Frau Harms dankt für die Einladung und teilt einleitend
mit, dass sich unter „Neighbourhood“ viel Informationen verbirgt. Vor zwei
Jahren wurde zum ersten Mal die Pläne vorgestellt. Sie stellt Frau Falk vom
wissenschaftlichen Zentrum Brandenburg und Frau Dr. Heusinger vom
Gerotologischen Forschungszentrum Berlin vor. Sie danken für die Einladung und
für die Möglichkeit, erste Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt vorzustellen.
Dieses Projekt wird in 3 Gebieten durchgeführt.
Das Forschungsprojekt „Neighbourhood“ ist Teil eines Forschungsverbundes in
Berlin, den das Bundesforschungsministerium fördert als einen von sechs
Forschungsverbunden in der Bundesrepublik im Rahmen des Programms Gesundheit
im Alter. In diesem Programm und im konkreten Verbund in Berlin wird aus
verschiedenen Blickwinkeln untersucht, wie ältere Menschen, die mehrfach
erkrankt sind, trotz der Einschränkung, die das mit sich bringt, trotz der
Multimorbidität ein selbstbestimmtes Leben im Alter zu führen. Der Fokus, der
im Forschungsprojekt „Neighbourhood“ gesetzt wurde, hat sich ganz besonders für
die Situation sozial
benachteiligter älterer Menschen interessiert (Menschen, die wenig Einkommen
zur Verfügung haben, Menschen mit einem geringen formalen Bildungsstand oder
Menschen, die im Rahmen ihrer Erwerbsbiografien teilweise große Belastungen
erfahren haben, weil das Berufsleben so hart und anstrengend war). Man weiß
auch, dass sozial benachteiligte ältere Menschen früher häufiger und schwerer
von Erkrankungen betroffen waren und das diese Mehrfacherkrankungen häufig auch
einen pflegerischen und einen anderen Hilfe- und Unterstützungsbedarf nach sich
ziehen. Gleichzeitig ist es aber so, dass das formelle Hilfesystem (System der
pflegerischen Hilfen, der Angebote der Beratungsinstitutionen), welches
existiert, diese Menschen schwer erreicht. Deshalb wird in dem Projekt gefragt,
wie ältere Menschen, trotzdem selbstbestimmend ihren Alltag organisieren können,
wenn sie einen Pflege- und Unterstützungsbedarf haben. Auch interessiert man
sich dafür, welche Rolle dabei der Stadtteil spielt, in dem sie leben, welche
Rolle spielt die sozialräumliche Umwelt. Man geht davon aus, dass im Alltag der
pflegebedürftigen älteren Menschen es eine zentrale Rolle spielt, ob
wohnortnahe Angebote erreichbar sind, ob es Infrastruktur gibt,
Einkaufsmöglichkeiten gibt, ob Pflegedienste erreichbar sind oder ob es andere
Hilfen, um ein möglichst normales Leben zu führen und weiter teil zu haben,
gibt. Die Zusammenhänge zwischen der individuellen Situation und im Sozialraum
sollen verstanden werden. Es wurden deshalb keine Datenerhebungen mit
quanitativen Fragebögen durchgeführt, sondern man hat sich vor Ort umgeschaut.
Man hat mit Akteuren gesprochen. Vom Wissenschaftszentrum Berlin wurden
Interviews mit Sozialstationen, mit Sozialdiensten im Krankenhaus, mit
Anbietern aus dem Bereich der Freizeitgeführt, mit Menschen, die in
Beratungsstellen arbeiten, mit Vertreterinnen der kommunalen Seiten geführt.
Man hat sich daraus ein Bild geschaffen, wie sich Moabit für ältere Menschen
von der Anbieterseite aus darstellt. Die Kolleginnen vom Institut für
Gerontologische Forschung haben Interviews mit betroffenen älteren Menschen
selbst geführt, die zu großen Teilen aus eher einfachen Milieus, einige aus
besseren oder gehobenen Milieus kommen, der Bildungshintergrund variierte, die
Einkommenssituation variierte, es variierte, ob die Menschen alleine leben oder
ob sie mit Partnern leben oder wie lange sie im Kiez waren. Es wurde versucht,
eine große Vielfalt der Lebenssituation abzudecken.
