Drucksache - 0837/III  

 
 
Betreff: Strukturen für einen "Gesunden Bezirk" Mitte
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Bezirksamt Mitte von BerlinBezirksamt Mitte von Berlin
   
Drucksache-Art:Vorlage zur KenntnisnahmeVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
19.06.2008 
17. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
1. Vorlage zur Kenntnisnahme vom 09.06.2008
Anlage zur Vorlage zur Kenntnisnahme

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

 

 

(Text siehe Rückseite)


Bezirksamt Mitte von Berlin

Abt. Gesundheit und Personal

Bezirksbürgermeister

 

 

 

            Bezirksverordnetenversammlung                                                    Drucksache Nr. 0837/III

Mitte von Berlin

 

 

 

Vorlage - zur Kenntnisnahme –

 

über „Strukturen für einen ‚Gesunden Bezirk’ Mitte“

 

 

 

Wir bitten, zur Kenntnis zu nehmen:

 

Das Bezirksamt gibt der Bezirksverordnetenversammlung das „Strukturmodell für einen ‚Gesunden Bezirk’ Mitte“ beigefügt zur Kenntnis.

 

 

Begründung:

Das Bezirksamt Mitte hat zum Zeitpunkt der Bezirksfusion das „Konzept für einen ‚Gesunden Bezirk’ Mitte“ verabschiedet, in dem der Rahmen für das Handeln der kommunalen Gesundheitsförderung beschrieben wird. Das Konzept diente zugleich als Grundlage für den Mitgliedsantrag beim Gesunde-Städte-Netzwerk der Bundesrepublik Deutschland. Die Erfahrungen mit diesem Modell in den vergangenen Jahren sowie einige neuere Entwicklungen der letzten Zeit lassen eine Überarbeitung und Ergänzung sinnvoll erscheinen:

·         Es gilt, einer Reihe von strukturellen Problemen der Gesundheitsförderung durch klare Verfahrensfestlegungen zu begegnen;

·         Die Novellierung des Berliner Gesundheitsdienst-Gesetzes von 2006 hat die Bedeutung von Gesundheitsförderung und Public Health für den Öffentlichen Gesundheitsdienst noch einmal hervorgehoben;

·         In diesem Zusammenhang ist ebenso ein verstärktes Augenmerk auf die Berücksichtigung von Qualitätsentwicklung gelegt worden;

·         Das Bezirksamt plant für den Bezirk die flächendeckende Implementierung von Stadtteilverfahren, gleichzeitig wünscht die BVV die Einrichtung eines ressortübergreifenden bezirklichen Gremiums zur Steuerung gesundheitsförderlicher Vorhaben.

Das vorgelegte Strukturmodell versteht sich daher als Ausdifferenzierung und Anpassung des bestehenden Konzepts.

 

 

Hindernisse auf dem Weg zum „Gesunden Bezirk“

 

Der Begriff der Gesundheitsförderung hat seit seiner Beschreibung in der Ottawa-Charta 1986 im Laufe der letzten 20 Jahre ein gewisses Maß an Etabliertheit entfalten können. Er wird in vielen Kontexten von sehr unterschiedlichen Akteuren des Gesundheitswesens als gebotenes Verfahren angeführt und viele Aktivitäten verstehen sich explizit als gesundheitsfördernde Maßnahme.

Mit der Verabschiedung des GDG 1994 wurde Gesundheitsförderung als Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes gesetzlich festgeschrieben und hat sich als Bestandteil im Aufgabenkanon des ÖGD im Bewusstsein verankert.

Zur Umsetzung von Gesundheitsförderung im kommunalen Rahmen ist der Bezirk Mitte teilweise bereits vor der Bezirksfusion Mitglied im Deutschen Gesunde-Städte-Netzwerk geworden: Der Alt-Bezirk Wedding bereits 1992, Tiergarten 1997, Mitte(alt) hat den Beitritt zum Zeitpunkt der Fusion 2001 beschlossen.

 

Seine allgemeine Akzeptanz verdankt der Begriff der Gesundheitsförderung sicher in erster Linie dem Grundverständnis „Vorbeugen ist besser als Heilen“. Es ist sehr einleuchtend, im Gesundheitswesen nicht nur Krankheitsbehandlung und -früherkennung zu organisieren, sondern ebenso die bekannten Einflussfaktoren für Krankheitsentstehung und Gesunderhaltung so zu organisieren, dass sie für möglichst viele Menschen ein möglichst hohes Maß an Gesundheit gewährleisten können und dadurch spätere Kosten der Krankheitsbekämpfung reduzieren, wenn nicht sogar vermeiden helfen. Aber über diesen einer allgemeinen Vorsorge-Ethik entspringenden Grundsatz hinaus lässt sich obendrein auch die langfristige Kosteneffizienz für einige gesundheitsfördernde Maßnahmen belegen.

