Auszug - Bildung zur Akzeptanz von Vielfalt - Schwerpunkt: sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Kontext Schule, Referenten: Conny-Hendrik Kempe-Schälicke und Ammo Recla  

 
 
49. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung, Schule und Kultur
TOP: Ö 3
Gremium: Ausschuss für Bildung, Schule und Kultur Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 08.03.2016 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:08 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Rathaus Neukölln, Çigli-Zimmer, 1. Etage, Raum A104
Ort: Karl-Marx-Straße 83, 12040 Berlin
 
Beschluss

Conny-Hendrik Kempe-Schälicke ist Koordinator_in der Initiative "Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt" und Lehrer_in für Biologie und Informatik am OSZ Lise Meitner

Conny-Hendrik Kempe-Schälicke ist Koordinator_in der Initiative "Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt" und Lehrer_in für Biologie und Informatik am OSZ Lise Meitner. Die Initiative ist ein Querschnittsthema in der Senatsbildungsverwaltung sowie in den Schulen. Vor etwa fünf Jahren wurde die Umsetzung der Initiative durch einen Beschluss des Abgeordnetenhauses (Drs. 16/2291) festgelegt und soll dazu dienen, Intoleranz, Mobbing und Gewalt gegenüber lesbischen, schwulen, bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Personen (LSBTI) an den Schulen entgegenzuwirken. Ziel ist es weiterhin, ein Bewusstsein für die gesellschaftliche Vielfalt zu stärken und Toleranz zu bilden, so dass die Schüler*innen durch eventuelle Auseinandersetzungen nicht am Lernen gehindert werden.

 

Studien belegen die möglichen schweren Folgen von Mobbing und Gewalt, welche sich bis ins Erwachsenenalter auswirken können. Bereits an den Grundschulen wird wahrgenommen, dass Begriffe wie z. B. „Lesbe“ als Beschimpfungen verwendet werden. In den meisten Fällen greifen weder die pädagogischen Fachkräfte noch die Eltern ein, Präventionsarbeit findet ebenfalls häufig nicht statt. Bisher enthält die Ausbildung der Lehrkräfte keine verpflichtenden Module zur Sexualerziehung. Die Möglichkeiten, an dieser Stelle Einfluss zu nehmen, sind demnach begrenzt.  

 

Ein Bestandteil des besagten Abgeordnetenhaus-Beschlusses ist die Benennung einer entsprechenden Kontaktperson je Schule. Bisher haben etwa 80 % der Schulen Kontaktpersonen benannt; rund 50 % haben an Fortbildungen zu der Thematik teilgenommen. Als Handreichung hat die Senatsbildungsverwaltung gemeinsam mit Kooperationspartner*innen Materialien wie Broschüren, Flyer, Medienkoffer oder auch altersgerechte Bücher über unterschiedliche Familienformen entwickelt. Auch wurde versucht, bei den Schulleitungen ein Bewusstsein für Wertschätzung und gegen Diskriminierung als Signalwirkung zu erzeugen. Weiterhin werden themenspezifische Projekte wie beispielsweise der „Queer History Month“ initiiert. Hier soll die Geschichte von LSBTI-Personen thematisiert und die Schüler*innen für die Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Lebensweisen und Lebensstile sensibilisiert werden.

 

Frau Florkiw bezieht sich auf die im Rahmen der Umsetzung der Initiative festgelegten Fortbildungen für die Kontaktpersonen an den Schulen. Diese werden gern als inhouse-Schulungen oder (Einzel-) Beratungen angeboten und es gibt einen Fortbildungs-Newsletter. Den Kontaktpersonen werden außerdem z. B. Broschüren zu Handlungsoptionen, für die Beratung der Eltern oder als Unterrichtsmaterialien ab der 8. Klasse zur Verfügung gestellt. Die Neuköllner Grundschulen haben zu 80 % Ansprechpersonen benannt, die weiterführenden Schulen haben dies zu über 90 % erfüllt.

 

Zur Zeit finden keine Evaluationen statt; anhand einzelner Indikatoren können jedoch zumindest Tendenzen erkannt werden. Insgesamt ist den Schulen das Angebot bekannt; der eingangs erwähnte Medienkoffer wurde auch bereits von einzelnen Schulen in Anspruch genommen. Bisher sind die Bezirke Mitte, Pankow und Tempelhof-Schöneberg bei der Erarbeitung eines Konzeptes sehr erfolgreich. Herr Recla ergänzt bezüglich der Angebote noch die Informationsveranstaltungen für Schüler*innen. Hier ist der Bezirk Neukölln mit der Inanspruchnahme dieser (über 70 Veranstaltungen) auf Platz fünf unter allen Berliner Bezirken. Er erläutert weiterhin, dass der ABqueer e.V. mit Sitz in Neukölln ausschließlich durch Ehrenamtliche organisiert wird und deutschlandweit einer der ersten Träger von Projekten zu den LSBTI-Themen ist.

 

Frau BV Blumenthal bedankt sich für die Ausführungen und erkundigt sich, ob es derzeit eine Vernetzung unter den Lehrkräften, welche als Ansprechpersonen benannt wurden, gibt. Frau Florkiw erklärt, dass es bisher das Angebot von gemeinsamen Fachgesprächen für die betreffenden Lehrkräfte aller Bezirke gibt. Im Bezirk Pankow wird aktuell modellhaft versucht, diese Fachgespräche zu regionalisieren, weil es den Austausch vermutlich qualitativ steigern wird.

