Auszug - Verbraucherinformationsgesetz BE: Herr BzStR Jens-Holger Kirchner, Bezirksamt Pankow Herr Stuhr, Bundesverbraucherzentrale  

 
 
23. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Gesundheit
TOP: Ö 4.1
Gremium: Gesundheit Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 26.03.2009 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 19:40 Anlass: ordentlichen Sitzung
 
Wortprotokoll

Ch Die Vorsitzende, Frau Stein, begrüßt Herrn BzStR Kirchner aus Pankow und Herrn Stuhr von der Bundesverbraucherzentrale

Ch Die Vorsitzende, Frau Stein, begrüßt Herrn BzStR Kirchner aus Pankow und Herrn Stuhr von der Bundesverbraucherzentrale.

Herr Stuhr dankt für die Einladung. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen ist die Dachorganisation von den 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und 26 weiteren verbraucherpolitisch orientierten Verbänden. Herr Stuhr betont, dass von der Bundesverbraucherzentale selbst nicht beraten wird, sondern es wird politische Arbeit geleistet. Die Information für Verbraucher ist die Voraussetzung für einen Qualitätswettbewerb. Sie ist ein wichtiger Konsumanreiz durch höhere individuelle Wertschöpfung anstelle zufälliger Auswahlentscheidungen, die Verbraucher dann treffen müssen, wenn sie nicht ausreichend informiert sind über Waren und Dienstleistungen. Die Folgen von Informationsmängeln sind eine geringere individuelle Wertschöpfung der Verbraucher mit der Folge Unzufriedenheit aber auch Folgekosten. Volkswirtschaftlich muss man sagen, kann kein angemessener Marktpreis für höherwertige Produkte überdurchschnittlicher Qualität erlangt werden. Anschließend stellt Herr Stuhr einige Gütesiegel vor.
Zum Verbraucherinformationsgesetz führt er aus, dass es Informationen als Wirtschaftsfaktor regelt. Die klassische Funktion der Ordnungsbehören ist nicht der Schwerpunkt des Verbraucherinformationsgesetzes, es ist nicht das Hauptziel. Das Verbraucherinformationsgesetz verschafft dem Verbraucher, den Bürgern einen Anspruch auf bestimmte Informationen. Voraussetzung ist, dass die angefragte Behörde zuständig ist (im sachlichen Zuständigkeitsbereich arbeitet und die Informationen verfügbar ist). Es gibt unbestimmte Rechtsbegriffe, die dazu führen könne, dass der Informationsanspruch so wie die Menschen sich das vorstellen, nicht zustande kommt. Es gibt Ausschlussgründe, es gibt Abwägungen bei personenbezogenen Daten. Diese Gründe können dazu führen, dass ein Informationsanspruch am Ende nicht entsteht. Es gibt aber bei der Information auf Antrag der Verbraucher grundsätzlich kein Ermessen der Behörde, wenn die Information vorhanden ist, dann muss die Behörde auf Antrag der Verbraucher informieren. Sie hat lediglich ein Ermessen in so weit wie sie informieren möchte, wie der Informationszugang gewährt wird. Die Alternative zu der Information auf Antrag nach dem Verbraucherinformationsgesetz ist die Information ohne Antrag. In diesen Fällen hat die Behörde ein Ermessen, ob sie informieren möchte und wie sie informieren möchte. Herr Stuhr betont, dass über 100 Anfragen bundesweit bei zuständigen Behörden gestellt. Die Verbraucherzentralen in den Bundesländern haben das getan, zusammen mit interessierten Verbraucherinnen und Verbrauchern. Es wurden zunächst schlechte Erfahrungen gemacht. Die Antworten auf die Anfragen dauerten sehr lange.

Auch wurden keine konkreten Kosten genannt, wie viel diese Informationen kosten würden. Es wurden Rahmen angegeben. Unbefriedigend sei, wenn man länger als 3 Monate auf Informationen warten muss. Auf beiden Seiten führt das zu Reibungsverlusten, vor allem auf der Seite der Behörden.
Anschließend stellt er anhand einer Powerpoint-Präsentation das Verfahren auf Antrag vor (nachzulesen auf verteilten Unterlagen).

