Auszug - Corona - Stand der Vorbereitungen beim Gesundheitsamt  

 
 
39. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit
TOP: Ö 6.1
Gremium: Soziales und Gesundheit Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 10.03.2020 Status: öffentlich
Zeit: 18:35 - 20:31 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: BVV-Saal des Rathauses Mitte (1. Etage), Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
Ort:
 
Wortprotokoll

Herr BzStR Gothe berichtet, dass das Robert-Koch-Institut (RKI) eine seriöse und fachlich vertrauenswürdige Institution sei. Die Aufgabe des Landes und der Bezirke ist es, alle vom RKI als notwendig eingeschätzten Maßnahmen organisatorisch umzusetzen. Er erläutert, dass sich das Bezirksamt bzw. Gesundheitsamt dynamisch weiterentwickelt habe im Kampf gegen den neuartigen Corona-Virus. Die aktuelle Organisation bestehe aus einem Team "Test" von zwei Ärztinnen, welche die Abstriche bei evtl. infizierten Klienten nehmen. Der Transportfahrten für das Team "Test" werden von Mitarbeitern des Ordnungsamtes gemacht, welche mit ihren Autos Ärzte und Ärztinnen zu Hausbesuchen bringen. Es sei angedacht, eine weitere Fachkraft mitmitzunehmen, die assistiere und Schreibarbeiten abnehme. Weiter gibt es für die Bürgeranfragen das Team "Hotline", das wegen des hohen Bedarfs noch weiter aufgebaut wird, außerdem eine spezielle Email-Adresse. Ein weiteres Team "Betreuung" nimmt mit allen Personen in häuslicher Quarantäne einmal täglich Kontakt zur Statusabfrage auf. Das Team "Kontakte" beschäftigt sich damit, dass alle, die die sich bei einer positiv getesteten Person angesteckten haben könnten, nachverfolgt, abgeklärt und zur Isolierung aufgefordert werden. Das Team "Quarantäne" entscheidet über die zu treffenden Anordnungen und Aufhebungen von Maßnahmen. Die leitende Ärztin überwacht und koordiniert die Abläufe, organisiert Materialien und Personal für Sondergruppen. Team "Verwaltung" kümmert sich darum, dass den Infizierten und Mitbetroffenen ein rechtlich bindender Bescheid zugestellt wird. Weiterhin wurde vom Bezirksamt eine Abfrage an alle Fachabteilungen geschickt, welche Kollegen bereit wären, bei den Telefondiensten und der Datenerfassung mitzuhelfen. Technische und räumliche Lösungen werden gesucht.

Frau Stange, Ärztin der Abteilung für Infektionsschutz des Gesundheitsamtes Mitte, berichtet, dass es in ihrem Bereich derzeit aufgrund einer kontinuierlichen Häufung der meldepflichtigen Erkrankung eine stetig zunehmende Überbelastung gebe, obwohl bereits aus anderen Abteilungen zusätzliche Arbeitskräfte gewonnen werden konnten. Das feste Team von Fachkräften wurde zunächst durch Kollegen aus allen Bereichen des Gesundheitsamtes verstärkt, darüber hinaus bestehe aber perspektivisch weiterer Bedarf.

 

Zur aktuellen Entwicklung einer Pandemie erläutert sie, dass der verantwortliche Krankheitserreger Virus Covid-19 den Zielort Lunge hat und auf Feuchtigkeit angewiesen ist. Daraus erschließe sich, dass dieser relativ empfindlich gegenüber Austrocknung sei und außerhalb des Körpers nicht lange lebensfähig bleibt. Husten- und Nieshygiene sowie häufiges intensives Waschen der Hände mit hermmlichen Seifen sind wichtig, Desinfektionsmaßnahmen aber nur manchmal notwendig. Weiterhin beschreibt sie den Krankheitsverlauf bei diesem Erreger als oft nur mild. Wenn ein gesunder Mensch infiziert wird, sei er gewöhnlich von einer einfachen Erkältung oder einer echten Grippe anhand der Symptome anfangs nicht zu unterscheiden. Da derzeit auch Influenza-Saison ist, wäre es noch schwerer zu erkennen. Im letzten Jahr seien in Deutschland mindestens 20.000 Menschen an der Influenza verstorben (trotz vorhandener Schutzimpfung), die Bedrohung durch Covid-19 könne man noch nicht abschätzen, sie wäre aber mindestens vergleichbar. Die ungefähre Todesrate liege vermutlich bei 2 - 3 % der Angesteckten. Weil sich die durch Feuchtigkeitströpfchen von Mensch zu Mensch übertragenen Viren im Rachenbereich bereits rasant vermehren, besteht eine hohe Ansteckungsrate. Sie stellt klar, dass die Mortalität nicht vom Alter eines Kranken abhänge, sondern vom seinem allgemeinen körperliche Zustand. Insbesondere bei bestehenden Lungen-, Herz- oder multiplen Vorerkrankungen sowie Abwehrschwächen erhöhe sich das Risiko für eine Ansteckung und die Gefahr, mit der zusätzlichen Infektion zu versterben, deswegen wären überwiegend sehr alte Menschen betroffen.