 

Frau BV Böcker-Giannini bedankt sich ebenfalls bei den Gästen und bemerkt, dass zu dem Thema bereits viel bewegt wurde, jedoch immer noch mehr getan werden kann. Sie fragt, was gemacht werden müsste, um dass sich alle Schulen an der Umsetzung der Initiative beteiligen. Frau Florkiw berichtet davon, dass die Senatsbildungsverwaltung regelmäßig alle Schulen anschreibt und auffordert, sich um Kontaktpersonen für die Anliegen der LSBTI-Personen zu bemühen. Gute Erfahrungen konnte mit dem top-down-Prozess in einigen Bezirksämtern gemacht werden, bei dem die Informationen über die Leitungsebene zur Schnittstelle Kooperation Schule-Jugend und schließlich zu den Schul-sozialarbeiter*innen getragen werden. Conny-Hendrik Kempe-Schälicke ergänzt, dass immer wieder dafür plädiert wird, die Umsetzung mit voranzubringen, die Schulleitungen jedoch letztlich nur im Rahmen der Kapazitäten handeln können. Man könne hier nur immer wieder auf den Beschluss des Abgeordnetenhauses verweisen. Weiterhin möchte Frau BV Böcker-Giannini wissen, wie sich bei dem Arbeitsaufkommen die Kapazitäten gestalten, wenn alle Mitarbeitenden ehrenamtlich unterstützen. Herr Recla sagt, dass lediglich seine Stelle von der Senatsbildungsverwaltung finanziert werden kann. Es gibt jedoch keine Mittel, um weitere Bedarfe wie z. B. die Inanspruchnahme von Dolmetscher*innen zu decken. Selten ergeben sich punktuell Ressourcen.

 

Frau BD Binder lobt die vorgestellte Berliner Initiative und merkt gleichzeitig den Fokus auf die sexuelle Vielfalt an. Sie erkundigt sich, welche Rolle auch weitere Diskriminierung spielt, wenn es beispielsweise um die Religion geht. Nach ihrer Kenntnis, würden auch Begriffe wie „Jude“ als Schimpfwörter benutzt werden. Frau Florkiw führt aus, dass die Fortbildungen für die Lehrkräfte immer sehr vielfältig sind und unter Zunahme verschiedener Kategorien konzipiert werden. Einzelne Fortbildungen müssen aufgrund der wenigen zur Verfügung stehenden Zeit jedoch thematisch begrenzt werden. Conny-Hendrik Kempe-Schälicke fügt hinzu, dass es ein weiteres Fortbildungsprojekt mit dem Schwerpunkt „internationale Pädagogik“ gibt. Hier werden den Lehrkräften Methoden zur ganzheitlichen thematischen Sensibilisierung und zur Übernahme dieser in die eigenen pädagogischen Ansätze vermittelt. Herr Recla ergänzt, dass die Seminarzeiten mit den Schulklassen (90 min.) biografisch angelegt sind und die Schüler*innen aus ihrem Leben berichten können. Dadurch entstehen automatisch Anknüpfungspunkte an vielfältige Merkmale. Frau BD Binder interessiert weiterhin, ob sich auch Schulen mit Förderschwerpunkt an der Umsetzung der Initiative beteiligen und ob es dann auch barrierefreies Material gibt. Conny-Hendrik Kempe-Schälicke antwortet, dass es auch Nachfragen von Förderschulen nach Teamfortbildungen gibt. Barrierefreies Material würde bisher nicht systematisch entwickelt wird. Einige Broschüren sind in leichter Sprache und in dieser demnächst auch als PDF-Dateien zum Download vorhanden. Auch gibt es eine Kooperation mit einer Gehörlosenschule, um Material für die entsprechende Zielgruppe zu entwickeln. 

 

Herr BzStR Rämer möchte wissen, wie viele Berliner Bezirke bisher ein Konzept für die Initiative "Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt" erarbeitet haben, ob es Erfahrungswerte gibt, wie lange dieser Prozess gedauert hat und ob die Umsetzung in der Regel an der Schnittstelle Kooperation Schule-Jugend angedockt war. Conny-Hendrik Kempe-Schälicke erläutert, dass eine Einladung in ein bezirkliches Gremium wie dem Ausschuss für Bildung, Schule und Kultur sowie die konkrete Antragstellung zur Umsetzung der Initiative bisher so noch nicht erfolgt ist. Bei den erwähnten Bezirken Pankow, Mitte und Tempelhof-Schöneberg war das Vorhaben an die Kooperation Schule-Jugend angedockt, weil hier die benötigten Fachkräfte arbeiten. Herr Recla ergänzt, dass die Bezirke die Umsetzung grundsätzlich unterschiedlich handhaben; die schnellste Strategie-Erarbeitung dauerte ca. sechs Monate, was auch von dem politischen Willen der jeweiligen Bezirksämter abhängt. 

 

Herr BV Schulze bedankt sich bei den Gästen für die Vorstellung der Initiative und Frau BV Böcker-Giannini für die Organisation.


 
 

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