 

Anschließend stellt Herr BzStR Kirchner vor, was Pankow seit Januar 2009 in Angriff genommen hat und verteilt dazu Unterlagen. Er berichtet, wie Verbraucherinformation und Recht miteinander vereinbart werden kann. In Berlin gibt es nicht zum ersten Mal eine Debatte darüber. Es gibt ein Memorandum Lebensmittelsicherheit, welches sehr umfangreich versucht, Verbraucherschutz und auch Lebensmittelsicherheit zu regulieren. In mehreren Vorlagen zur Kenntnisnahme des Berliner Abgeordnetenhauses tauchte das immer schon auf. Herr Kirchner betont, dass die Smiley-Aktion in Dänemark ziemlich einfach und Gesetz sei. Debatten, wie in Deutschland werden nicht geführt.
Pankow dachte lange darüber nach, wie man bezirkliche Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter zu Verbraucherschutzzentren entwickelt werden könnten. Auch betont er, dass 12 Verbraucherschutzzentren angebrachter wären, als nur eine. Pankow konzentrierte sich auf die Lebenssicherheit und Information. Auch teilt Herr Kirchner mit, dass man das Gesetz noch nicht angewandt hat. Pankow hat sich am Positiv-Smiley von Nordrhein-Westphalen und Zwickau orientiert, die Erfahrungen damit haben (es wurde der Hygienepass 2007 eingeführt). Ein ähnliches System wurde für Pankow entwickelt. Im Mai 2008 kam das Verbraucherinformationsgesetz auf den Markt. Daraufhin entschied sich Pankow, die Negativliste hierzu anzulegen. Im § 1 ist zu lesen: Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten, auch über die Überwachungsmaßnahmen und andere behördliche Tätigkeiten und über die Auswertung dieser Maßnahmen.
Pankow veröffentlicht die Ergebnisse bei festgestellten gravierenden Mängeln. Mängel müssen nicht das erste Mal aufgetreten sein in den Betrieben. Auch müssen mehrere gravierende Mängel sein. Pankow hält die im Gesetz vorgeschriebene vierwöchige Anhörungspflicht ein, d. h., wenn die Nachkontrolle nicht das gewünschte Ergebnis gebracht hat, setzt die Anhörungsfrist ein und nach 4 Wochen hat jeder Gewerbetreibende das Recht und die Pflicht, die Mängel zu beseitigen. 95 % bis 97 % der Bevölkerung stimmen bei allen Umfragen dem zu. Herr Kirchner vermutet, dass es 5 % geschafft haben, sich als Opfer darzustellen. Kein ambulanter Pflegedienst, kein Krankenhaus, kein Hotel kann sich das heutzutage mehr leisten, ohne ein Qualitätssicherungssystem oder eine Zertifizierung an den Markt zu geben. Aber in der Gastronomie soll es plötzlich „Pranger“ heißen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband, mit dem Pankow viele Diskussionen führte, hat es bisher immer geschafft, genau dies seinen Leuten abzuwenden bzw. diese Diskussion schlicht verschlafen. Pankow meint, dass Kontrollen solche Ergebnisse hergeben. Herr Kirchner meint, dass hier die mangelnde Kontrolldichte Schuld und verantwortlich sei, wie es in deutschen Küchen aussieht.
Zum Positiv-Smiley teilt er mit, dass sich hierfür 60 beworben haben. Den Unterlagen kann man den Kriterienkatalog, Vertrag (freiwillige Vereinbarung zwischen dem Betrieb und dem Lebensmittelaufsichtsamt) entnehmen. In den nächsten Wochen werden die Betriebe unangemeldet kontrolliert. Pankow ist daran interessiert, dass die, die tatsächlich weder Kosten noch Mühe scheuen und für ordentliche Verhältnisse in ihren Betrieben sorgen, die Reinigungsdienste bezahlen, in Schulungen ihrer Mitarbeiter/innen investieren, verschlissene Geräte ersetzen, die Lüftungen regelmäßig reinigen lassen, Schädlingsbefall erfolgen lassen, abgelaufene Lebensmittel vernichten, auch dafür belohnt werden sollen.

