Auszug - Vorstellung des Projektes "Aufsuchende Familienhilfe" durch Navitas und Wigwam  

 
 
13. öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 3
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 18.10.2007 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:45 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: AWO Südost
Ort: Erkstraße 1, 12043 Berlin
 
Beschluss

Das Modellprojekt „Aufsuchende Familienhilfe“ wurde im Rahmen des Berliner Netzwerkes Kinderschutz entwickelt

Das Modellprojekt „Aufsuchende Familienhilfe“ wurde im Rahmen des Berliner Netzwerkes Kinderschutz entwickelt. Grundlage bildet der § 16 KJHG. Die Leistungsbeschreibung wurde von der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung mit ausgewählten Trägern für den Arbeitsbereich Berliner Innenstadt ausgearbeitet. Der Bezirk Neukölln kooperiert hierbei mit den Trägern Navitas, Wigwam, IBEF, Vista und VAMV.

 

Navitas

 

Frau Al-Suadi ist für das Modellprojekt Projektleiterin bei Navitas. Navitas ist eine Gesellschaft der beiden bekannten Träger Esperanto aufsuchende Hilfen e.V. und KOWO e.V. und versteht sich als Integrationsträger aufgrund der 32 Sprachen, die in der Mitarbeiterschaft gesprochen werden. Arbeitsschwerpunkte sind die aufsuchende Elternhilfe, die ambulanten Wohnhilfen, die Kinder- und Familienhilfe, die Einzelfallhilfe, die Altenhilfe, das betreute Wohnen Sucht und die Kontakt- und Begegnungsstätte.

 

Durch die einschlägigen Erfahrungen von Navitas bilden Familien mit Migrationshintergrund einen Schwerpunkt der Tätigkeit. Häufig besteht bei diesen Familien keine Kenntnis über das Hilfesystem bzw. Zugangsbarrieren durch Sprache oder fehlenden Antrieb.

 

Ausgangslage des Modellprojektes „Aufsuchende Familienhilfe“ sind die zunehmenden Probleme junger Familien und Alleinerziehender durch veränderte Familienformen, Schulden, fehlende Schulabschlüsse und Arbeitslosigkeit.

 

Das Modellprojekt wird vom Begleitausschuss des Netzwerks Kinderschutz und der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung begleitet und könnte nach einer erfolgreichen Modellprojektphase in den Leistungskatalog des § 16 SGB VIII aufgenommen werden. 

 

Die „Aufsuchende Elternhilfe“ beginnt mit der Schwangerschaft und setzt sich über die Geburt hinaus über einen Zeitraum von 6 bis 10 Monaten fort. Die Ausgestaltung richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen der Familien.

 

Die Zuweisung der Klienten erfolgt über den ASD, Krankenhäuser und Ärzte. Anhand des internen Aufnahmebogens werden die Familien für dieses Modellprojekt bezirksübergreifend ausgewählt und ein „Mini“-Hilfeplan erstellt.

 

Die Beratung umfasst drei Phasen:

1.)           Vor der Geburt: Vorgespräche mit den Eltern sollen die soziale und medizinische Versorgung und den Übergang vom Paar zu Eltern sicherstellen

2.)           Nach der Geburt: Sicherstellung des sozialen und finanziellen Umfeldes, Zusammenarbeit mit der Hebamme, Anleitung im Umgang mit der Bürokratie und der Gesundheitsvorsorge für das Kind

3.)           Ablösephase: Anleitung zur Selbsthilfe, Angebot einer Selbsthilfegruppe, Anbindung an den Sozialraum

 

Zwischen den einzelnen Phasen wird jeweils eine Zwischenauswertung durchgeführt.

Für die Koordination der Projekte stehen drei erfahrene Fachkräfte zur Verfügung, zudem sollen Studenten über Praktika eingebunden werden.

 

Die Risiken innerhalb einer Familie sind schon vor der Geburt des Nachwuchses erkennbar, wenngleich die bisherigen Erziehungshilfen erst mit Geburt einsetzen. Durch das Modellprojekt ist eine frühzeitige Reaktion möglich.

 

Als Ziele des Projektes definiert Frau Al-Suadi die Stärkung der Eigenverantwortung und die Vermittlung von Konfliktklärungsstrategien und von realistischen Elternbildern, die Aktivierung für andere Angebote und die Entwicklung von Umgangskompetenzen bei Behörden und anderen Institutionen.

