Drucksache - 3328/V  

 
 
Betreff: Information der BVV zu planungsrechtlich gefährdeten Wohngebäuden in Mitte
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die GrünenBezirksamt Mitte von Berlin
Verfasser:Neugebauer, Siewer, F. Bertermann und die anderen Mtiglieder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
   Beteiligt:Fraktion DIE LINKE
Beratungsfolge:
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
16.09.2021 
52. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (mit LIVESTREAM) ohne Änderungen in der BVV beschlossen   
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
17.03.2022 
6. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin      
19.05.2022 
7. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
1.Antrag Grüne vom 07.09.2021
2. Beschluss vom 16.09.2021
3. VzK SB vom 02.03.2022

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

 

(Text siehe Rückseite)

 


Bezirksamt Mitte von Berlin Datum:     .02.2021

Stadtentwicklung und Facility Management Tel.: 44600

 

Bezirksverordnetenversammlung Drucksache Nr.: 3328/V

Mitte von Berlin


 

Vorlage -zur Kenntnisnahme-

über
Information der BVV zu planungsrechtlich gefährdeten Wohngebäuden in Mitte

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

Die Bezirksverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 16.09.2021 folgendes Ersuchen an das Bezirksamt beschlossen (Drucksache Nr.  3328/V)

 

Das Bezirksamt wird ersucht, der BVV eine Übersicht über alle mit Wohngebäuden bebauten Grundstücke vorzulegen, die sich in Gebieten befinden, in denen Wohnen planungsrechtlich nicht, oder nur ausnahmsweise zulässig ist. Folgende Informationen sollen dabei dargestellt werden:

- Adresse des Grundstücks

- Planungsrechtliche Festsetzungen (z. B. „Beschränktes Arbeitsgebiet, Gewerbegebiet, Kerngebiet u. ä), incl. wann, auf welcher Grundlage (z. B. Baunutzungsplan, Bebauungsplan o. ä.)

- Begründung für die planungsrechtliche Festsetzung

- Einschätzung, ob und warum die bisherigen planungsrechtlichen
Festsetzungen hinsichtlich der Unzulässigkeit oder teilweisen
Unzulässigkeit von Wohnnutzungen beibehalten bleiben sollen

- Einschätzung, ob und warum die diesbeglichen bisherigen
planungsrechtliche Festsetzungen geändert werden sollten und welche Schritte das Bezirksamt diesbezüglich wann einzuleiten gedenkt

 

Das Bezirksamt hat am 01.03.2022 beschlossen, der Bezirksverordnetenversammlung dazu Nachfolgendes als Schlussbericht zur Kenntnis zu bringen:

 

Grundsätzlich ist zu unterscheiden, ob die Nutzungsart Wohnen gemäß bestehendem Planungsrecht grundsätzlich ausgeschlossen oder nur ausnahmsweise zulässig ist.

In Gewerbegebieten, Industriegebieten bzw. beschränkten oder reinen Arbeitsgebieten ist Wohnen grundsätzlich nicht erlaubt und kann in der Regel auch nicht im Rahmen von Befreiungen genehmigt werden. In anderen Gebieten kann das Wohnen durch eine Festsetzung im Bebauungsplan explizit ausgeschlossen sein und kann dann dort auch nicht im Rahmen einer Befreiung zugelassen werden.

Dabei spielt die Begründung der planungsrechtlichen Festsetzung im Bebauungsplan nur eine untergeordnete Rolle. Soweit es keine explizite Festsetzung im Bebauungsplan gibt, die bspw. das Wohnen ausnahmsweise erlaubt, gibt es keinen Spielraum für dessen Zulassung.

 

In Gebieten, für die kein Bebauungsplan festgesetzt ist, aber die Nutzungsart gem. § 34 Abs. 2 BauGB einem der o.g. Baugebiete (Gewerbegebiet, Industriegebiet) entspricht, gilt anlog die generelle Unzulässigkeit von Wohnen.

Das Vorhandensein von einzelnen Wohnungen bzw. Wohnhäusern in festgesetzten Gewerbe- oder Industriegebieten ist im Zusammenhang mit der Festsetzung des Bebauungsplans abgewogen. Der Plangeber hat sich damit festgelegt, dass der Entwicklung von Industrie und Gewerbe in diesen Gebieten Priorität einzuräumen ist gegenüber der Sicherung bzw. Weiterentwicklung der Wohnnutzung. Das Wohnen genießt hier im planungsrechtlichen Sinne nur Bestandsschutz solange

  1. die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse durch das benachbarte Gewerbe nicht massiv gefährdet sind und
  2. der Eigentümer keine andere dem Gewerbe- oder Industriegebiet adäquate Nutzung beantragt.