Die Veröffentlichungen sind bußgeldrelevant.
Herr Kirchner teilt weiter mit, dass die DEHOGA aufforderte, mit Pankow zusammen gegenüber der IHK und dem Land Berlin durchzusetzen, dass es wieder einen Sachkundenachweis im Gastronomiebereich geben soll. Dieser wurde vor 4 Jahren abgeschafft. Die Fleischer- und Bäckerinnung war interessiert offen. Die Bäckerinnung verwies auf die Goldene Brezel, die jedes Jahr verliehen wird. Die Fleischerinnung wies darauf hin, dass sie eigene Kontrollsysteme haben, sind aber interessiert aufgeschlossen.
Eine häufige Frage wurde aufgeworfen, warum die Betriebe nicht geschlossen werden. Herr Kirchner teilt dazu mit, dass 111 Betriebsschließungen 2008 vorgenommen wurden. Er betont, wenn die geschlossenen Betriebe nachweisen, dass sie wieder den Anforderungen gerecht werden, dürfen sie wieder öffnen, hier weist das Verbraucherinformationsgesetz an dieser Stelle eine Lücke auf. Pankow muss erst einmal anhören um dann zu entscheiden, ob veröffentlicht wird. Auch berichtet Herr Kirchner über die Frage, ob Pankow mit dem vorhandenen Personal diese zusätzlichen Aufgaben bewältigt. Pankow hat derzeit 12 Lebensmittelkontrolleure bei ca. 6000 Betrieben. Anfangs war ein Mehraufwand zu verzeichnen und es gab einen erheblichen Mehraufwand durch die Veröffentlichung der Liste selbst. Eine häufig gestellte Frage war auch nach der Kontrolldichte und –härte.
Abschließend teilt Herr Kirchner mit, dass Anfang März eine Bezirksamtssitzung stattfand, in der dieses System vorgestellt wurde. Es wurde verabredet, dass im Juni die Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf und  Marzahn-Hellersdorf ihre Überlegungen vorstellen, wie sie möglicher weise dieses System weiter entwickeln oder auch anwenden könnten. Verschiedene BVV-Drucksachen sind im Umlauf. Herr Kirchner denkt, dass es mit der Einführung dieses Systems gelungen sei, eine bundesweite Debatte anzustoßen, ob das Verbraucherinformationsgesetz tatsächlich vereinfacht werden könnte in Richtung dänisches System. Ende Mai wird ein Gespräch mit der Senatsverwaltung stattfinden. Die Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf und Pankow fahren im August 2009 nach Dänemark zur Zentrale des dänischen Smiley-Systems. Der Bezirk Pankow wird die Smiley-Aktion weiter führen. Die nächste Liste wird folgen. Die Positivliste wird ausgebaut und verfeinern (Fotos). Die Anhörungen werden verfeinert. Man hofft, dass es irgendwann keine Negativliste mehr geben wird.

 

Auf die Frage von Frau BV Fried (SPD) bezüglich der verteilten Negativliste teilt Herr BzStR Kirchner mit, dass dort Altfälle mit aufgelistet wurden. Das System führte Pankow seit 2009 ein. 42 abgeschlossene Bußgeldverfahren mussten noch einmal angeschrieben werden.
Anschließend weist er auf die Positivliste hin und meint, dass viele Bewerbungen von Kita- und Senioreneinrichtungen vorliegen. Hier sind Qualitätsstandards und Qualitätssysteme vor.
Frau Fried meint, dass der Personalaufwand sehr hoch sei und fragt, ob Pankow das schafft.

Herr BzStR Kirchner meint, dass das anfangs eine zusätzliche Aufgabe war. Er führt an, dass die Arbeit bei den Bewerbungen sehr aufwendig seien. Die Pflege der  Listen sei aber vergleichsweise unaufwendig, die über VIP laufen. Neu hinzugekommen ist, dass sich Mitarbeiter/innen aus anderen Bereichen engagieren.

 

Frau BV David (SPD) fragt, ob zu den Betrieben alle Restaurants, Imbisse, Bäckereien, Fleischereien gehören. Weiterhin meint sie, dass es keine standardisierten Verfahrensuntersuchungsmethoden gibt. An das Bezirksamt richtet sie die Frage, ob Zahlen vorliegen, wie viele Kontrolleure der Bezirk Mitte hat.

Herr BzStR Kirchner teilt mit: Der Bezirk Pankow hat 13 Lebensmittelkontrolleure, die ca. 6000 Betriebe kontrollieren müssen, inbegriffen sind alle Betriebe wie Imbisse, Küchen, Restaurants usw. Die Senatsverwaltung ist bestrebt, Qualitätssicherungssysteme im Lebensmittelaufsichtsbereich einzuführen. Herr Kirchner ist in einer Arbeitsgruppe involviert.

