeit gemeinsam mit den Bezirken mögliche Verfahrensvorschläge.

Ausgehend davon, dass die Entwicklung des Standortes Hermannplatz in eine handels- und versorgungsorientierte Stadtplanung integriert werden muss, gibt es funktionale Verflechtungen zwischen Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln. Diese Verflechtungen bestehen in einem gemeinsamen Hauptzentrumsbereich, was in einem angedachten Masterplanverfahren zu berücksichtigen ist. Sowohl der Hermannplatz wie das Kaufhaus prägen eine multifunktionale Zentrumsfunktion. Der Auffassung einer abgeschwächten Zentrumsfunktion und Ausstrahlungskraft des Hermannplatzes stehen Analysen aus dem Neuköllner Einzelhandels- und Zentrenkonzept (2016) gegenüber:

-          Der Hermannplatz ist Teil des Hauptzentrums Karl-Marx-Straße / Hermannplatz / Kottbusser Damm.

-          Es handelt sich um die Hauptlage „Hermannplatz / Hasenheide (Neue Welt)“

-          Das Warenhaus Karstadt ist eine hochfrequentierte Einzelhandelslage und gilt als Magnetbetrieb

-          Der Hermannplatz ist ein räumlich-funktionaler Identifikationspunkt des Bezirks sowie seiner Bewohnerinnen und Bewohner

Der Hermannplatz befindet sich innerhalb des S-Bahnrings und somit in einer Citylage. Kennzeichen der wachsenden Stadt treffen auf Kreuzberger sowie Nordneuköllner Seite zu. Die Zentrumsfunktion wird quasi wiedererlangt. Das Gebiet befindet sich insgesamt in einem Transformationsprozess.

Für den Hermannplatz besteht daher Planungs- und Handlungsbedarf; hierzu sind bezirksübergreifende Abstimmungsprozesse der beteiligten Fachämter und die Berücksichtigung bisheriger und laufender Maßnahmen zur Herstellung einer nachhaltigen städtebaulichen Struktur notwendig.

Die in einem Masterplanverfahren zu durchlaufenden Phasen können nur durch einen abgestimmten Einsatz staatlicher und kommunaler Steuerungsinstrumente sowie einem umfangreichen politisch-administrativem Genehmigungsprozess und einer intensiven und kontinuierlichen Beteiligung aller relevanten Akteure in einem fairen Verfahren gelingen. Damit verbunden ist die Erwartung, die Akzeptanz und Legitimation politischer Entscheidungen zum Thema zu erhöhen.

Es muss ein leistungsfähiges System aus verschiedenen Arbeitsgruppen und Gremien gebildet werden, um die bei einer Entwicklung in dieser Größenordnung anfallenden Fachthemen übergreifend konzentriert und kompetent abarbeiten zu können. Diese Möglichkeit kann durch ein Masterplanverfahren eröffnet werden.

Das Bezirksamt plädiert dafür, im Masterplanverfahren zwischen Land und den Bezirken und weiteren Akteuren, Leitthemen und Leitprojekte festzulegen. Auf diese Weise kann auch eine neue Zielstellung gefunden werden. Durch die Gewährleistung eines ergebnisoffenen Prozesses kann ein strategischer Rahmen für die Entwicklung des Standortes Hermannplatz gegeben werden.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat am 17. November 2020 nach Gesprächen mit beiden Bezirken zum „Standort Hermannplatz“ die Notwendigkeit eines ergebnisoffenen Prozesses und Verfahrens betont, das wie folgt aussehen könnte:

Im Vorfeld eines Masterplanverfahrens muss ein Einvernehmen der beteiligten Bezirksämter zum generellen Verfahren herbeigeführt werden sowie eine geeignete Erweiterung der Städtebauförderkulisse gefunden werden. Ist ein Konsens dazu erzielt worden, schließt sich eine Phase der Erhebung und Analyse grundlegender Parameter zur Abschätzung von Nutzungsoptionen an. Diese Ermittlung umfasst ein breites Spektrum u.a. städtebaulicher, stadtplanerischer, verkehrlicher, freiraumplanerischer, sozialer und stadtgesellschaftlicher sowie wirtschaftlicher Grundlagen und Bedarfe. Darauf aufbauend können weitere Verfahrensschritte festgelegt werden, die zu einem gemeinwohlorientierten Nutzungskonzept führen und der Erarbeitung eines Masterplanes vorgelagert sind. Die Fortschreibung und konkrete Ausgestaltung der späteren Phasen hängt von der Konkretisierung und den Ergebnissen der Vorphase bzw. bei Aufnahme des Verfahrens der 1. Phase ab.