 

Die aufsuchende Familienhilfe findet hauptsächlich im Wohnumfeld der Familie statt, Voraussetzung ist, dass das Kind ausgetragen wird. Eine Schwangerschafts-Konfliktberatung wird nicht angeboten. Die Hilfe ist grundsätzlich freiwillig, auch wenn die Angebote eine hohe Verbindlichkeit aufweisen. 

 

Aufgrund der Ausgestaltung des Modellprojektes ist die Anzahl der möglichen Beratungen sehr beschränkt. Frau Al-Suadi wünscht sich, dass nach erfolgreicher Projektphase das Angebot von den Bezirken übernommen wird. Der Ansatz des Projektes wird von den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses begrüßt.

 

Wigwam

 

Frau Fry stellt die Arbeit von Wigwam connect vor. Seit 20 Jahren arbeitet Wigwam mit Suchtkranken und konnte durch diese Erfahrungen bereits im April 2007 mit der Arbeit am Modellprojekt „Aufsuchende Familienhilfe“ beginnen. Ein ähnliches Projekt wurde im davorliegenden Zeitraum von der Aktion Mensch finanziert.

 

Das jährliche Budget umfasst 90.000 Euro für die Berlinübergreifende Beratung suchtkranker Eltern. Anfragen aus dem Berliner Umland erreichen die Mitarbeiter, können aber aufgrund des räumlich begrenzten Auftrages nur mit einer Notfallversorgung weitergeleitet werden.

 

Die Kontaktaufnahme erfolgt u.a. über die Sprechstunden in der Charité. Die KlientenInnen werden bei Feststellung der Schwangerschaft an die Beratungsstelle verwiesen und sind häufig durch die Schwangerschaft hoch motiviert, sich der eigenen Situation zu stellen. Problematisch ist, dass von vielen die Sucht nicht als Problem empfunden wird. Trotz der hohen Motivation ist ein aktives Fallmanagement mit regelmäßigem Anrufen und Nachhaken notwendig.

 

Die Mitarbeiter versuchen, eine Schnittstelle zwischen den Bereichen Jugend und Gesundheit herzustellen und für die Klienten, die verschiedene Problemkreise wie ungünstige Wohnverhältnisse, Traumatisierungen, Alkoholaffinität und Arbeitslosigkeit auf sich vereinen, Handlungsschritte für eine selbstständige Lebensführung mit Kind zu entwickeln. In Einzel- und Gruppenarbeit wird die agliophobe[1] Klientel auf die Geburt vorbereitet.

 

Der Aufgabenbereich umspannt die Aufklärung, die Anleitung zur Hilfe zur Selbsthilfe, regelmäßige Kontakte und die zeitnahe Überführung in andere Hilfeleistungen. Die Dauer und der Umfang der Hilfe wird am individuellen Bedarf ausgerichtet. Die Koordination der Helferkonferenzen, die in Einzelfällen bis zu 18 Helfer umfassen können, stellt eine der Herausforderungen der Arbeit dar.

 

Frau Fry betont, dass Elternhilfe grundsätzlich freiwillig und das Jugendamt immer mit einzuschalten ist. Ziel ist, Konsumexzessen vorzubeugen durch einen hohen Anteil an Beratung und die Sicherstellung von Betreuungskontinuität. Allerdings ist bekannt, dass 75% der Klientel während der Schwangerschaft Beikonsum pflegen. Deshalb müssen mit den Klienten der Umfang der Sucht ermittelt, die jeweiligen Widerstände abgebaut und klare Ziele definiert werden. Die Zusammenarbeit erfolgt auf Basis einer zielorientierten Beziehung und ist gekennzeichnet durch Verlässlichkeit und hohe Fachlichkeit.

 

Herr Lemming bestätigt, dass es bei den Klienten erst nach Schaffung einer Vertrauensbasis möglich ist, Kontakt mit „dem Amt“ aufzunehmen. Zudem machen die Modellprojekte nicht gleich einen Leistungsanspruch geltend.

 

Frau Dr. Gallus-Jetter beschreibt die möglichen Auswirkungen von Drogen- und Beikonsum auf die ungeborenen Kinder. Im Rahmen der Projekte hofft sie, die geschädigten und meist entwicklungsverzögerten Kinder frühzeitiger und langfristig beobachten und begleiten zu können. Suchtfamilien gelten als Risikogruppe für Kindeswohlgefährdung. Dies ist auch Thema im Rahmen des Berliner Netzwerkes Kinderschutz.

 



[1] Agliophobie = die Angst vor Schmerzen


 
 

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