Auszug - Frühe Hilfen - Projekt Familienhebammen - Eine Chance für Kinder  

 
 
55. öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 3
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 17.03.2011 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:50 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Rathaus Neukölln, Çigli-Zimmer, 1. Etage, Raum A104
Ort: Karl-Marx-Straße 83, 12040 Berlin
 
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Herr Prof

Herr Prof. Windorfer vertritt zusammen mit seiner Ehefrau die Stiftung „Eine Chance für Kinder“ und stellt das Projekt der Familienhebammen vor. Er berichtet, dass in Berlin bereits ein dichtes Netz aus frühen Hilfen besteht und die Familienhebammen als ein weiteres Instrument zu betrachten sind. In der Diskussion über Kindesvernachlässigung und Misshandlung gerät häufig in den Hintergrund, dass viele Eltern ihre Kinder verantwortungsvoll aufziehen.

 

Nach seinen Recherchen sind 5 bis 7 Prozent der Kinder von Vernachlässigung bedroht, davon sind 15 Prozent in konkreter Gefahr. Allein eine unordentliche Wohnung stellt keine Vernachlässigung dar, problematisch wird es, wenn mehrere Risikofaktoren gleichzeitig auftreten: bspw. finanzielle Not, Drogenabhängigkeit, Behinderung, alleinerziehender Elternteil, Migrationshintergrund.

 

Die Stiftung „Eine Chance für Kinder“ wurde im Jahr 2000 gegründet und möchte in Neukölln 3 Familienhebammen für 3 Jahre finanzieren. Das Jugendamt muss lediglich hierfür 1 Koordinierungsstelle bereitstellen. Familienhebammen sind speziell qualifizierte Hebammen, die über ein umfangreiches Wissen im Umgang mit überforderten Müttern verfügen und ein Vertrauensverhältnis zu diesen Frauen, die oft erhebliche Berührungsängste mit Jugendämtern und anderen Behörden haben, aufbauen können. In problematischen Gebieten bspw. in Bremen und Hamburg sind die Familienhebammen mit viel Erfolg eingesetzt worden. Herr Prof. Windorfer sieht auch, dass drei Familienhebammen mit einem Stundenkontingent von insgesamt 30 Wochenstunden nicht alle Probleme werden lösen können, sie können aber einen ersten wichtigen Anfang machen.

 

Viele Eltern sind in der Zeit um die Geburt sehr empfänglich für Ansprachen und Hinweise. Familienhebammen nehmen über die nachgeburtliche Versorgung von Mutter und Kind hinaus eine Lotsenfunktion wahr und kooperieren dabei mit Jugend- und Gesundheitsamt. Die Familienhebamme muss sich weiterbilden, um sicher einschätzen zu können, wann eine Kindeswohlgefährdung droht, wann sie verpflichtet ist, ihre Schweigepflicht zu brechen und wie sie im Netzwerk zusammenarbeitet.

 

Das Finanzvolumen beträgt etwa 80.000 Euro pro Jahr, bei 30 Wochenstunden werden somit etwa 10 bis 15 Familien erreicht. Die Hebammen bewerben sich bei der Stiftung für den Einsatz in Neukölln und es besteht auch die Zusage, dass bei Bedarf auch Personalwechsel möglich sind. Der Honorarvertrag wird mit der Stiftung unterzeichnet, das Jugendamt schließt einen entsprechenden Kooperationsvertrag mit der Stiftung.

 

Frau Finger erfragt, ob die Familienhebammen auch Thema auf dem Fachtag des Gesundheitsamtes im April sind. Die Abteilungen sollten sich diesbezüglich zusammensetzen und abstimmen. Sie findet es problematisch, wenn die Finanzierung nach 3 Jahren nicht geklärt ist, so würden gute Projekte aus Geldmangel wieder in der Versenkung verschwinden.

 

Frau Schwarzer begrüßt das Angebot für Neukölln, möchte aber gern die Erwartungen dämpfen. In Neukölln ist es schwierig, an die entsprechenden Familien heranzukommen. In der Regel haben die Familien auch nicht nur ein Kind, sondern fünf bis zehn Kinder zu versorgen. Frau Heinemann wünscht sich für Neukölln mindestens eine Familienhebamme mit arabischem oder türkischem Hintergrund.

