Drucksache - 2268/V  

 
 
Betreff: Kriterien für die Genehmigung von Wohnungskäufen nach § 172 Abs. 4 Satz 4 BauGB in den Gebieten mit Verordnungen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuchs im Bezirk Mitte
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Bezirksamt Mitte von BerlinBezirksamt Mitte von Berlin
   
Drucksache-Art:Vorlage zur KenntnisnahmeVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
23.01.2020 
34. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (mit LIVESTREAM) mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
1. VzK SB vom 10.01.2020

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

 

(Text siehe Rückseite)


Bezirksamt Mitte von Berlin Datum: Datum

Stadtentwicklung, Soziales und Gesundheit Tel.: 44600

 

Bezirksverordnetenversammlung Drucksache Nr.: 

Mitte von Berlin


Vorlage -zur Kenntnisnahme-

über

Kriterien für die Genehmigung von Wohnungskäufen nach § 172 Abs. 4 Satz 4 BauGB in den Gebieten mit Verordnungen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuchs im Bezirk Mitte

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

Das Bezirksamt hat in seiner Sitzung am   07.01.2020 beschlossen:

Um das Schutzziel des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB, den vorhandenen Mieter*innen eine Möglichkeit zum Verbleib in der Wohnung durch Erwerb einzuräumen, beschließt das Bezirksamt folgende Kriterien für die Genehmigung von Wohnungskäufen:

a) Als Mieter*innen im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 und Satz 4 BauGB werden nur solche Mieter*innen anerkannt, die eine auf Dauer angelegte Nutzungsbeziehung zu dem Kaufobjekt eingegangen sind und zu einem Teil der schützenswerten Wohnbevölkerung in ihrem Milieuschutzgebiet geworden sind. Dies setzt voraus, dass eine Verbundenheit mit dem vom Gesetz geschützten Milieu und seiner spezifischen Infrastruktur entwickelt wurde.

b) Diese Voraussetzungen sind regelmäßig dann gegeben, wenn Wohnungskäufer*innen seit mindestens zwei Jahren ein Mietverhältnis in dem Objekt begründet und dort ihren Lebensmittelpunkt (Hauptwohnsitz) verankert haben.

c) Unbeschadet weiterer Festlegungen in der Einzelfallprüfung sind bei Antragstellung eine Meldebescheinigung als Hauptwohnsitz, ein Mietvertrag nebst Mietzahlungsnachweisen der letzten zwei Jahre sowie mindestens eine jährliche Betriebskostenabrechnung vorzulegen.

 

A) Begründung

Mit der am 14. März 2015 in Kraft getretenen Umwandlungsverordnung steht in allen derzeitigen und zukünftigen sozialen Erhaltungsgebieten Berlins die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unter Genehmigungsvorbehalt. Damit sollen die Mieter*innen geschützt und zugleich die Rechte der Eigentümer*innen berücksichtigt werden. Das Baugesetzbuch benennt im § 172 Abs. 4 die Fälle, in denen eine Genehmigung zu erteilen ist. Im Regelfall machen die Eigentümer*innen vom Ausnahmetatbestand des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB Gebrauch. Dieser besagt, dass eine Genehmigung zu erteilen ist, wenn Eigentümer*innen sich verpflichten, „innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern“. Das Bezirksamt Mitte lässt im Falle der Genehmigung nach der § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB regelmäßig eine Verfügungsbeschränkung in das Grundbuch eintragen und behält sich die Genehmigung für spätere Wohnungsverkäufe nach § 172 Abs. 4 Satz 3 BauGB vor.

 

Ziel des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB ist, zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Verdrängung den vorhandenen Mieter*innen eine Möglichkeit zum Verbleib in der Wohnung durch Erwerb einzuräumen. Unzweifelhaft sind daher Verkäufe an Mieter*innen im Falle von Altmietverträgen zu genehmigen. Dagegen werfen später eingegangene Mietverhältnisse die Frage auf, ob und ab wann Mieter*innen „Mieter“ im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB sind.

 

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat diese Frage bisher nur zum Teil entschieden. Hinsichtlich der Frage nach dem „Ob“ stellt es in seinem Urteil vom 30.06.2004 (4 C 1/03) zunächst klar, dass § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB auch zum Zeitpunkt der Erteilung der Umwandlungsgenehmigung leerstehende Wohnungen und später leerstehende Wohnungen durch Mieterwechsel erfasst. Eine präzise Festlegung der Mietdauer und weiterer Umstände erfolgte jedoch nicht.