Im Gesamtprozesses rund um das Masterplanverfahren sind essenziell:

-          eine aktive Beteiligung der Stadtgesellschaft

-          die Begleitung des gesamten Verfahrens durch eine Lenkungsgruppe

-          die Festlegung eines Abstimmungsverfahrens sowie ein Zeitrahmen für den Abschluss einzelner Meilensteine oder Phasen

Es ist zu konstatieren, dass das Projekt bereits vor Beginn des Masterplanverfahrens auf große Skepsis stößt. SIGNA argumentierte bei der Ausschusssitzung für Stadtentwicklung und Wohnen am 2. September 2020 im Abgeordnetenhaus, „dass es einen Vermerk vom Bezirksamt Kreuzberg-Friedrichshain (sic) aus Ende August 2019“ gibt, „der sich aber aufgrund mangelnder Kommunikation und Austausch mit uns (SIGNA) auf falsche Annahmen stützt. Es wurde vermeintlich ein Antrag abgelehnt, den wir (SIGNA) nicht gestellt haben“.

Formuliert wird die anhaltende Kritik am Vorhaben, den von SIGNA präsentierten Plänen, von Anwohnerinitiativen, politischen Parteien auf Landes- und Bezirksebene und in journalistischen Beiträgen. Insbesondere an der Form der bisher vollzogenen Beteiligung ist in den zur Verfügung stehenden Foren, auf Diskussionsveranstaltungen und Plattformen am stärksten Kritik geübt worden. Wirtschaftsorganisationen und -verbände teilen diese Skepsis in der Gesamtschau nicht. Es fehlt eine neutrale Bestandsaufnahme und eine damit verbundene Beteiligung aus verschiedenen Blickwinkeln. Hinzuzufügen ist, dass es bisher verwaltungsseitig keine Aktivitäten für einen Beteiligungsprozess gegeben hat. Bisher gab es nur ein Beteiligungsverfahren auf der nicht neutralen Plattform von Signa.

Der Masterplan und seine Vorphasen können daher die Möglichkeit bieten, neben städtebaulichen Gesichtspunkten auch die erweiterte notwendige Stadtverträglichkeit des Vorhabens in puncto Bestandsanalyse, Konkretisierung der Ziele und beispielsweise Nutzungen zu prüfen. Nutzungsvarianten, in deren Fokus die Ankerfunktion des Warenhauses steht, sind mit der Entwicklung des Hauptzentrums in Einklang zu bringen. Auch auszuschließende Nutzungen sind festzulegen.

Der Fachbereich Stadtplanung hat zwingende Standards wie die Festlegung eines konkreten Zeit- und Kostenplans sowie die Kostenträgerschaft eines Masterplanverfahrens in seinen Stellungnahmen aufgezeigt. Ergänzend und in Erweiterung muss insbesondere Wert auf einen Dialogprozess gelegt werden, der verschiedene Beteiligungsformate und Mitwirkung vorsieht.

 

Schon um den Masterplan als städtebauliches Entwicklungskonzept nach dem Baugesetzbuch rechtlich zu qualifizieren, sollte eine formelle Beteiligung stattfinden. (BauGB §§ 3 und 4) 

Im Kern und ergänzend sind folgende auch informelle Formate vorstellbar:

-          Verwaltungskonferenzen

-          Arbeitsgremien der Fachöffentlichkeit

-          Standortkonferenzen/Quartierskonferenzen

-          Masterplanzeitung /-broschüre; Informationen über meinberlin.de

Die weitergehende informelle Beteiligung hat Wichtigkeit für die Transparenz des Verfahrens, z. B. in Form einer Bürgerarena. Favorisiert wird von Anwohner*innen eine aufsuchende Beteiligung durch den dann Verfahrensführenden.

So müssen im Gesamtprozess auch die Interessen der Gewerbetreibenden genauer abgebildet werden. Pauschale Behauptungen, wie: „Ohne einen starken Karstadt fühlen sich die Gewerbetreibenden in Gefahr“ (aus: Fragen und Antworten SIGNA Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen, 2.9.2020) müssen mit qualitativen und quantitativen Erhebungen unterlegt werden. Im Rahmen des Verfahrens muss dies in einer unabhängigen Untersuchung erfolgen.

Was in der öffentlichen Meinungsbildung Ausdruck findet, ist die Auseinandersetzung und Infragestellung um die Art und Weise der demokratischen Teilhabe an der Entwicklung eines zentralen Ortes in Berlin. Hier sind Erfahrungen aus anderen Infrastrukturprojekten des Landes Berlin einzubeziehen. 

