Auszug - Vorstellung der Arbeit der Berliner Werkstätten für Behinderte GmbH durch Frau Anne Reichert - Leiterin Begleitender Dienst  

 
 
48. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit
TOP: Ö 1.1
Gremium: Wirtschaft und Arbeit Beschlussart: erledigt
Datum: Mo, 04.09.2006 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 18:50 Anlass: ordentlichen Sitzung
 
Wortprotokoll
Beschluss

Den Mitgliedern wird ein Film über die BWB vorgeführt

Den Mitgliedern wird ein Film über die BWB vorgeführt.

 

Frau Matischok-Yesilcimen bedankt sich bei Frau Reichert für die Vorführung. Sie merkt weiterhin an, warum es nicht möglich war, bei der BWB zu tagen.

 

Frau Reichert vom begleitenden Dienst der BWB führt aus, dass es hin und wieder einen Tag der offenen Tür gibt und regelmäßig einmal im Monat an einem Mittwoch, 10:00 Uhr, Führungen durch die Werkstätten stattfinden. Die Telefonnummern sind aus den ausgelegten Broschüren zu entnehmen.

 

Frau Dehmel hätte gerne gewusst, in welchem Verhältnis die behinderten zu den nicht behinderten Mitarbeiter/innen stehen.

 

Frau Reichert teilt mit, dass es ca. 200/220 Stammmitarbeiter/innen und ca. 1.400 behinderte Mitarbeiter/innen im Arbeitsbereich, im Berufbildungsbereich und im Förderbereich gibt.

 

Herr Looff hätte gerne gewusst, wie viele Standorte es gibt, was für eine Konkurrenz zwischen den Betrieben besteht, ob es einen Strukturplan gibt, wie das Ganze finanziert wird und welche Entgelte es gibt.

 

Frau Reichert führt aus, dass es die BWB-Nord, BWB-SüD, BWB-Süd/West und die BWB-Ost gibt. Weiterhin gibt es Erweiterungen in der BWB-Süd/West, BWB-Süd und BWB-Ost. Darüber hinaus gibt es noch Förderbereiche, die immer angegliedert sind. Es gibt somit sieben Standorte über die Stadt verteilt. Diese Standorte bieten alle Arbeitsplätze für behinderte Mitarbeiter/innen an. Jedoch ist jeder Betrieb anders ausgerichtet. Die Standorte stehen nicht direkt in Konkurrenz. Es gibt die industrielle Ausrichtung, es gibt die Werkgemeinschaft Berlin/Brandenburg mit einem anthroposophischen Ansatz, die auch wirklich ein anderes Arbeitsangebot haben, und es gibt die Werkstätten für seelisch Behinderte. Sie sind auch zusammengefasst in der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Behinderte. Und auf höherer Ebene noch in einer Bundesarbeitsgemeinschaft. Einen festen Strukturplan gibt es nicht, da sonst die Produktion für eine Zeit stillgelegt wäre. Es gibt die normale Arbeitszeit von 7:30 Uhr bis 15:00 Uhr. Für jede/n einzelne/n Mitarbeiter/in wird dann festgelegt, wie viele begleitende Maßnahmen sie/er wahrnehmen kann. Es gibt auch Leute, die das nicht möchten. Für diese Leute steht die Arbeit im Vordergrund und sie möchten möglichst viel dazu verdienen. Es ist also sehr individuell geregelt. Es gibt jedoch die Vereinbarung, dass jede/r Mitarbeiter/in Anrecht auf mindestens eine Stunde in der Woche begleitende Maßnahmen hat. Die Arbeitsgruppen bestehen aus 3, 6, 9 oder 12 behinderte Mitarbeiter. Das ist der Betreuungsschlüssel. Das sind Hilfebedarfsgruppen, die auch so bezahlt werden. Größere Abteilungen sind dann ca. 20, 40 und 60 Personen stark. Immer mit der entsprechenden Anzahl der Betreuer (Facharbeiter mit einer sonderpädagogischen Zusatzausbildung). Ein schwerstbehinderter Mitarbeiter braucht ein ganz andere Zuwendung und Unterstützung als ein Mitarbeiter mit einer Schizophrenie oder einer Depression. Von daher gibt es Hilfebedarfsgruppen. 1:3 bedeutet, drei Personen werden von einem Betreuer betreut. 1:12 bedeutet, 12 Personen werden von einem Betreuer betreut. Diese Kostensätze (ca. 800,00 € bis 1.300,00 €/pro Monat und Person) bekommt man über die Bezirksämter, die je nach Hilfebedarfsgruppe aufgeteilt sind. Dadurch finanziert man sich. Davon werden die Personalkosten bestritten und der Erhalt des Hauses. Das sind die fixen Kosten. Der andere Topf sind die Aufträge, die man z.B. von Ford, BMW oder Kühne bekommt. Dieser Topf muss zu 70 % an die Mitarbeiter ausgeschöpft werden. Das geschieht nach einem Entgeltsystem. Jeder Mitarbeiter wird einmal im Jahr eingeschätzt, welches Entgelt er bekommt. Der Bundesdurchschnitt liegt bei ca. 150,00 € bis 170,00 €. Bei der BWB variiert das Entgelt zwischen 67,00 € (Grundentgelt) bis hin zu 400,00 €.