 

Dass sich Gesundheitsförderung trotz dieser günstigen Voraussetzungen bislang dennoch nur sehr sporadisch außerhalb des Gesundheitsbereichs (und selbst dort nur innerhalb eines abgegrenzten Teilgebietes) hat verankern können, liegt an einer Reihe von Problemen, mit denen der Ansatz Gesundheitsförderung seit seiner Formulierung zu tun hatte:

 

Unschärfe-Problem

In konsequenter Fortführung der Schwierigkeit, eine allgemein anerkannte, gut vorstellbare Definition des Gesundheitsbegriffs aufzustellen, die sich nicht auf die Abwesenheit von Krankheit stützt, sondern ein positives Gesundheitsverständnis formuliert, gibt es ebenso Schwierigkeiten mit einer genauen Formulierung dessen, was denn genau diesen unscharfen Begriff „Gesundheit“ eigentlich am ehesten zu fördern in der Lage wäre. Die WHO selbst hat in ihrer Definition von Gesundheitsförderung, der „Ottawa-Charta“, diese bereits durch ein enorm breites Bündel von Strategien und Kernelementen beschrieben. Erschwerend kommt dabei hinzu, dass nicht erst die vollständige Anwendung all der benannten Instrumente gesundheitsförderndes Vorgehen begründet, sondern bereits die partielle Anwendung einiger. Der mögliche Rahmen von Gesundheitsförderung wird dadurch so universell, dass er Spielraum für sehr unterschiedliche Definitionen bietet, worin der eigentliche konkrete Auftrag gesundheitsförderlichen Handelns liegt.

 z.B.

·         Gesundheitsförderung als ein Verfahren zur systematischen Verringerung gesundheitlicher Belastungen, Verbesserung gesundheitlicher Ressourcen sowie Verbesserung des individuellen Gesundheitsverhaltens.

·         Gesundheitsförderung als Einzelmaßnahme, die sich unmittelbar an bestimmte Bevölkerungsgruppen richtet und auf die gesundheitszuträgliche Änderung ihres individuellen Verhaltens oder der näheren Lebensumstände abzielt.

·         Gesundheitsförderung als Maßnahmen der Gesundheitsinformation und –erziehung.

·         Gesundheitsförderung als nichtmedizinische Behandlungsmaßnahme.

 

Aus diesem Grund wird der Begriff der Gesundheitsförderung in vielen Zusammenhängen verwandt, ohne dass dahinter immer das gleiche Aufgabenverständnis steht. Diese Vielfalt erweist sich für Strategieabstimmungen zwischen unterschiedlichen Akteuren sowie für die Bewertung von Erfolgen bzw. erfolgversprechenden Ansätzen als hinderlich und für die Vermittlung nach außen als Grund für Verwirrung.

 

 

Einmischungs-Problem

Aus der Positiv-Definition von Gesundheit durch die WHO ergibt sich eine äußerst ressortunspezifische oberste Zielsetzung für Gesundheitsförderung: „Gesundheit ist das Ausmaß, in dem Einzelne oder Gruppen in der Lage sind, einerseits ihre Wünsche und Hoffnungen zu verwirklichen und ihre Bedürfnisse zu befriedigen, andererseits aber auch ihre Umwelt meistern oder verändern können.“ (WHO, 1984)

Innerhalb der Aufgabenverteilung staatlicher Daseinsvorsorge ergeht der Erfüllungsauftrag für eine so verstandene Gesundheit nicht allein an das Gesundheitswesen: Gesundheitsförderung setzt an der Beeinflussung der Lebensverhältnisse an, um den Menschen gesundheitsgerechtere Lebensbedingungen und gesundheitsgerechteres Verhalten zu ermöglichen. Insofern ist es weitgehend unstrittig, dass die hierfür zu ergreifenden Maßnahmen zu einem großen Teil nicht durch das Gesundheitswesen, sondern durch andere Ressorts zu erbringen sind (Bildung, soziale Situation, Arbeitsmarkt, Integration, Umwelt, städt. Lebensräume).