Die betroffenen Individuen, Gruppen und die Öffentlichkeit fühlen sich bisher nicht adäquat über den aktuellen Projektstand informiert. Der Ansatz eines vertrauensbildenden Prozesses hat bisher nur in Teilen seitens SIGNAs stattgefunden und hat scheinbar zu keiner breiten Akzeptanz geführt. Es wird schwierig sein, vertrauensbildende Maßnahmen in den weiteren Stadien des Masterplanverfahrens zu implementieren, um den holprigen Beginn auch seitens der verantwortlichen federführenden Stellen auszugleichen.

Für den Prozess des Masterplanverfahrens ist wichtig, dass bestehende Konzepte und Planwerke auf Bezirks- und Landesebene Eingang in Vor- und Hauptphasen des Verfahrens finden. Zudem ist bei Aufnahme des Gesamtprozesses frühzeitig sicherzustellen, wie die Interimsphase eines potenziellen Um- und Neubauphase ausgestaltet wird.

In der Diskussion folgten Redebeiträge von Fr. Fuhrmann, H. Schröter, H. Hermann, Fr. Draeger und H. Hikel

Zum Antrag lag ein Änderungsantrag der Fraktion der Grünen vor, den Herr Schulze begründete:

„Das Bezirksamt wird gebeten, sich weiterhin aktiv in die Planungsprozesse am Hermannplatz einzubringen. Der Hermannplatz und die unmittelbar anliegende Einzelhandelsstruktur mit dem Karstadt-Warenhaus ist ein starker Identifikationspunkt im Bezirk Neukölln und unmittelbar mit ihm verbunden. Das Bezirksamt möge sich in diesem Rahmen dafür einsetzen, dass der Hermannplatz seine Zentrumsfunktion als Teil des Hauptzentrums Karl-Marx-Straße/Hermannplatz/Kottbusser Damm weiterhin ausfüllt, seine Versorgungsaufgaben gesichert werden sowie die Grundversorgung flächendeckend und wohnungsnah gewährleistet bleibt, um damit zur Erhaltung der sozialen Mischung im Wohnumfeld beizutragen. Das Karstadt Warenhaus soll als Magnetbetrieb erhalten bleiben. Bezüglich der Neubau- bzw. Veränderungspläne des Eigentümers SIGNA soll sich das Bezirksamt dafür einsetzen, dass stadtplanerische Grundsätze berücksichtigt werden, wie in der Stellungnahme des Neuköllner Stadtplanungsamtes vom 06.07.2020 dargestellt. An allen Planungen sind Bürger*innen der betroffenen Bezirke über das gesetzlich vorgegebene Maß hinaus intensiv zu beteiligen. Bei der Planung sind die Belange einer modernen Verkehrspolitik (Stärkung des ÖPNV, fußgänger*innen- und fahrradfreundlich sowie barrierefrei), einer verbesserten Aufenthaltsqualität auf dem Platz sowie dem Erhalt eines vielfältigen Gewerbeangebots, inkl. des Wochenmarktes, zu berücksichtigen. Das Bezirksamt wird gebeten, sich kritisch in die weitere Ausgestaltung des vom Senat im Rahmen des Letter of Intent angekündigten Masterplanverfahrens zum Standort des Karstadt-Gebäudes einzubringen. Es ist beim Senat darauf hinzuwirken, dass keine Vorfestlegungen auf das von SIGNA vorgelegte Konzept erfolgt, sondern ein ergebnisoffenes und transparentes Verfahren unter Berücksichtigung der Berliner Leitlinien zur Bürger*innenbeteiligung durchgeführt wird. Außerdem sollte darauf hingewirkt werden, dass die im Letter of Intent formulierte Zeitplanung, die einen Abschluss des Masterplanverfahrens noch in dieser Legislaturperiode vorsieht, überarbeitet wird. Darüber hinaus wird das Bezirksamt gebeten beim Senat daraufhin zu wirken, dass die Zuständigkeit für die Planung weiterhin bei den beteiligten Bezirken verbleibt.

 

Abstimmung zum Änderungsantrag der Fraktion der Grünen:

Der Änderungsantrag wurde mit Nein-Stimmen der SPD, CDU und AfD abgelehnt bei Ja-Stimmen der Grünen (2 Stimmen) und Linken sowie einer Enthaltung der Grünen.

 

Abstimmung zur unveränderten Drucksache 2082/XX

Mit Ja-Stimme der Fraktionen der SPD und CDU bei Nein-Stimmen der Fraktionen der Grünen und Linken sowie Enthaltung der AfD wird der BVV die Annahme des Antrags empfohlen.

 

Abstimmung zur Drucksache 2019/XX

Bei Ja-Stimmen der Fraktionen der Grünen (2 Stimmen) und Linken wird der BVV mit Nein-Stimmen der Fraktionen der SPD, CDU und AfD bei einer Enthaltung der Grünen die Ablehnung des Antrags empfohlen.


 
 

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