 

Frau Dehmel fragt nach, ob sich die Firmen dadurch „freikaufen“ können, dass Aufträge an die BWB vergeben, um somit selbst keine Behinderten einstellen zu müssen.

 

Frau Reichert führt aus, dass dies auch so im Gesetz steht. Auch ist man attraktiv, da nur 7 % Steuern auf die Aufträge erhoben werden. Ebenso werden wohl keine Ausgleichsbeträge erhoben, wenn man Aufträge an Behindertenwerkstätten vergibt.

 

Herr Krüger bezieht sich auf die 7 % behinderten Mitarbeiter, die ein Betrieb gesetzlich haben muss und fragt nach, wie viele von den Beschäftigten der BWB behindert sind.

 

Frau Reichert führt aus, dass es wesentlich mehr sind als gesetzlich vorgesehen.

 

Auf die weitere Nachfrage von Herrn Krüger, da die Anzahl behinderter Menschen zunimmt, dass dementsprechend auch die Nachfrage nach Behindertenwerkstätten steigt teilt Frau Reichert mit, dass der Senat einen Auftrag vergeben hat, diesen Bedarf zu ermitteln. Es wird gesagt, dass es einen Zuwachs von seelisch behinderten Menschen geben wird, die nicht mehr mit der normalen Arbeitswelt zurecht kommen. Und auf diese Zahl wird auch gebaut.

 

Frau Kliemann hätte gerne gewusst, wie hoch die Anzahl derer ist, die wieder in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden können.

 

Frau Reichert führt aus, dass von ca. 1.400 Personen vielleicht drei evtl. vier Personen diesen Übergang schaffen. Es gibt ein neues Projekt mit dem Namen „personennahe Dienstleistungen“, wo versucht wird, ganz langsam Personen mittels Praktika, Qualifizierungen und unter Begleitung in die freie Wirtschaft zu bringen. Diese außengelagerten Arbeitsplätze sind auch im Gesetz verankert.

 

Frau Schauer-Oldenburg hätte gerne gewusst, wie lange ein behinderter Mensch in einer solchen Behindertenwerkstatt arbeiten kann und wie diese dann ausscheiden (Altersversorgung etc.).

 

Frau Reichert teilt mit, dass die Leute bis zum Rentenalter (65 Jahre) im Betrieb bleiben dürfen. Manche Leute gehen auch schon früher, wenn sie z.B. aus Konzentrationsschwäche nicht mehr in der Lage sind zu arbeiten. Während der ganzen Arbeitszeit wird ein Rentenbeitrag gezahlt, als wenn man ca. 1.600 € im Monat verdienen würde. Wenn die Leute dann in Rente gehen, haben sie auch einen Anspruch auf Rente. Nach 20 Jahren Mitzugehörigkeit hat man einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente. Das ist vom Gesetzgeber sehr gut abgesichert.

 

Auf die Nachfrage von Frau Schauer-Oldenburg, ob man bei der jetzigen Haushaltskonsolidierun trotzdem auf der sicheren Seite ist teilt Frau Reichert mit, dass man sehr gut wirtschaftet und nicht nur die vorgeschriebenen 70 % des Entgelttopfes auszahlt, sondern 90 %. Natürlich hat man auch mit der Kostensenkung zu kämpfen.

 

Auf Nachfrage von Herrn Bhaduri betreffend einer Sportbeteiligung teilt Frau Reichert mit, dass jetzt bei den Special-Olympics ca. 32 Personen teilnehmen. Weiterhin gibt es diverse Sportfeste. Auch gibt es eine sehr gute Fußballmannschaft, die schon viele Pokale gewonnen hat. Es gibt sehr fußballbegeisterter Sportlehrer, die auch mit den Leuten überregionale Ausflüge machen.

 

Frau Matischok-Yesilcimen bedankt sich vielmals bei Frau Reichert für die ausführliche Darstellung.


 

 
 

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