Auszug - Warum kein Naturkindergarten inmitten von Mittes Natur?  

 
 
48. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin
TOP: Ö 8.1
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 22.04.2021 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 23:07 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: Videokonferenz
Ort: Videokonferenz
3106/V Warum kein Naturkindergarten inmitten von Mittes Natur?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion DIE LINKEFraktion DIE LINKE
Verfasser:Urchs, Schrader und die anderen Mitglieder der Fraktion DIE LINKE 
Drucksache-Art:DringlichkeitsanfrageDringlichkeitsanfrage
 
Wortprotokoll

  1. Warum wurde die Genehmigung für den Betrieb eines Naturkindergartens mit 15 Plätzen am Standort Plötzensee wann und durch wen versagt?
  2. Welche Schritte hat das BA zu welchem Zeitpunkt unternommen, um gemeinsam mit dem Träger, der Elterninitiative „Naturkindergarten Wedding e.V.“ die Voraussetzungen für einen Naturkindergarten am gewünschten Standort Plötzensee zu schaffen, gegebenenfalls im Rahmen des Ermessensspielraums eine mit Auflagen verbundene oder befristete Genehmigung zu erteilen bzw. einen anderen Standort zu finden? Welche Vorschläge hat das Bezirksamt dem Träger wann unterbreitet, um einen Kindergarten zu ermöglichen, der in besonderer Weise das Konzept einer Verbindung von Natur, Umwelt und Pädagogik beinhaltet?
  3. Wie ist es möglich, dass eine Elterninitiative seit über einem Jahr durch die verschiedenen Ämter, Abteilungen und Stellen des Bezirksamtes läuft und versucht, einen Naturkindergarten mit 15 Plätzen auf die Beine zu stellen, die bisher beteiligten Verwaltungen dem zustimmten und nun, kurz vor dem Start, das Stadtplanungsamt NEIN sagt? Wie vereinbart das Bezirksamt diese Erfahrung mit seiner Vorstellung von ressortübergreifender Bürger- und Serviceorientierung?
  4. Ist dem Bezirksamt bewusst, dass nunmehr zu Beginn des Monats Mai 15 Kinder und deren Familien sowie drei Erzieherinnen vor der Ungewissheit stehen, wie es weitergehen soll? Was wird das Bezirksamt tun, damit dieser Vorgang doch noch ein gutes Ende nimmt?

 