Moabit hat man gezielt als Gebiet ausgewählt, weil es räumlich eingegrenzt ist.
In Moabit beträgt der Anteil der Menschen über 65 Jahren 13 %. Der Anteil der Menschen
NDH über 65 Jahre beträgt 16 %. Der Anteil wird in den nächsten Jahren stark
zunehmen, wenn die jetzt 45 bis 55-jährigen nach und nach älter werden. In
Moabit ist die ökonomische Situation der älteren Menschen im Berliner Vergleich
sehr schlecht. Es gibt einen überdurchschnittlichen Anteil an Bezieher/innen
von Grundsicherung im Alter. In einigen Planungsräumen liegt er dort bei 16 %;
woanders bei 5 %.
Anschließend wird darüber Auskunft gegeben, dass es in Moabit durchaus
erreichbare Einkaufsmöglichkeiten gibt, werden aber durchaus als
verbesserungsfähig eingeschätzt. Aufgefallen ist, dass es hilfreiche Angebote
gibt, z. B. Mittagstisch (Rathauskantine und zwei weitere Mittagstische) gibt.
Bei den Nachbarschaftskontakten konnte man feststellen,
dass sie unterstützen und helfen, aber in dem Moment, wo Mobilitätseinbußen zu
verzeichnen sind oder man ist in seiner Mobilität eingeschränkt, ist es
schwieriger, in der Nachbarschaft eingebunden zu bleiben, Kontakte zu halten
und schwieriger das Positive, was die Nachbarschaft bringt, dort heraus zu
ziehen. Festzustellen ist, dass in den ehemaligen Seniorenwohnhäusern eine sehr
intensive Nachbarschaftshilfe besteht und gepflegt wird. Mieter/innen helfen
sich untereinander und unternehmen auch etwas.
Anschließend wird die Broschüre „Wir in Mitte“
angesprochen. Viele ältere Menschen lesen die Broschüre nicht, auch sei es
schwierig herauszulesen, an welche Stellen sie sich wenden müssen.
Dann wird die Mobilität angesprochen, die ganz wichtig ist für die soziale
Teilhabe. Die Mobilität erweist sich als wichtige Ressource für den Erhalt für
Selbstbestimmungschancen. Oft fehlt Mobilität bei den älteren Menschen.
Fehlende Mobilität isoliert, macht einsam und erschwert den Zugang zur weiteren
Unterstützung. Die Menschen können selber nicht mehr ohne weiteres räumlich
bestimmte Hilfen und Angebote aufsuchen. In Moabit im typischen Altbauquartier
gibt es eine Vielzahl baulicher Barrieren. Die U-Bahnhöfe sind nach wie vor
nicht barrierefrei zugänglich. Es gibt viele Treppen und Schwellen, es gibt,
selbst in den ehemaligen Seniorenwohnhäusern Treppen und Schwellen. Menschen
mit Rollatoren tun sich hier schwer. Auch das Bus fahren wird von älteren
Menschen mit Rollatoren als sehr unangenehm empfunden. Auch wird betont, dass
sich auf der Ebene des Sozialraumes von den professionellen Akteuren niemand
dafür zuständig fühlt, daran etwas zu ändern. Es gibt Pflegedienste, die das
wahr nehmen und meinen, dass die älteren Menschen aus dem 4. Stock z. B. im
Altbau nicht mehr die Wohnung verlassen können. Sie würden zwar noch auf die
Straße kommen, wenn man ihnen helfen würde. In diesem Zusammenhang wird der
Mobilitätsdienst angesprochen. Für 20,00 € kann man im Quartal sich ein Mal
wöchentlich eine Begleitung organisieren, die hilft vor die Tür zu kommen, man
kann spazieren gehen und man kann den Facharzt aufsuchen. Allerdings meinen
viele ältere Menschen, dass sie ihn noch nicht genutzt haben.
