Auszug - Jugendberufshilfe  

 
 
12. öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 7
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: vertagt
Datum: Do, 20.09.2007 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:15 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Nachbarschaftsheim Neukölln
Ort: Schierker Straße 53, 12051 Berlin
 
Beschluss

Herr Martens stellt den Bereich der Jugendberufshilfen gemäß § 13 KJHG im Kontext der veränderten Rahmenbedingungen vor

Herr Martens stellt den Bereich der Jugendberufshilfen gemäß § 13 KJHG im Kontext der veränderten Rahmenbedingungen vor. Die Jugendberufshilfe ist der im § 13 KJHG beschriebene Teil der Jugendsozialarbeit, der sozial benachteiligten und individuell beeinträchtigten jungen Menschen bei ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung, der Eingliederung in die Arbeitswelt und bei Ihrer sozialen Integration unterstützt.

 

Zielgruppe sind insbesondere junge Menschen, die auch bei günstiger Lage auf dem Ausbildungsstellen- und Arbeitsmarkt wegen individueller Beeinträchtigungen und/oder sozialer Benachteiligungen, häufig einhergehend mit unzureichender schulischer Ausbildung, keine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle finden.

 

Soweit die Ausbildung nicht durch Maßnahmen anderer Träger und Organisationen sichergestellt ist, können seitens des Jugendamtes geeignete sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand dieser jungen Menschen Rechnung tragen.

 

Die Leistungen der Jugendberufshilfe umfassen im wesentlichen:

·               Begleitung und Betreuung

·               Berufsorientierung

·               Berufsvorbereitung einschließlich Qualifizierung

·               Berufsausbildung

·               ausbildungsbegleitende Wohnformen

 

Seit 2001 arbeitet die Jugendberufshilfe in Neukölln zentral organisiert.

 

Mit der Einführung des SGB II am 01.01.2005 haben sich die Rahmenbedingungen für die berufliche Eingliederung verändert. Das Jobcenter, als neuer Akteur im Handlungsfeld Übergang Schule-Beruf, wendet die klassischen Instrumente des SGB III (Benachteiligtenförderung) an und generiert über den §16 SGB III neue Förderinstrumente, die einer anderen Förderphilosophie folgen. Diese sind:

 

·         intensives Einstiegsgespräch (Profiling), ggf. mit Unterstützung durch fachpsychologische oder fachärztliche Gutachten

·         Sozialanamnese der zugehörigen Bedarfsgemeinschaft und des sozialen Umfeldes zur Einschätzung der Stärken und Schwächen des jugendlichen Kunden

·         gemeinsame Erarbeitung von realistischen Zielen im Rahmen einer Integrationsplanung und Festlegung der wechselseitigen Verpflichtungen durch eine Eingliederungsvereinbarung

·         Überwachung und Dokumentation der Ergebnisse. Entsprechend dem Prinzip der Leistung für Gegenleistung (fördern und fordern) wird von dem Jugendlichen mehr Eigenverantwortung abverlangt.

 

Für die bestehenden Übergangssysteme ergeben sich grundsätzliche Fragen nach dem Verhältnis der Leistungsbereiche zueinander, nach der vorrangigen Zuständigkeit und nach Möglichkeiten der konkreten Kooperation. Die zentralen Abgrenzungskriterien gibt der Gesetzgeber vor. Das SGB II verfolgt den Zweck, die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, zu stärken und dazu beizutragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können.

 

Das KJHG verfolgt dagegen den Zweck, jungen Menschen ein Recht auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu sichern. Junge Menschen sollen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung gefördert und Benachteiligungen abgebaut werden.

 

Gegenüber den Leistungen des Jobcenters hat die Jugendberufshilfe einen gesetzlichen Nachrang. Die Leistungskonkurrenz betrifft aber nur gleiche Leistungen. Somit hat beim Vorliegen eines sozialpädagogischen Förderbedarfs die Jugendhilfe (SGB VIII) Vorrang vor der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

 

Bei den Aktivierungshilfen gem. § 241 (3a) SGB III sind die Kommune und das Jobcenter Kooperationspartner. Auf der Basis einer aufeinander abgestimmten Finanzierung werden arbeitsweltorientierte Maßnahmen und Angebote geschaffen, zu denen die „Kunden“ des Jobcenters gleichermaßen wie die der Jugendhilfe Zugang erhalten.

 

In Verbindung mit dem bestehenden lokalen Beratungsnetzwerk kann heute von einem komplexen Übergangssystem von der Schule in das Berufsleben gesprochen werden:

 

·         Handlungsmöglichkeiten des SGB II ermöglichen Änderungen im lokalen und regionalen Bereich

·         stärkere Einbeziehung der Schule in das Förder- und Übergangssystem

·         Jobcenter, Agentur, Schule, Jugendhilfe und Bildungsträger bilden eine gemeinsame Ressource zur Optimierung der Übergänge von Schule zum Beruf

·         durch konkrete Kooperation und die Kombination von Förderwegen kann eine neue Verlässlichkeit entwickelt werden

 

Mit den Regelungen durch das neue SGB II sind auch Risiken entstanden, die wegen anfangs unklarer Rechtsverhältnisse auf eine Reduzierung von Angeboten der Jugendsozialarbeit hinauslaufen und durch mangelnde Kooperation und Abstimmung eine stärkere Versäulung hätten bewirken können. Bei Jugendlichen mit mehrfachen Vermittlungshindernissen könnte dies zu einer Ausgrenzung führen.