 

Unser Gesundheitsamt tue alles dafür, den Prozess der Ausbreitung so lange wie möglich zu verlangsamen ("Containment"), aufzuhalten sei dieser in Deutschland jedoch nicht mehr, voraussichtlich komme es im Verlauf zu einem starken Anstieg der Ansteckungen. Man stehe jetzt an der Schwelle zum Übergang in die Phase der "Protection" entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Vorgehensweise, wenn bei massenhafter Ausbreitung einer Infektion es mangels Ressourcen nicht mehr zu schaffen ist, jede Kontaktperson im Detail zu ermitteln und nicht Erkrankte zu überwachen. Dies bedeutet, dass man die großflächigen Maßnahmen auf den Schutz der vulnerablen (verletzlichen) Personen konzentriert. Neben der Verbesserung der Behandlungsbedingungen müssen Risikogruppen (z.B. in Altenpflegeheime) bestmöglich geschützt werden können. Es wird von Fachleuten prognostiziert, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre ca. 70% der Deutschen von diesem Virus befallen werden und aufgrund des Durchseuchungsgrades dann die Rate von Neuansteckungen zurückgeht. Jedoch sei über die Dauer einer Immunität nach durchgemachter Erkrankung noch nichts bekannt. Mit einem Impfstoff für die Bevölkerung wäre frühestens im nächsten Jahr zu rechnen.

 

Auf Anfrage von Frau BV Waldeck (SPD) erklärt Frau Stange, dass Corona ein viraler Erreger ist und dadurch nicht mit dem bakteriellen Verursacher von Tuberkulose zu vergleichen sei. Auch wären Virusinfekte mit den bisher verfügbaren Medikamenten nur schwer zu behandeln.

 

 Auf Anfragen von Herrn BV Freitag (Piraten) stellt Frau Stange klar, dass die Einschränkungen bei den Diensten des Ordnungsamtes aufgrund der Fahrtätigkeiten für den Infektionsschutz als gerechtfertigt hinzunehmen seien, da die Gesundheit der Bevölkerung Priorität habe. Durch die in Hinblick auf die Verhütung von Ansteckungen sinnvollerweise getroffene Entscheidung zur Absage von Veranstaltungen für die Bevölkerung ist als Nebeneffekt auch eine Erleichterung für das Gesundheitsamt zu erhoffen, denn die Zahl von Kontakten verringere sich und werde überschaubarer. Zukünftig ist jedoch für die Krankenhäuser mit einer enormen Belastungserhöhung zu rechnen.

 

Auf Anfrage von Frau BV Waldeck (SPD) erklärt Frau Stange, dass Corona ein viraler Erreger ist und dadurch nicht mit dem bakteriellen Verursacher von Tuberkulose zu vergleichen sei. Auch wären Virusinfekte mit den bisher verfügbaren Medikamenten nur schwer zu behandeln.

 

Auf Anfragen von Herrn BV Freitag (Piraten) stellt Frau Stange klar, dass die Einschränkungen bei den Diensten des Ordnungsamtes aufgrund der Fahrtätigkeiten für den Infektionsschutz als gerechtfertigt hinzunehmen seien, da die Gesundheit der Bevölkerung Priorität habe. Durch die in Hinblick auf die Verhütung von Ansteckungen sinnvollerweise getroffene Entscheidung zur Absage von Veranstaltungen für die Bevölkerung ist als Nebeneffekt auch eine Erleichterung für das Gesundheitsamt zu erhoffen, denn die Zahl von Kontakten verringere sich und werde überschaubarer. Zukünftig ist jedoch für die Krankenhäuser mit einer enormen Belastungserhöhung zu rechnen.

 

Auf Anfrage von Frau BV Kreitmair (SPD) antwortet Frau Stange, dass die begrenzten Möglichkeiten des Gesundheitsamtes nicht durch zu wenig Materialien für Abstriche oder Laborkapazitäten bedingt würde. Die Probleme lägen an den derzeit die knappen Vorräten für die notwendige Schutzausrüstung und Helfern. Es würden bewusst überwiegend nur Menschen mit verdächtiger Symptomatik getestet, denn bei diesen bestehe die beste Aussicht, einen positiven Nachweis erbringen zu können. Hierbei trifft die Entscheidung immer ein Arzt, gefährdete Personen testet man natürlich eher als Gesunde ohne Komplikationen. Es gibt eine zunehmende Dunkelziffer an Virusträgern, auch weil einige Personen ihre Erkrankung leider nicht melden.

 

Auf Bitte von Frau Graff wird die Hotline-Nummer des Gesundheitsamtes Mitte (030/9018-41000) genannt.

 

Auf Nachfrage von Frau BD Jakupcic erklärt Frau Stange, dass Informationen zu den relevanten Vorerkrankungen sehr ausführlich und wissenschaftlich beim Robert-Koch-Institut oder etwas leichter verständlich bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (bzw. Bundesministerium für Gesundheit) im Internet unter der Rubrik häufig gestellte Fragen zu finden seien.

 

Auf Anfrage von Herrn BV Wehlus (AfD) sagt Frau Stange, dass einer Lungenentzündung vorbeugende Impfungen gegen Pneumokokken und Grippe ratsam seien. Es wärn Standardimpfungen für die vom neuartigen Corona-Virus besonders bedrohten Menschen, auch wenn dies nicht jedem bekannt ist.

 

Auf Nachfrage des Vorsitzenden, Herrntzer, wird mitgeteilt, dass im medizinischen Bereich, gerade in der Intensivpflege, schon jetzt eine hohe Belastung bestehe, es werden bereits Fachkräfte reaktiviert. In allen Bezirksämtern gibt es einen inzwischen bedenklichen Mangel an Fachkräften und jungem Nachwuchs.

 

Herr BzStR Gothe teilt mit, dass die offizielle Informationsweitergabe über den Senat für Gesundheit und Pflege abgeklärt werden müsse.

 

Frau Stange merkt noch an, dass die zeitnahe Anpassung des Angebots unserer Internetseiten einen sehr wichtigen Faktor zur Entlastung der Telefonzentralen darstelle.

 

 
 

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