In Moabit fehlt es an zugehende und wohnortberatende
Angebote für die Situation älterer Menschen. Es gibt einige Beratungsangebote,
die sich an andere Situationen richten, aber die Koordinierungsstelle ist im
Wedding und das sei nicht wohnortnahe. Auch wird angesprochen, dass der neue Pflegestützpunkt
nicht in Moabit sei und deshalb nicht erreichbar sei. Weiterhin bestehen
Schnittstellenprobleme beim Übergang vom Krankenhaus in die Häuslichkeit. Es
kommt vor, dass ältere Menschen Freitagnachmittag aus dem Krankenhaus entlassen
werden, vor ihrer Haustür stehen und dann stellt sich die Frage: sind
Medikamente vorhanden, ist Essen im Kühlschrank, hat jemand in der Zwischenzeit
den Briefkasten geleert und was passiert bis Montag. Zum Teil improvisieren
alle Beteiligten mit viel Engagement, zum Teil führt es aber zur erneuten
Klinikeinweisung am Freitagnachmittag oder am Samstag.
Weiterhin wird mitgeteilt, wenn es einen Pflegedienst
gibt, zu denen ein sozialer Kontakt besteht, das Bedürfnis nicht in der Weise
abgedeckt werden kann, wie es von den Betroffenen und vom Pflegedienst zum Teil
gewünscht wird.
In Moabit wurden sehr wenig Angebote für eine alltagsgestaltende Aktivität und
Geselligkeit vorgefunden. Insgesamt konnten 14 Angebote gezählt werden für ca.
9.000 Menschen im Gebiet Moabit. Davon finden 2 Angebote mehrmals in der Woche
statt. 6 Angebote finden ein Mal in der Woche statt. Die anderen 6 Angebote
finden selten statt. Es gibt kein flächendeckendes, wohnortnahes Angebote. Die
Angebote, die es gibt, werden häufig unter sehr unsicheren, finanziellen und
personellen Bedingungen geführt. Kontinuität und Verlässlichkeit ist für die
Nutzerinnen und Nutzer sehr wichtig. Hervorgehoben wird die Heilandsgemeinde,
die an verschiedenen Tagen Angebote unterschiedliche Zielgruppen ansprechen.
Man hat auch feststellen können, dass es für die sozial benachteiligten älteren
Menschen ein Mangel an Angeboten gibt. Der Sozialraumbezug ist gering
ausgeprägt. Die Akteure sind nicht auf das Gebiet bezogen und kooperieren nicht
miteinander. Weiterhin gibt es Schnittstellenproblematiken, auch gibt es kaum
Vernetzungen zwischen Pflegediensten und Freizeitanbietern, auch ist der
Mobilitätshilfedienst nicht selbstverständlich. Hier wird nicht systematisch
vermittelt. Insgesamt ist die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft für
Menschen mit Mobilitätseinschränkungen mit den besonderen Bedarfen stark
erschwert. Wichtig sei hier darauf hinzuweisen, dass diese mangelnde
Ermöglichung sozialer Teilhabe für die Menschen ein ganz konkretes Problem
darstellt. Auch wäre es für die Gesundheit der Menschen wichtig sozial
teilhaben zu können.
Die Frage von Frau BV Fried (SPD), wo Flyer der
Mobilitätshilfe noch ausgelegt sind, kann nicht beantwortet werden.
Frau BV Schauer-Oldenburg (Grüne) fragt, ob man davon
ausgehen kann, dass die Situation der älteren Menschen in diesen Regionen, die
nach der Sozialstruktur ähnlich sind, auch ähnlich sind oder gerade genauso
sind. Frau Dr. Heisinger teilt mit, dass es bestimmte Problemlagen gibt, die
stark Sozialraum begründet sind. Sie kann nicht sagen, ob sich das in Wedding
ähnlich darstellt oder nicht. Die Mobilitätshindernisse und Barrieren sind
frappierend. Die Frage stellt sich, welche Menschen zu welchen
Informationsangebote auf welche Weise Zugang haben. Wie ist die Situation der
Migranten/innen, wie sieht es aus, wenn man keine finanziellen Ressourcen hat,
um sich Hilfen zu kaufen und dann Schwierigkeiten hat zu wissen, dass man sich
im Zweifel Hilfe finanzieren lassen kann.
