Auszug - Zukunft der Schulden- und Insolvenzberatung - Jahresbericht 2010 - BE: Herr BzStR von Dassel  

 
 
46. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Bürgerdienste
TOP: Ö 2.1
Gremium: Soziales und Bürgerdienste Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 12.04.2011 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 19:43 Anlass: ordentlichen Sitzung
 
Wortprotokoll
Beschluss

Der an die Ausschussmitglieder verteilte Bericht ist eine Zusammenfassung der im Jahre 2010 erhobenen Daten der drei anerkannt

Der an die Ausschussmitglieder verteilte Bericht ist eine Zusammenfassung der im Jahre 2010 erhobenen Daten der drei anerkannten Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Mitte: die der Beratungsstelle der Caritas Berlin in Alt-Mitte, des Deutschen Familienverbandes in Kooperation mit dem Bezirksamt Mitte in Tiergarten und der AWO im Wedding.

(Weiteres nachzulesen in verteilten Unterlagen)

 

Der Vorsitzende, Herr Allendorf, dankt für die Berichterstattung und eröffnet die Diskussion.

 

Herr Allendorf möchte wissen, wie die Handhabung ist, wenn ein(e) Schuldner/-in die Beratungsstelle aufsucht. Antwort: Es gibt jederzeit Notfallberatungen und man wird zeitnah beraten. Auf die Wartelisten (liegen bei 6,8 Monaten) werden Langzeitberatungen (Insolvenzberatung) gesetzt.

 

Frau BD Westphal (CDU) bittet um Definition des angesprochenen Begriffes Sockelmiete. Antwort: Unter Sockelmiete ist zu verstehen, dass das Jobcenter die höchst zulässige Miete zahlt.

 

Frau BV Dr. Reuter (Die Linke) möchte wissen, warum die Prävention nicht im Produkt mit eingeführt werden kann. Bei vielen Produkten in der KLR habe man viele kreative Buchungsmethoden in den Bezirken. Sie erinnert sich, dass im Bezirk Lichtenberg im Musikschulprodukt (Problem besteht dort mit festangestellten Personen) eine Vereinbarung getroffen wurde, dass diese Musiklehrer/-innen in die Kitas gehen und eine Stunde kostenlosen Gruppenunterricht erteilen. Sie fragt, warum der Bezirk Mitte bei der präventiven Schuldnerberatung dieses Produkt nicht auch so hinein nehmen könnte.

Herr Wahrmann teilt mit, dass die präventive Schuldnerberatung immer ein Teil der Schuldnerberatung bis 2009 war. Der Bezirk Neukölln war der einzige Bezirk, der umfassend präventive Schuldnerberatung in Schulen und Jugendprojekten angeboten hatte. Die Zahlen gingen so weit nach unten, dass es ein Ungleichgewicht gegenüber den anderen Bezirken gab. 2008 gab es für 2009 den Beschluss, dieses Produkt herauszunehmen, damit in den Bezirken eine Gleichzeit vorhanden ist. Unglücklich sei, dass das jetzt Auswirkungen darauf habe, dass es nicht mehr gezählt wird und es voll auf die Kosten in der KLR herauf schlägt. Zeit wird investiert und die Kontakte werden nicht mehr gezählt.

Frau Wächter teilt ergänzend mit, dass eine Unterrichtsstunde mit 20 Schülern/-innen nicht gleichzusetzen sei, wie 20 Beratungsgespräche in laufender Beratung mit Klienten/-innen. Hier gibt es eine erhebliche Differenz, weshalb eine Prävention nicht im Produkt Schuldnerberatung zu buchen ist. Man fordert schon länger, dass hier noch einmal geprüft wird.

 

Herr BV Rauskolb (CDU) meint, dass dieses Problem der Ausschuss nicht lösen kann. Das sei ein typisches Kostenleistungsrechnungsproblem. Hier muss man viel über eine Produktbeschreibung wissen. Er verfügt über die Kenntnisse nicht. Herr Rauskolb meint, dass Aufgabe der Insolvenzberatung keine präventive Aufgabe sei. Es wird sehr viel Sozialarbeit in den unterschiedlichsten Bereichen gemacht. Häufig habe Sozialarbeit auch eine Präventivfunktion. Er meint, wenn die Schuldnerberatung tätig wird, ist das nicht mehr präventiv, sondern hier muss geholfen werden. Das hat bei der gesamten Produktdiskussion eine Rolle gespielt. Eine gute Insolvenzberatung wäre hervorragend geeignet, präventiv zu beraten. Aber alles muss finanziert werden. Das stellt das Problem dar. Es muss nach vernünftigen gleichen Maßstäben in allen Bereichen (in allen Bezirken) geschehen. Dieses Problem kann der Ausschuss nicht lösen. Das muss die Senatsverwaltung lösen.