BzStaR Herr Gothe antwortet: Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrte Frau Schrader, sehr geehrter Herr Urchs. Frau Schrader, Sie hatten das schon am Freitag bei unserer Doppelausschusssitzung angekündigt. Das war sehr gut, denn dann konnte ich meine Abteilung vorwarnen und sagen, dass sie schon mal recherchieren sollen. Ich habe dann heute die Antwort auf Ihre Dringlichkeitsanfrage gelesen, dann habe ich nochmal den Brief der Antragsstellerinnen gelesen. Der Brief wurde am 31.03.2021 an Frau Reiser geschickt. Das war auch der Anlass für meine Kollegin Frau Reiser, das im Bezirksamt kurz anzusprechen, wo Frau Weißler und ich dann gesagt haben, dass wir eine Kita im Außenbereich eher nicht sehen, ohne irgendwelche Vorkenntnisse. Dann habe ich diesen Brief wirklich durchgelesen, der wirklich spannend zu lesen ist und habe dann Aktenstudium betrieben, was mich tatsächlich in eine zeitliche Bredouille brachte überhaupt hier rechtzeitig am PC zu sitzen, denn das, was ich da lesen konnte und musste war tatsächlich ziemlich spannend und ich möchte Ihre Anfrage deshalb auch von hinten beantworten und mit der dritten Frage anfangen. Vorher möchte ich aber nochmal etwas ganz Grundsätzliches zum Planungsrecht sagen. Es gibt im Baugesetzbuch zwei ganz wichtige Paragraphen. Das ist der §34 Bauen im Innenbereich, wo drinsteht, dass wenn es sich einfügt, dann kann so ein Bauprojekt genehmigt werden. Was man wissen muss ist, dass dann im Baugesetzbuch ungefähr 100 Seiten folgen, wo genau diese einfache Aussage ausgelegt wird. Das heißt, es ist ein sehr wichtiger Paragraph, ein ganz wichtiger Leitfaden, der aber auch unglaublich ausdifferenziert ist in der Rechtsprechung. Dann gibt es den §35, der den Außenbereich betrifft. Das ist da, wo keine Stadt ist, sondern wo weite großflächige Grünanlagen und Wälder sind. Da steht drin, da kann man nichts bauen. Aber auch dort gibt es dann 50 Seiten, mit Verweis auf Verwaltungsurteile, was ausnahmsweise doch geht unter bestimmten Voraussetzungen. Sprich, das sind zwei ganz fundamentale Paragraphen. Der eine sagt, man kann bauen, der andere sagt, man kann nicht bauen, aber da kommt es dann tatsächlich auf das Detail an. Jetzt schildere ich mal ganz kurz den Hergang dieses Genehmigungsprozesses, denn die dritte Frage hat mich natürlich aufhorchen lassen, Frau Schrader, wo Sie sagten, wie kann es sein, dass nach einem Jahr Behördenlaufen, von einer Behörde zur nächsten, wo überall Dinge geklärt wurden und ganz zum Schluss heißt es dann Nein. Das ist tatsächlich so, dass bereits im letzten September der erste Kontakt dieser Initiative zum Jugendamt aufgenommen wurde und die Kitaaufsicht hat erstmal bestätigt, dass es einen Bedarf gibt 15 Kinder unterzubringen. Es wurde dann mit dem Pächter des Strandbads gesprochen, dem die Flächen als Pächter zur Verfügung stehen. Auch der hat gesagt, er könne sich das gut vorstellen, das findet er gut. Dann gab es mit der Kitaaufsicht vor Ort eine Begehung, wo gesagt wurde, dass man sich das vorstellen könne. Dann wurden Fördermittel beantragt und es gab eine Bestätigung des Grünflächenamtes, dass es dort keinerlei Bedenken gibt. Dann gab es eine Beratung durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, wo auch positive Signale gesendet wurden und da wurde dann aber auch noch empfohlen, sich nochmal an das Gesundheitsamt und an das Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt zu wenden und den Brandschutz zu klären. Auch das wurde dann aufgenommen. Man konnte das mit dem Gesundheitsamt klären. Die Veterinär- und Lebensmittelaufsicht hatte damit auch kein Problem. Dann geriet man an die Bauaufsicht. Das ist dann schon mein Bereich. Da wurde die Auskunft erteilt, dass man auch mit dem Stadtplanungsamt und dem Umweltamt Kontakt aufnehmen solle. Es soll eine Auskunft aus dem Umweltamt gegeben haben, dass es sich erforderlich ist, dort eine gesonderte Genehmigung zu erfragen, weil das im Rahmen eines Bauantragsverfahrens dann durch Beteiligung erledigt wird. Mannne sich aber vorstellen, dass vermutlich, was den Umweltausgleich angeht, es damit getan ist, wenn man vielleicht ein paar Bäume als Ausgleichsmaßnahme pflanzt. Da wurde kein großes Problem gesehen. In der Bauaufsicht ging es dann weiter und da wurde auch in Aussicht gestellt, dass es eine Erteilung der Baugenehmigung gibt und dass auch der Brandschutz in diesem Fall kein Hindernis darstellt. Zu diesem Zeitpunkt hat dann die Initiative gesagt, dass das alles super klingt und jetzt werden wir mal eine Anzeige schalten und Mitarbeiter*innen auswählen, die wir dann als Erzieherteam binden können. Es gab dann nochmal eine Mail von den Bäderbetrieben, die auch bestätigt haben, dass es nichts dagegen einzuwenden gibt. Dann kam von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie der Zuwendungsbescheid über 125.000 Euro. Dann ging es weiter mit einer noch zu planenden Komposttoilette, die mit dem Gesundheitsamt positiv abgestimmt wurde und dort wurde dann aber auch nochmal gesagt, dass man da nochmal mit dem Stadtplanungsamt reden sollte. Dann kam das Stadtplanungsamt ins Spiel, als 15. Station in diesem Behördenlauf, wo dann eben ins Baugesetzbuch geschaut wurde und gesagt wurde, dass §35 hier einschlägig sei und dass das gar nicht geht. Jetzt haben wir natürlich echt einen ziemlichen Flurschaden und wenn man sich jetzt stärker mit diesem §35 beschäftigt, dann steht da tatsächlich drin, dass das eigentlich nie genehmigungsfähig ist, wenn es nicht bestimmten Ausnahmekriterien gehorcht. Wenn man die Liste der Ausnahmefälle durchgeht, dann findet man tatsächlich nichts, was jetzt erstmal auf Kitanutzung als zulässiges Vorhaben schließen lässt. Allerdings gibt es dann noch eine Stelle in dem Paragraphen, wo drinsteht, dass es geht, sofern es nicht im Widerspruch mit öffentlichen Belangen steht. Was sind öffentliche Belange? Das sind in dem Fall im Paragraphen 35 Erholungswert, Orts- und Landschaftsbild. Damit begründet jetzt das Stadtplanungsamt auch, dass das nicht zulässig ist. Da kann man sich natürlich an den Kopf fassen und sagen, wie kann es sein, dass ungefähr zehn öffentliche Ämter ihr Interesse daran bekundet haben, dass dieses Projekt dort stattfinden soll, um dann bei der letzten Station zu hören, dass es öffentliche Belange gibt, die dagegenstehen. Ich glaube, das ist eine Situation, in die wir hier hineingeraten sind und den Antragsteller in eine Situation gebracht haben, die tatsächlich jetzt nicht zu beenden ist, indem wir sagen, dass das nicht geht, weil $35 einschlägig ist und das Buch zuschlagen. Deshalb möchte ich meinem Bezirksamt am Dienstag den Vorschlag unterbreiten, dass wir hier nochmal mit den beteiligten Stellen eine Behördenkonferenz machen und gucken, was man tun kann und ob es nicht doch denkbar ist, dass man hier beim Abklappern der möglichen öffentlichen Belange im Außenraum, die vielleicht dagegensprechen, zu einer Verständigung kommt, dass hier keine gravierenden beeinträchtigenden Tatbestände vorliegen. Das müsste man auslaborieren. Das sollten wir nochmal besprechen, weil wir mit diesen ganzen Ämtern, die wohlwollend das begleitet haben, nun auch den Antragssteller in eine ganz schwierige Situation gebracht haben. Es ist wirklich sehr unglücklich gelaufen. Das Stadtentwicklungsamt hätte als erstes gefragt werden sollen, ob sowas überhaupt planungsrechtlich möglich ist, dann wäre man wahrscheinlich gleich gegen die Latte gelaufen und hätte gesagt, dass es gar nicht geht. Hier ist aber ein Weg, den man dem Antragssteller überhaupt nicht vorwerfen kann, gewählt worden, der jetzt wirklich zu dieser sehr misslichen Situation geführt hat. Deshalb denke ich, dass wir uns wirklich nochmal zusammensetzen müssen und all unseren Grips zusammennehmen und schauen, was hier vielleicht doch noch möglich ist. Ich will hier überhaupt nicht in Aussicht stellen, dass es dann klappt, aber diese Mühe müssen wir uns in dem Fall wirklich machen. Vielen Dank.