Im Falle der Beantragung einer gewerblichen oder industriellen Nutzung an der Stelle des Wohnens kann hier das Wohnen planungsrechtlich nicht gesichert werden. Selbst wertsteigernde Modernisierungsmaßnahmen an den Wohnungen sind hier unzulässig. Zweckentfremdungsrechtlich handelt es sich nicht um schützenswerten Wohnraum. Da kein Eigentümer genötigt ist, Bestandsschutz (ebenso wie eine bestehende Baugenehmigung) in Anspruch zu nehmen (BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 10, S. 20 (26) = NJW 1984, 2901 =NVwZ 1984, 450), darf ihm dies auch nicht erst Recht nicht zur Herbeiführung eines zweckentfremdungsrechtlich relevanten Tatbestandes - aufgedrängt werden. Infolgedessen ist festzustellen, dass das Zweckentfremdungsrecht nicht wirksam eine Wohnnutzung festschreiben kann, die das Bebauungsrecht (mittlerweile) untersagt (so bereits BVerwG, Urteil vom 01. 10. 1986 - 8 C 53/85).

Um Wohnen in solchen Gebieten zulässig zu machen, bedarf es eines neuen Bebauungsplans. Dem vorausgehen kann im Einzelfall die Festsetzung eines Sanierungsgebietes, innerhalb dessen Wohnen zum Sanierungsziel erklärt wird und in dessen Folge ein Bebauungsplan diese Ziele festsetzt. Grundsätzlich erfolgt eine Evaluation der Planungsziele im Rahmen der bezirklichen Entwicklungsplanung und dort insbesondere in dem z.Z. laufenden Verfahren zum sektoralen Fachplan Wirtschaft und einem demnächst zu beauftragenden Fachplan Wohnen.

Anders verhält es sich in Baugebieten, in denen das Wohnen gem. BauNVO ausnahmsweise erlaubt ist, so in Kerngebieten, oder in Baugebieten, in denen ein Bebauungsplan das Wohnen ausnahmsweise zulässig (§ 31 Abs. 1 BauGB) macht. Hier entscheiden in erster Linie die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse bzw. die konkreten Festsetzungen des Bebauungsplans über die Genehmigungshigkeit von Wohnen. Auch hier kann der Erhalt von Wohnungen in der Regel planungsrechtlich nicht erzwungen werden. Kann eine allgemeine Wohnnutzung in einem Plangebiet lediglich nur ausnahmsweise nach § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden, handelt es zweckentfremdungsrechtlich zudem nur dann um schützenswerten Wohnraum, wenn auf einen entsprechenden Antrag des Eigentümers hin die Wohnnutzung zugelassen worden ist. Stellt er also keinen Antrag, handelt es sich also nicht um schützenswerten Wohnraum im Sinne der Zweckentfremdung (vgl. BVerwG a.a.O.). Gleiches wird auch beim Milieuschutz gelten.

Adressen von Wohnungen bzw. Wohnhäuser in Gebieten, an denen gem. eines Bebauungsplans oder in einem faktischen Baugebiet gem. §34 Abs. 2 BauGB Wohnen nur ausnahmsweise zulässig ist, zu ermitteln, ist mit vertretbaren Aufwand nicht realisierbar. Wie oben dargestellt, greifen hier jedoch ohnehin auch die Genehmigungsvorbehalte der Zweckentfremdungsverordnung oder ggf. des Milieuschutzes.

Weiterhin ist zu bedenken, dass in vielen der hier erfragten Bestandsituationen Gewerbe und Wohnen im Bestand konfliktarm nebeneinander existieren und gern als sogenannte „Kreuzberger Mischung“ positiv gesehen werden.

Eine Sicherung des Wohnens über einen B-Plan würde als „herkömmliche Wohnnutzung“ die gewerbliche Nutzung zwangsläufig verdrängen.

Sofern ein Neubauprojekt den Abriss eines Wohngebäudes voraussetzt, sei es, um ein größeres Wohngebäude zu errichten oder sei es, eine andere Nutzung zu verwirklichen, ist der fachliche Austausch zwischen dem Bereich Zweckentfremdung und dem Stadtentwicklungsamt notwendig. Vor Erteilung eines Negativtestes oder einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung inklusive einer Regelung für Ersatzwohnraum ist die Kenntnisnahme durch StadtFML und BzBm zunftig sicherzustellen.

Eine Liste der potentiell gefährdeten Wohnungsstandorte wurde als interne Arbeitsgrundlage erarbeitet. Es handelt sich um 132 Standorte im Bezirk Mitte.

Dabei wurden Adressen von Wohnhäusern in planungsrechtlich gesicherten Gewerbe-, Industrie-, beschränkten Arbeits- und reinen Arbeitsgebieten dargestellt. Dieser Liste ist auch zu entnehmen, welcher Art der Bebauungsplan ist, ob die Grundstücke in einem Sanierungsgebiet liegen, ob ein neues Bebauungsplanverfahren durchgeführt wird, welche Planungsziele verfolgt werden und welchen Verfahrensstand diese Pläne haben. Die Adressen sind nach besten Wissen und an Hand der Aktenlage ermittelt, erheben jedoch keinen Anspruch auf abschließende Vollständigkeit.

Diese Liste kann zur vertraulichen Einsichtnahme im Fachbereich Stadtplanung vorgelegt werden.

A)    Rechtsgrundlage:

§ 13 i.V. mit § 36 BezVG

B)    Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung

  1. Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben:

keine

  1. Personalwirtschaftliche Auswirkungen:

keine

Berlin, den 01.03.2022

Bezirksstadtrat Gothe  Bezirksbürgermeister von Dassel

 

 
 

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