Herrn Rauskolb sei bei der Vorstellung eines Berichtes der Eindruck entstanden, dass man eine Abhängigkeit herzustellen versucht von mangelnder Ausbildung und Verschuldensgrad. Er fragt, ob das wirklich gesichert sei oder ist es spekulativ. Er kennt viele Beispiele, dass hochintelligente Menschen mit einer hervorragenden Ausbildung total verschuldet sind. Herr Leineweber teilt mit, dass es sich um eine statistische Auswertung handele. Der Bildungsgrad bei den zu bearbeitenden Schuldnern/-innen ist geringer als in der Normalgesamtbevölkerung. Das schließt nicht aus, dass ein(e) hochintelligente/r Schuldner/-in Schulden macht. Das trifft die Aussage nicht weg, sondern man kann nur aus der Statistik ersehen, dass besonders viele keine Ausbildung oder Berufsausbildung haben. Dieser Prozentsatz ist besonders hoch.

Herr Rauskolb bezieht sich auf den Aspekt Migrationshintergrund und meint, dass man sehr genau hinschauen müsste, wie hoch der Anteil der Migranten der Gesamtbevölkerung im Bezirk Mitte ist und in wie weit unterscheidet sich der prozentuale Anteil der Migranten an der Gesamtbevölkerung von den Prozentsätzen, die bei der Schuldnerberatung nachfragt. Er vermutet, dass dort keine großen Unterschiede feststellbar sind. Es sei nicht verwunderlich, wo ein hoher Migrationsanteil in der Bevölkerung ist, auch bei den Schuldnerberatungen die Migranten/-innen eine auffällige Größe darstellt. Herr Leineweber betont noch einmal, dass es sich um eine statistische Auswertung der Klienten/-innen handelt, die in der Schuldnerberatung vorsprechen. Es handelt sich um keine Auswertung im Bezirk. Man kann nur Meldungen über Arbeitslosigkeit oder Einkommenslagen heranziehen. Vergleicht man Haushalte zwischen deutscher Bevölkerung und Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist das Durchschnittseinkommen bei den Migranten deutlich geringer. Die Deutsche Bevölkerung gliedert sich dann auch noch einmal in Einkommensschwache (besonders betroffen Familien mit vielen Kindern bzw. Alleinerziehende) auf.

 

Herr BD Lötzer (Die Linke) bezieht sich auf die Prävention und erinnert an eine vor ca. 2 Jahren stattgefundene Ausschusssitzung, in der über die Schuldnerprävention bei Jugendlichen und im Umgang mit Händys und der gleichen Dinge diskutiert wurde. Er stimmt Herrn Rauskolb dahingehend zu, dass man das auf Landesebene regeln müsste, entweder auf Abstimmung zwischen den Bezirken oder sofort mit der passenden Senatsverwaltung. Herr Lötzer möchte wissen, ob es hier unterschiedliche Positionen in den Bezirken momentan zum Thema Prävention gibt. Meinen einige Bezirke, dass sie das nicht im Leistungsspektrum der Schuldnerberatung möchten. Weiterhin möchte er wissen, ob zu diesem Thema am 03.05.2011 mit der Staatssekretärin ein Gespräch geführt wird.

Herr Wahrmann meint, dass es Unterschiede in den Bezirken gibt. Das hängt mit der Kosten- und Leistungsrechnung zusammen, was kann man sich leisten, wie viel Aufwand kann man hinein geben. Neukölln war bisher immer der Vorzeigebezirk. Die Beratungsstelle dort ist jetzt abgewickelt. Charlottenburg-Wilmersdorf hat geringe Gelder erhalten, um Lehrer/-innen zu schulen. Das wird nicht umgesetzt. Erfolgreich war bisher immer, wenn die Schuldnerberatungen in die Schulen hineingegangen sind und das Thema angesprochen haben. Das Defizit bei den Lehrer/-innen ist sehr groß. Hier muss dringend etwas geschehen.