 

Die Vorsitzende, Frau Stein, bezieht sich darauf, dass die Verbraucherzentralen Anfragen starteten und dass die Rückmeldungen sehr lange dauerten. Sie fragt, warum das so lange dauerte. Wird vermutet, dass die Verbraucherzentralen einen schleppenden Rücklauf bekommen haben. Herr Stuhr meint, dass der Hauptgrund für die langen Verfahren des Verbraucherinformationsgesetzes selbst sei. Das sieht solche langen Verfahren vor. Wenn die Anfrage sich auf Informationen bezieht, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1.5.2008 bei der Behörde erhoben wurden, dann ist die Anhörung der Betroffenen obligatorisch. Die Behörde hat einen Monat Zeit, sich mit der Anfrage zu befassen. Hinzu kommt, dass das betroffene Unternehmen einen Monat Zeit hat sich zu überlegen, wie es auf die Anhörung reagieren möchte und es kommen Postlaufzeiten hinzu. Die Fristen werden ausgeschöpft. Dann ergeht der Bescheid über den Informationszugang. Der Bescheid muss rechtskräftig werden (dauert auch einen Monat). Frühestens dann darf der Informationszugang erfolgen. In dieser Zeit kann aber der Betroffene Widerspruch einlegen. Dann wird über den Widerspruch entschieden (dauert Wochen oder 2 bis 3 Monate). In dieser Zeit darf der Informationszugang nicht erfolgen. Wenn die Behörde sich dann im Widerspruchsbescheid dazu entscheidet, diese Information zu gewähren (Antrag zu entscheiden), dann kann man das wiederum vor dem Verwaltungsgericht aufhalten. Dann stellt sich bei den Gerichten die Frage des vorläufigen Rechtsschutzes. Die Verwaltungsgerichte sagen dann, dass es keinen Informationszugang gibt. Aus diesem Grund wird ein halbes Jahr gewartet, wenn dieses Verfahren angewendet wird regelmäßig noch auf die Information oder das Verfahren kommt nicht zur Anwendung. Diese Erfahrung wurde auch gemacht bei einem Großteil der Anfragen, die nicht im Namen der Verbraucherzentralen verschickt wurden, sondern im Namen einzelner Verbraucherinnen und Verbraucher. In diesen Fällen haben die Behörden in der Regel nicht angehört, weil sie dieses Informationsbegehren ignorierten. Hier kamen Antworten heraus, die ein wenig den Bevormundungscharakter haben.

 

Herr BV Reschke (CDU) fragt, wie häufig muss man damit rechnen, dass sie kontrolliert werden. Er bezieht sich auf die Negativliste und fragt, wie damit umgegangen wird. Weiterhin möchte er wissen, wie das Smiley interpretiert wird. Herr BzStR Kirchner teilt zur Kontrolldichte mit, dass es Risikoeinstufungen gibt, die mit der Art des Betriebes zu tun haben und mit den jeweils vorangegangenen Kontrollergebnissen. In Pankow wird ein Mal im Jahr kontrolliert. Nachkontrollen werden 14 Tage später durchgeführt. Zur Negativliste meint er, dass es besser wäre, wenn dort niemand stehen würden. Grobe Mängel gilt es zu beseitigen und sie auch zu veröffentlichen.
Von der Negativliste kommt man nur bis zur nächsten Routinekontrolle herunter, wenn keine Mängel auftraten oder der Betrieb kümmert sich selbst darum. Zur Smiley-Interpretierung teilt Herr Kirchner mit, dass sich Pankow ausschließlich auf Hygiene und Sauberkeit beschränkt. Marzahn-Hellersdorf plant einen Dienstleistungssiegel für gastronomische Einrichtungen. Hier wird Hygiene und die Qualität der Lebensmittel selbst, Freundlichkeit, Ambiente ein Bestandteil sein.

 

Frau BV Schauer-Oldenburg (Grüne) fragt, ob die Schulen dem Verbraucherschutz unterliegen. Herr Kirchner meint, dass man hier über Informationen redet. Er denkt, dann Transparenz und Öffentlichkeit nie schaden kann.

 

Die Vorsitzende, Frau Stein, dankt Herrn Stuhr und Herrn BzStR Kirchner für die Berichte und für die Beantwortung der gestellten Fragen.

 
 

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