 

Frau Pohl fragt nach der Verbreitung von Hebammen in Berlin. Frau Breitenstrom informiert dazu, dass für jede Frau, die es wünscht, eine Hebamme zur Verfügung steht. In den Beratungen im Kinderschutzzentrum wird standardisiert nach einer Hebamme gefragt und, sofern keine vorhanden ist, bei der Suche geholfen.

 

Frau Vonnekold legt großen Wert darauf, dass die Familienhebammen beim Jugendamt angesiedelt sind, da die Arbeit deutlich über die Aufgaben einer klassischen Hebamme hinausgeht. Ihr ist auch bewusst, dass 3 Hebammen keine 100-prozentige Versorgung ermöglichen können, sie möchte aber die Ergebnisse aus diesem Modellprojekt nutzen, um auf Landesebene dazu eine Debatte anstoßen zu können. Sie nimmt das Modellprojekt gern an und hofft, es bald entsprechend des Bedarfs erweitern zu können, da die eingreifenden Hilfen dadurch vermieden oder zumindest vermindert werden können. Aus den daraus eingesparten Finanzmitteln könnten langfristig weitere Familienhebammen eingesetzt werden. Nur weil die Finanzierung nach drei Jahren jetzt noch nicht sichergestellt ist, möchte sie das Projekt nicht allein deswegen ablehnen.

 

Auf Nachfrage von Frau Heinemann berichtet Frau Dr. Gallus-Jetter, dass die Abteilung Gesundheit versucht, alle erstgeborenen Kinder zu besuchen, aber aufgrund der Personalkapazität  gelingt das lediglich bei nur 60 % der Familien. Dabei wird nur ein erster Kontakt aufgenommen – Familienhebammen leisten da deutlich mehr. Die Abteilungen Jugend und Gesundheit arbeiten bereits zusammen und nutzen die jeweiligen Fachtage für die Fortbildungen. Es wird keine Konkurrenz aufgebaut.

Sie betont, dass eine rechtzeitige Hilfe wichtig ist, unabhängig davon in welcher Abteilung ein Projekt angesiedelt ist, sofern die Vernetzung funktioniert. Frau Sigwarth hebt als Vorteil hervor, dass die Familienhebamme nicht als „Amt“ auftritt und damit einen leichteren Zugang finden.

 

Auf Nachfrage von Frau Zander berichtet Herr Prof. Windorfer, dass in Niedersachsen der Kontakt zu den Familien über die Gynäkologen, Beratungsstellen und das Jugendamt hergestellt wird. Spätestens zur Geburt wenden sich die Frauen an eine dieser Stellen. Damit die Stellen qualifiziert weitervermitteln können, ist viel Informationsarbeit im Vorfeld zu leisten.

Frau Vonnekold ergänzt, dass auch in Neukölln das Jugendamt Familien vermitteln wird. Die Koordinierungsstelle ist dabei wichtige Schnitt- und Vermittlungsstelle sowie Ansprechpartner bei Problemen. Es bleibt für die Familien ein freiwilliges Angebot. Auf Nachfrage von Herrn Rühlmann erklärt sie, dass eine Koordinierungsstelle im Bezirksamt vorerst ausreichend ist.

 

Frau Finger dankt für die Vorstellung und wünscht gute Heimfahrt.

 

Herr Petzold zeigt sich erstaunt über den Ausschuss, eigentlich sollte er für dieses Angebot dankbar sein. Stattdessen nimmt er verwundert die Kritik über die Finanzierung zur Kenntnis. Herr Ahrens stimmt ihm zu und ist zuversichtlich, dass sich Finanzierungsmöglichkeiten finden lassen.

 


Abstimmungsergebnis:

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 55_FrueheHilfen_Definition (72 KB)    

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
BVV Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Sitzungsteilnehmer Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen

BVV-Büro Neukölln

Zimmer: A 201

Verkehrsanbindungen

Sprechzeiten

Montag bis Donnerstag
nach Vereinbarung

an Sitzungstagen des Ältestenrats
geschlossen

an Tagen der BVV-Sitzungen
geschlossen