 

Frau BV Schauer-Oldenburg (Grüne) erinnert an den letzten Jugendhilfeausschuss, in dem ein Tagesordnungspunkt sich sehr ausführlich mit Jugendschutz, Präventionsmaßnahmen und Suchtgefahr durch den Spielhallenboom in sozialen Brennpunkten beschäftigte. Eine Mitarbeiterin der Senatsverwaltung teilte mit, dass die hohe Arbeitslosigkeit ein Anzug für Spielsalons sei.
Im Bericht sei aufgeführt, dass an erster Stelle die Arbeitslosigkeit und an dritter Stelle Erkrankung und Sucht stehe. Sie fragt, ob Erkenntnisse vorliegen, dass hier ein Zusammenhang bestehen könnte. Frau Wächter teilt mit, dass immer wieder Spielsucht und Überschuldung dessen in der Beratung vorzufinden sei. Die Spielsucht sei aber ein relativ geringer Anteil in der Überschuldungsursache, solange die Klienten/-innen nicht aktiv süchtig sind. Die Klienten kommen erst wieder in die Beratung, wenn sie sich in der Therapie befinden. In die Beratung kommen sehr oft Angehörige von Spielsüchtigen, die darunter leiden, weil z. B. das Geld für die Miete und Strom nicht mehr vorhanden sei. Man kann nur versuchen, den Angehörigen zu vermitteln, dass sie die Spielsüchtigen davon überzeugen, sich in eine Therapie zu begeben.

 

Frau BD Westphal (CDU) regt an, die Senatsverwaltung für Schule und Bildung mit einzubeziehen. Herr Wahrmann dankt für den Hinweis. Man versucht auf verschiedenen Ebenen etwas zu erreichen. Es geht um 8.000,00 € im Jahr. Problem stelle auch die Zeit dar, so etwas durchzuführen. Die Zeit geht auf Kosten der Beratungszeit. Die Kontakte können in dieser Zeit nicht hergestellt werden.

 

Herr BzStR von Dassel dankt den drei anerkannten Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Mitte für ihre engagierte Arbeit.

Er bezieht sich auf seine verschickte Tabelle und betont, dass es trotz der dramatischen Einsparforderungen, die auf das Bezirksamt zugekommen ist, die Ausgaben, die in 2007 eingestellt wurden, noch im Jahr 2011 zur Verfügung zu stellen. Zwischen 2007 und 2011 wurden insgesamt 17.000,00 € weniger an die Schuldnerberatungen ausgereicht. Das sei im Vergleich zu anderen Bezirken ein akzeptables Ergebnis.
Herr von Dassel vermittelt, dass ein KLR-Problem vorliege. Dieses Problem macht sich am Median fest (Verluste sind derzeit bei 16.000,00 € + Mediankorrekturfaktor = 26.000,00 €). Dass eigentliche Problem stellt sich bei der Normierung dar, welches auf keinem Produktblatt steht. Es wird ausgerechnet, was würden die Bezirke lt. ihrer Kosten- und Leistungsrechnung an Geld bekommen. Der Senat stellt jedes Jahr fest, soviel Geld habe man gar nicht. Er zieht dann durchschnittlich 6 % ab. Das skandalöse an dieser Normierung ist, dass das auch für Produkte gilt, die man als gesetzliche Pflichtaufgabe bezeichnen könnte. Darauf wird keine Rücksicht genommen. Bei der Frage, welche finanziellen Probleme habe man, die Schuldnerberatung vernünftig auszustatten, muss man immer berechnen, dass man ein Budget von ca. 800.000,00 € habe. Der Senat zieht aber davon 6 % ab (50.000,00 €). Diese Summe wird in der KLR nicht deutlich.
 

Zur Prävention teil er mit, dass sich die Senatsverwaltung heraus hält. Sie meint nicht für die Qualitätsstandards zuständig zu sein. Verständigt sich eine Mehrheit der Bezirke auf etwas, ist das gut so, wenn nicht, ist das auch gut so. Es obliegt allein den Bezirken zu sagen, wie man mit der Frage einer Präventionsberatung umgeht.