 

Ohne eine abschließende Definition vorzunehmen, stellt das BVerwG fest, dass der Mieterbegriff des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB nicht mit dem zivilrechtlichen Mieterbegriff des BGB gleichzusetzen ist. Die Regelung ergänze vielmehr die zivilrechtlichen Regelungen zum Mieterschutz: Ihre Zielrichtung bleibe jedoch städtebaulicher Natur, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu schützen. Der Mieter bzw. die Mieterin müsse Teil des zu schützenden Milieus sein. Das BVerwG stellt in dem genannten Urteil auch klar, dass nicht als Mieter*innen im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB solche Personen anzusehen sind, „die die betreffende Wohnung zwar tatsächlich bewohnen, diese Nutzung aber mit Blick auf die in § 172 IV 3 Nr. 6 BauGB genannten Voraussetzungen nur aufgenommen haben, weil sie von vornherein einen käuflichen Erwerb der Wohnung beabsichtigten“. Da dies nicht entscheidungserheblich war, definierte das Gericht die weiteren Kriterien hierfür nicht näher.

 

Somit stellt sich für die Genehmigungspraxis die Frage, ab wann Mieter*innen als Teil des geschützten Milieus gelten können. Zum Schutz des Erhalts der Wohnbevölkerung muss dabei handlungsleitend im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB sein, den vorhandenen Mieter*innen, die im Milieuschutzgebiet heimisch sind, eine Möglichkeit zum Verbleib in der Wohnung durch Erwerb einzuräumen. Dabei gilt es auch zu verhindern, dass Mietverträge nur zum Schein abgeschlossen werden mit dem Ziel, die Wohnung zu einem späteren Zeitpunkt zu erwerben.

 

Ein wichtiges Element bei der Festlegung sozialer Erhaltungsverordnungen und den diesen vorausgegangenen Voruntersuchungen ist, dass eine zu schützende Wohnbevölkerung eine Bindung an das Quartier ausgeprägt hat (z.B. in sozialen Beziehungen untereinander und bezüglich der erforderlichen Infrastruktur). Hierbei kann grundsätzlich jeder neue Mieter und jede neue Mieterin Teil dieser Struktur werden. Mieter-Fluktuationen sind also möglich. Sie sind aber explizit nicht vom Schutz der Erhaltungsverordnung erfasst. Eine Bindung an das Quartier kann daher nicht allein durch einen Mietvertrag spontan erzeugt werden, sondern erfordert, dass man eine auf Dauer angelegte Nutzungsbeziehung aufgebaut hat. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn man einen relevanten Zeitraum selbst im Quartier mit Hauptwohnsitz gewohnt und im Laufe der Zeit entsprechende Beziehungen und Bindungen entwickelt hat. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist das erst nach zwei Jahren der Fall. Nach Ablauf dieses Zeitraumes lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit sagen, dass man im Quartier verwurzelt ist und auch bleiben möchte, auch wenn es immer Lebensumstände wie z.B. der Verlust eines Arbeitsplatzes oder eine Familiengründung geben wird, die dazu führen können, die Wohnung wieder aufgeben zu müssen. Kürzere Verweildauern im Mietobjekt sind ein Anhaltspunkt dafür, dass man – wie es die moderne Arbeitswelt oftmals erfordert – den Wohnsitz eher als Zwischenaufenthalt nutzt, was die Fluktuation im Quartier fördert, nicht jedoch den Erhalt der Wohnbevölkerung.

Im Interesse der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns erscheint daher die im Beschlusstext formulierte Festlegung als Ausfüllung des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 und Satz 4 BauGB nach einzelnen Vorgaben des BVerwG geboten.

 

B) Rechtsgrundlage

 Baugesetzbuch (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634) i. V. m. der Umwandlungsverordnung, ortsüblich bekannt gemacht am 13.03.2015 im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin (GVBl. 71. Jahrgang, Nr. 3, S. 43)

 Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs (AGBauGB) in der Fassung vom 7. November 1999 (GVBl. S. 578), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Dezember 2017 (GVBl. S. 664)

C) Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung 

  1. Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben:

Keine 

  1. Personalwirtschaftliche Auswirkungen:

Keine

Berlin, den 07.01.2020

Bezirksbürgermeister von Dassel Bezirksstadtrat Gothe

 
 

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