In der Praxis erweist es sich freilich als Problem, aus der Initiative des Gesundheitswesens heraus das Handeln anderer Ressorts zu beeinflussen. Dies resultiert daraus, dass Ressorts ihr Handeln, ihre Ressourcenplanung und Prioritätensetzung aus eigener Problemwahrnehmung heraus ableiten, die die oben beschriebenen gesundheitsrelevanten Aspekte bereits zumindest partiell integriert. Die Orientierung am Wohlergehen der Bevölkerung ist ja keine originär neue Orientierung für die Aufgabenplanung der Ressorts, sondern ohnehin bereits die angewandte Entscheidungsbasis. Diese implizite Integration von Gesundheitsaspekten enthebt aber die Gesundheitsförderung oft in den Auigen der dort Beteiligten ihrer Legitimation für steuernde Impulse in das Ressort, da ja aus dessen Sicht die erkannten gesundheitsrelevanten Probleme bereits im Rahmen des Machbaren bearbeitet werden.

 

Evidenz-Problem

Der Nutzen einer gesundheitsförderlichen Maßnahme ist i.d.R. nur schwer zu quantifizieren. Messbar sind vor allem Krankheitsindikatoren. Der Erfolg der Gesundheitsförderung lässt sich also messen durch das Ausmaß, um das das Eintreten von Krankheit vermindert werden kann. Dies bei langfristig angelegten Präventionsmaßnahmen zu messen und dafür einen kausalen Zusammenhang zu belegen, ist allerdings ein schwieriges und teilweise extrem aufwändiges Verfahren. Seiteneffekte, die von Maßnahmen ausgehen, entziehen sich u.U. einer Messbarkeit

 

Bei mangelnder Belegbarkeit der Effekte besteht jedoch auch gedämpfte Bereitschaft in derartige Verfahren zu investieren. Dies führt im Ergebnis dazu, dass Gesundheitsförderung in der politischen Diskussion eher im Sektor der weichen, ideologisch-ethisch zwar nachvollziehbaren, in ihrem praktischen Nutzen jedoch nicht ausreichend belegbaren Handlungsstrategien angesiedelt ist – ein Sektor, der vorwiegend im immateriellen Bereich und weniger im Bereich politischer Ressourcenverteilung behandelt wird.

Da präventive Effekte sehr viel weniger erlebbar sind als konkrete Krankheitssymptome und die damit verbundenen teilweise gravierenden Probleme, unterliegt Gesundheitsförderung in der Regel in der Priorisierung von Vorhaben (z.B. wenig Förderung von Präventionsmaßnahmen im Verhältnis zu kurativen Maßnahmen, wenig Präventionsförderung durch die öffentliche Hand, wenig öffentliche „Präventionskultur“)

 

 

Gesundheitsförderung hat sich mit diesen Schwierigkeiten auseinanderzusetzen und hierzu Umgangsweisen zu entwickeln. Das bestehende – im Grundsatz schlüssige und akzeptierte - „Konzept für einen Gesunden Bezirk Mitte“ erweist sich an den benannten Problempunkten als noch nicht präzise genug. Kehrt man diese in ihr positives Gegenteil, ergeben sich folgende Anforderungen, denen die zu entwickelnde Präzisierung gerecht werden muss:

 

Anforderung I: Eindeutigkeit

Das dem bezirkliche Modell zugrundeliegende Verständnis von Gesundheitsförderung muss eindeutig benannt, in den bezirklichen Gremien und den Ressorts bekannt und konsensfähig sein.

 

Anforderung II: Konsens zur Aufgabenverteilung

Zur klaren Identifikation ineinandergreifender Zuständigkeiten über verschiedene beteiligte Ressorts ist ein systematisches Verfahren zur Analyse und Bearbeitung von gesundheitlichen Belastungen und Problemen zu entwickeln, das im Bezirk möglichst einstimmig verabschiedet werden sollte.

 

Anforderung III: Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit

Das bezirkliche Verfahren der Gesundheitsförderung sowie die einzelnen gesundheitsförderlichen Maßnahmen haben sich ausnahmslos den Ansprüchen auf Bewertbarkeit und Qualität zu stellen.

 

Vor diesem Hintergrund wird das beigefügte „Strukturmodell für einen ‚Gesunden Bezirk’ Mitte“ der BVV zur Kenntnis gegeben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 15 i.V.m. § 36 Bezirksverwaltungsgesetz

 

Auswirkungen auf den Haushaltplan und die Finanzplanung:

 

a)      Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben:
Keine


b)      Personalwirtschaftliche Auswirkungen
Keine

 

 

Berlin, den

 

 

 

Bezirksbürgermeister

 

 
 

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