Anschließend teilt Herr BzStR von Dassel zum Mobilitätsdienst
mit, dass es auch andere gibt (VBB). Das BA sieht hier ein Defizit. Im Rahmen
der Maßnahmenauswahl des JobCenters im Jahre 2010 hat man einen Träger gesucht,
der noch einmal für 25 Personen Mobilitätshelfer, Begleitservice und
Schiebeservice anbietet und dieses Angebot ausweitet.
Zu den Seniorenfreizeitstätten teilt er mit, dass sie in der Regel Bringe- und
Abholservice bieten. Weiterhin spricht er die Sozialkommissionen an, die sich
momentan als Geburtstagskommission sehen. Das BA würde dieses gerne ändern und
erweitern wollen, denn das BA meint, zum Geburtstag zu gratulieren sei sehr
schön, aber es wäre besser wenn man mit diesen Menschen zu einer kulturellen
Veranstaltung mitgehen würde. Mit den Wochenzeitungen wurde auf die
ehrenamtliche Möglichkeit hingewiesen.
Frau BV Schauer-Oldenburg (Grüne) möchte wissen, was die
Bezirksverordneten tun könnten, um eine gewisse soziale Integration umsetzen zu
können. Der Sozialbereich hat 350 Tsd. € aus einer Erbschaft erhalten, was man
hätte gut einsetzen können. Sie bemerkt, dass das Geld leider in eine Stiftung
geflossen ist. Frau Dr. Heisinger teilt mit, dass der Mobilitätsdienst VBB eine
sinnvolle Initiative sei. Auch sei es sinnvoll, solche JobCentermaßnahmen
zusätzlich dazu zu nehmen. Es stellt sich aber auch die Frage, wie man
quartiersbezogen eine bessere Vernetzung herstellen kann. Wie kann man die
Kommunikation über dieses Angebot, und auch JobCentermaßnahmen sind befristet,
regeln, wer ist zuständig dafür, das zu gewährleisten, wie kann man hier voran
kommen. Unter den Anbietern gibt es auch Kommunikationsprobleme. Dazu trägt
bei, dass es in Moabit keine Seniorenbegegnungsstätte gibt. Für die älteren
Menschen ist die Einrichtung in der Grünthaler Straße von der Huttenstraße aus
betrachtet, weit weg. Es gibt wenig kommunale Möglichkeiten, Einfluss zu
nehmen, weil es dort kein entsprechendes Zentrum gibt.
Frau BV Dr. Reuter (Die Linke) meint, dass man schauen
muss, welche Angebote in den Kiezen vorhanden sind, die sich für andere
Zielgruppen öffnen müssen.
Auf die Frage, um wie viele ältere Menschen es sind in Moabit handelt, wird mit
9.000 geantwortet.
Frau BD Westphal (CDU) bittet, keinen Unterschied zwischen
älteren deutschen Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund zu machen.
Sie teilt die Auffassung, dass die wenigen kommunalen Einrichtungen ihrer
Ansprechbarkeit breiter werden müssen. Sie könnte sich vorstellen, dass die in
den Bezirken befindlichen Behindertenbeauftragte, Seniorenbeauftragte
Informationen weiter geben.
Frau BV Schulz (CDU) regt an, die Präsentation zur
Verfügung zu stellen. Das wird so zugesagt.
Frau BV Schauer-Oldenburg (Grüne) bezieht sich auf einen
Antrag für eine zeitgemäße Seniorenpolitik. Herr BzStR von Dassel teilt mit,
dass der Termin für eine Auftaktveranstaltung Mitte Januar stattfinden wird.
Die Einladung dazu wird demnächst verschickt.
Der Vorsitzende, Herr Allendorf, möchte abschließend
wissen, ob in der Studie Vorschläge enthalten sind. Frau Dr. Berlinger teilt
mit, dass momentan eine zweite Phase geplant sei. Man möchte in Moabit weiter
machen und schauen, wie man mit den älteren Menschen und mit den vorhandenen
Akteuren gemeinsam konkretere Maßnahmen entwickeln kann und schauen kann, was
wirkt.