Frau Schrader (DIE LINKE): Sehr geehrte Herr Vorsteher. Sehr geehrter Herr Gothe, ich danke Ihnen für die offene und ehrliche Antwort. Es ist in der Tat alles andere als ein koordiniertes oder verbindliches Projektmanagement, was hier gelaufen ist. Sie sagten, und da teile ich Ihre Meinung auch ausdrücklich, dass es den Antragsstellerinnen nicht vorzuwerfen ist, dass sie genau in Ermangelung eines öffentlich verbindlich geregelten Verfahrens nicht zuerst an die Stelle gedacht haben, die dann am Ende diejenige ist, die die Hände gehoben hat und erstmal Nein sagt. Die Idee einer Behördenkonferenz finde ich gut. Ich hoffe bloß, dass es schnell geht. Wenn diese Behördenkonferenz jetzt auch im Bezirksamt als eine Lösung angesehen wird, können Sie dann sicherstellen, dass das sehr schnell erfolgt? Wir haben erheblichen Zeitdruck. Wir wollten am 01.05.2021 loslegen. Das ist eine Einrichtung für 15 Kindern. Das sind Wohnwagen, mobile Geräte, woanders wird das als fliegende Bauten bezeichnet, aber wir müssen das jetzt nicht rechtlich auseinanderklamüsern. Woran mir und meiner Fraktion gelegen ist, ist das eine Lösung gefunden wird. Die Elterninitiative ist auch bereit, einen anderen Standort zu akzeptieren, wenn es nicht dort am Plötzensee geht, aber ich gehe davon aus, und das ist auch hier nochmal meine Bitte, dass es der Standort am Plötzensee dann auch ist. Das ist vorrangig zu prüfen und vor allem möglich zu machen. Ich möchte nochmal darauf hinweisen. Es ist eine Elterninitiative, es ist bürgerschaftliches Engagement, es geht um einen Naturkindergarten, es geht um ein Projekt, was nachhaltig und ökologisch ist, es geht um Kitaplätze, auch wenn es für den ein oder anderen nur 15 Plätze sind, sie gehören in diesen Bezirk, weil wir sie brauchen, weil die Eltern sie brauchen. Mehr geht eigentlich nicht, denn hier ist alles da, was unterstützenswert ist, was förderungswürdig ist und alle haben gesagt, ja, wir wollen euch und es kann bei diesem Nein nicht bleiben. Ich bitte wirklich das gesamte Bezirksamt hier Wege zu öffnen, um es eben möglich zu machen und das eben sehr schnell. Das ist meine Erwartung und das ist unsere Bitte an Sie. Ich hatte auch in dem Antrag, den wir nachher noch haben, auch reingeschrieben, dass möglichst nächsten Donnerstag im Jugendhilfeausschuss bereits berichtet wird. Das ist die Erwartung. Dankeschön.

BzStaR Herr Gothe antwortet: Ich kann nur sagen, dass ich denke, uns ist allen bewusst geworden, dass wir hier als Bezirksamt insgesamt den Antragsteller in eine wirklich blöde Situation gebracht haben und wir da jetzt wirklich auf das Elektropedal treten müssen.

 

 

 

 
 

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