 

Erstmals begannen 2005 mehr Schulabsolvent/innen eine Maßnahme im Übergang von Schule zum Beruf als eine duale Berufsausbildung. Dies deutet auf ein zunehmendes Gewicht der öffentlich geförderten Übergänge von Schule zum Beruf hin. Bereits vor Inkrafttreten des SGB II haben sich die Instrumente der Benachteiligtenförderung (§§ 240 ff. SGB III) und der Jugendberufshilfe inhaltlich angenähert. Ursache ist die steigende Zahl der nicht direkt im dualen System ausbildungsfähigen Jugendlichen, die eine „neue Förderstruktur“ erforderten, welche von einem individuellen Förderbedarf ausging und eine Eingliederungsplanung zugrunde legte.

 

Dabei wurde nicht nur terminologisch auf Methoden und Erfahrungen der Jugendhilfe zurückgegriffen. Allerdings waren mit den zentralen Termini „Jugendlichen“ bereits die „jungen Volljährigen“ im Rechtsverständnis des KJHG im Alter von 18-25 Jahren und mit den „besonders Benachteiligten“ die durch das Arbeitsamt nicht versorgten im Sinne einer Vermittlung gemeint.

 

Durch diese Entwicklung wurde die Jugendberufshilfe vorschnell als ausgedient betrachtet. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass sich die Angebote und Maßnahmen der jetzt auch vom SGB II zum Zuge gebrachten Benachteiligtenförderung bezüglich ihrer deutlich niedrigeren Ausstattungsmerkmale nicht verändert hatten. Das Handlungsfeld der Jugendberufshilfe ist somit nach wie vor gegeben, jedoch nur, wenn entsprechende individuelle Bedarfslagen diese erforderlich machen und sich im Leistungsangebot von den Maßnahmen und Leistungen der Benachteiligtenförderung abgrenzt.

 

Im Bezirk Neukölln wurde bereits 2004 eine erste Kooperation mit dem Rechtskreis des SGB III (später auch II) begründet, indem ein Vorläufer der Aktivierungshilfen als Schnittstellenberatung zwischen den Rechtskreisen eingerichtet wurde. Ziel der Schnittstellenberatung war es, durch sog. Co-Beratung und Profiling für Jugendliche mit erhöhtem Unterstützungsbedarf nach geeigneten Angeboten und Leistungen in einem jeweiligen benachbarten Rechtskreis Ausschau zu halten. Im Gegenzug sollte auch in bestimmten Fällen der Zugang zur Jugendberufshilfe geöffnet werden.

 

Dazu wurde über einen Kooperationsvertrag mit Arbeit & Bildung e. V. eine erfahrene Berufsberaterin des Beratungsträgers mit der bezirklichen Jugendberufshilfe verbunden. Die Transferkosten für die Jugendberufshilfe konnten dabei messbar gesenkt werden. Dieses System der Entlastung durch eine komplementäre Finanzierung von Kooperationsprojekten wird bis heute weiterentwickelt. Durch die Nutzung der entsprechenden Förderwege und Ressourcen besteht heute ein effizientes, reduziertes System der sozialpädagogischen Jugendberufshilfe.

 

Die Jugendberufshilfe ist überregional organisiert und bearbeitet derzeit ca. 76 laufende Fälle, zum überwiegenden Teil sozialpädagogisch begleitete Erstausbildungen. Fast 50 % der gemeinsam beratenen Fälle können derzeit im Zuge der Prüfung in der Schnittstellenberatung umgesteuert werden und gehen bedarfsgerecht vermittelt in Leistungen und Angebote anderer Rechtskreise.

 

Derzeit werden folgende Aktivierungshilfen im Bezirk Neukölln angeboten:

·         Berufs- und Lebenswegeplanung A&B im NNB-Beratungshaus Glasower Str. 18

Beratung und Heranführung bildungs- und arbeitsmarktdistanzierter junger Menschen (♀♂) an Angebote der Qualifizierung und Eingliederung in Arbeit und Ausbildung

 

·         PASST AWO Südost in der Manege, Rütlistr. 2-3

Aktivierung und Eingliederung arbeitsmarkt- und bildungsferner Jugendlicher (♀♂, >18) an Bildung, Qualifizierung und Eingliederung in Arbeit und Ausbildung.

 

·         WILD AKTIV VSJ e. V., Wildhüterweg 2

Aktivierung und Eingliederung arbeitsmarkt- und bildungsferner Mädchen und junger Frauen (♀, >18) an Bildung, Qualifizierung und Eingliederung in Arbeit und Ausbildung, insbesondere durch Vorbereitung auf schulische Abschlüsse (HSA, MBA)

 

·         Neukölln Aktiv VSJ e. V., Buckower Damm 176

Aktivierung und Eingliederung arbeitsmarkt- und bildungsferner männlicher Jugendlicher (♂, >18) an Bildung, Qualifizierung und Eingliederung in Arbeit und Ausbildung, insbesondere durch Vorbereitung auf schulische Abschlüsse (HSA, MSA)

 

·         MOVE Türkischer Bund TBB

Aufsuchende Arbeit für die Zielgruppe bildungs- und arbeitsmarktferner Jugendlicher mit Migrationshintergrund (♀♂), Streetwork, Beratung, enge Kooperation mit dem Beratungshaus und dem Jobcenter

 

Als Zielstellungen für die Zukunft nennt Herr Martens die Weiterentwicklung des Problemverständnisses und eines interdisziplinären Dialogs in der Kommune zum Thema „Übergangssysteme“, die Schaffung eines gemeinsamen regionalen Handlungskonzepts und die Flexibilisierung zentralistischer Strukturen, Ausbau der Kooperations- und Kommunikationsstrukturen für eine gemeinsame regionale Planung, den Aufbau einer gemeinsamen Querschnitts-Steuerung der Ressourcen für die Übergangssysteme, die Abstimmung der Datenbasis, gemeinsame Definition und Schaffung bedarfsgerechter Angebote und die Harmonisierung der Zugänge und Förderwege.

 


 
 

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