 

Weiter vermittelt Herr von Dassel, dass der Bezirk sehr hohe Amts- und Referatskosten habe, die deutlich höher sind als in anderen Bezirken. Der Bezirk Mitte habe aber als einziger Bezirk festangestellte Schuldnerberaterinnen, die in den Personalkosten und in den Amts- und Referatsumlagen enthalten sind. Jede(r) Angestellte im Bezirksamt Mitte muss die Stadträte, die BVV, BVV-Büro etc. tragen. Weiterhin teilt er mit, dass das Bezirksamt sehr lange schlecht im Bezug auf die Zuwendungssachbearbeiter/-innen aufgestellt war. Es war zu viel Personal mit einer zu geringen Effizienz vorhanden. Im letzten Jahr wurde das geändert.
Mitte hat gegenüber den anderen Bezirken eine Schuldnerberatung in einem seiner Gebäude. Dafür werden Zuwendungskosten eingespart. Man muss sie nicht als Transferkosten ausreichen, weil die Schuldnerberatung kostenfrei untergebracht ist. Andererseits müssen für diese kostenlos zur Verfügung gestellten Räume entsprechende Infrastrukturumlagen bezahlt werden. Das schlägt wiederum auf das Schuldnerberatungsprodukt herunter.

 

Zu diesen Problemen kommt ab 2012/13 ein weiteres Problem hinzu. Den Trägern wurden solange zu niedrige Tarife gezahlt. Das Bundesarbeitsgericht hat festgelegt, dass die Freien Träger aktuelle Tarife erhalten müssen. Im Jugendbereich konnte das teilweise für dieses Haushaltsjahr realisiert werden. Das führte dazu, dass das eine oder andere Projekt eingestellt werden musste. 60.000,00 € muss der Bezirk für die gleiche Leistung zahlen. Es besteht ein Finanzierungsloch von rd. 160.000,00 €, mit dem man umgehen muss. Man könnte nun die Meinung vertreten, dass sei eine gesetzliche Pflichtaufgabe. 160.000,00 € benötigt man als Querfinanzierung aus dem Bezirksamt. Es ist klar, wenn man sich entscheidet, muss man dieses Geld woanders finden.

Herr von Dassel ist der Meinung, dass es nicht so einfach gehen wird und dass man sich überlegen muss, wie man die Schulder- und Insolvenzberatung noch effizienter machen könnte, um einen Teil dieses Finanzierungsdefizits zu überbrücken. Die im nächsten halben Jahr gestellten Fragen müssen gemeinsam beantwortet werden.

Dazu zählen die Fragen:

·         Anpassung an die Tarife?

·         ist die Sprechstunde im Jobcenter effizient?

·         ist sie dann noch effizient, wenn man 3 Standorte hat?

·         Zuwendungsbescheide vereinfachen?

·         Online-Beratung - Inwieweit kann man das ausbauen?

·         sind in einem Bezirk 3 Standorte notwendig?

Herr von Dassel schlägt vor, gemeinsam mit der Schuldner- und Insolvenzberatung und mit Interessierten aus dem Fachausschuss über die aufgeführten Fragen nachzudenken und in einigen Sitzungen jede Möglichkeit zu diskutieren. Er erklärt sich bereit, einen Workshop zu organisieren und zu begleiten. Er wird die Ausschussmitglieder anschreiben, ob Interesse besteht.

 

Der Vorsitzende, Herr Allendorf, begrüßt die Einrichtung eines Workshops.

Abschließend bemerkt Herr BzStR von Dassel, dass 1/3 aller Mieten über die AV Wohnen im Jobcenter liegen. Hat jemand dauerhaft eine zu hohe Miete, dann wird sie/er aufgefordert, diese zu senken (geht in 6 bzw. in 12 Monaten). Es gibt viele Ausnahmetatbestände.
Betriebskostenabrechnungen werden anteilig bezahlt. Wohnt jemand 10 % zu teuer, erhält sie/er nur zu 90 % der Betriebskostennachzahlung erstattet. Dann muss aber geprüft werden, ob diese Betriebskosten angemessen sind.

 

Der Vorsitzende, Herr Allendorf, dankt für die Ausführungen und für die Beantwortung der gestellten Fragen.

 

Unterbrechung der Sitzung von 18.45 Uhr bis 18.53 Uhr


 

 
 

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