Auszug - Persönliches Budget der Behinderten BE: Bezirksamt Gast: Herr Koch  

 
 
27. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit
TOP: Ö 6.2
Gremium: Soziales und Gesundheit Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 12.03.2019 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 19:32 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: Sitzungsraum 121
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
 
Wortprotokoll

Herr Koch, Mitglied des Behindertenbeirates, dankt dem Ausschuss, dass er heute eingeladen wurde. In der letzten Sitzung habe er vergessen, Herrn Gothe vom Behindertenbeirat den Dank zu übermitteln, bei der Auswahl eines Preisträgers, der sich durch hervorragende Leistungen im Sinne von Zugänglichkeitsthematiken hervorgetan habe. Diese Auszeichnung sei nicht ganz ohne Widersprüche im Beirat diskutiert worden. Wichtig sei, dass der Beirat mehr wahrnehme, als das in den früheren Zeiten wahrgenommen wurde.

Anschließend vermittelt er seine Erfahrungen als Budgetnehmer. Er teilt mit, dass es sich um keine neuen Leistungen des Sozialamtes handele, sondern es handele sich um eine besondere Leistungsform. Im Budget könne man verschiedene Leistungen bündeln. Beim Entwurf des Budgetgedankens gehe man davon aus, dass die zu unterstützenden Menschen mit Behinderungen, im Umgang mit Behinderungen Erfahrung haben. Sie wissen genau, welche Hilfen sie benötigen. Daran aufbauend wurde dann der Gedanke des persönlichen Budgets entwickelt. Das habe für die Nutzer*innen einen großen Vorteil. Es gebe nur einen Ansprechpartner.

Herr Koch vermittelt, dass seine Erfahrung mit dem Bezirksamt Mitte nicht gut waren. Ausgeführt wurde heute, dass man daran arbeite. Er glaubt, dass die Arbeitsweise oder Arbeitsauffassung im Sozialamt ein großes Problem darstelle, weil die Behandlung diskriminierend und entwürdigend sei. Bis heute sei es nicht gelungen, eine letztendlich gültige Vereinbarung zu treffen. Jetzt sei er froh darüber, dass er dem Ausschuss für Soziales und Gesundheit das heute darlegen könne. Er hofft, dass eine Arbeitsatmosphäre und ein Arbeitszusammenhang entstehen werde, so dass auf die Problempunkte, auf die er hingewiesen habe, ernst genommen werden. Ein grundsätzliches Problem sei es, dass die Antragsteller mit Sachbearbeiter*innen konfrontiert werden, die völlig überfordert seien. Sie haben keine Ahnung vom Budget; sie wissen nicht, was sie tun sollen. Akten werden hin und her geschoben. Das habe sich 5 Jahre lang hingezogen.

Als Budgetnehmer betont Herr Koch, dass sich seine Lebensqualität unglaublich erhöht habe. Das Budget biete die Möglichkeit, tatsächlich am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Ohne das Budget wäre das nicht möglich gewesen. Über das Budget sei es ihm möglich geworden, sich in diversen Projekten zu engagieren. So erschloss sich die Möglichkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt. Seine mentale Situation sei sehr gut geworden und seine gesundheitliche Situation sei auch deutlich besser geworden.

Anschließend bemerkt Herr Koch, dass man das Budget nur auf Antrag erhalte. Die Antragstellung sei sehr kompliziert und schwierig. Es sei unmöglich ohne kompetente Hilfe von verschiedenen Beratungsvereinen die entsprechenden Leistungen zu bekommen. Das stelle große Probleme dar. Wenn man erst umständlich und aufwendig irgendwelche Selbsthilfeorganisationen finden muss, was nicht einfach sei und weil nicht jede Selbsthilfeorganisation auch kompetent genug sei, stelle sich die Situation schwierig dar. Er freut sich, dass er in der Arbeitsgruppe von Herrn Dr. Schlese beitragen könne, dass das eine oder andere verbessert werden könne. Aus Sicht als Betroffener könne er den einen oder anderen Hinweis geben auf die konkrete Praxis, die Betroffene erleben.

 

Herr BzStR Gothe dankt Herrn Koch für den Einblick in die Realität. Er vermutet, dass keine Böswilligkeit einzelner Mitarbeiter*innen dahinter stecke, sondern eher eine Überforderung mit einem neuen Instrument. Sie seien gefordert an in Fortbildungen gefordert teil zu nehmen, um den Umgang mit den neuen Rahmenbedingungen zu lernen. Herr Gothe findet es gut, dass Herr Koch in der AG mitarbeitet.

 

Herr BV Kurt (Grüne) dankt für den Bericht. Er fragt nach, ob dem Bezirksamt bekannt sei, für wie viele Personen in Mitte das persönliche Budget infrage käme? Des Weiteren fragt er nach, wohin sich Personen wenden können, denn es sei nicht bekannt, welche Abt. zuständig sei?

 

Auch Herr BV Hauptenbuchner (SPD) bedankt sich für den Bericht. Er fragt

  • nach den strukturellen Problemen?
  • wo könne man ansetzen?
  • sei mit Herrn Koch ein Vertrag oder eine Vereinbarung geschlossen worden?
  • inwieweit habe Herr Koch Kenntnis darüber, dass andere auch so ein Problem haben?
  • ob es den Personen, die eine Behinderung haben und ein Budget beantragen, so auffassen oder ob es andere Personenkreise mit diesen Leistungen so gehe?
  • ob es Erfahrungen in der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungen gebe?

 

Herr Koch teilt mit, dass es mehrere Zielvereinbarungen in den 5 Jahren gab. Jede einzelne Zielvereinbarung war ein Prozess und der Genehmigungszeitraum zugleich wieder zu Ende. Das habe nie richtig funktioniert. Er beziehe zurzeit Gelder, wo es keine Rechtsgrundlage gebe. Er erhalte das Budget, habe aber mit niemanden eine Vereinbarung, die garantiere, dass er einen Anspruch darauf habe. Er habe keinen Bescheid dafür. In diesem Raum scheint es eine Praxis entwickelt zu haben, die, so lange sie funktioniere, für alle Beteiligten sehr gut sei, weil es ein „flexibles“ System ergebe. In dem Moment, wo aber etwas nicht funktioniere, bricht alles zusammen, weil niemand mehr weiß auf was man sich berufen könne. Ihm erscheine die Praxis, als wenn sie sich in einem „Graubereich“ entwickele.

Ähnliche Problemstellungen kenne Herr Koch, weil er eng mit ASL zusammen arbeite. Das sei ein Verein, der sich um die Beratung von Budgetnehmern kümmere. Ohne diesen Verein wäre es nicht möglich gewesen, dass er das persönliche Budget erhalte. In der Regel haben die Antragsteller*innen, die so ein Budget beantragen mit ihren Handicaps dermaßen zu tun, dass sie nicht die Kraft haben, die man benötige, um sich im Verwaltungsapparat durchsetzen zu müssen.

 

Herr Dr. Schlese teilt mit, dass er nicht gegen den Datenschutz verstoßen könne und könne wenig zu dem Fall sagen. Ein Teil der Ausführungen von Herrn Koch könne er sehr gut nachvollziehen. Er vermittelt, dass es sehr starke Fürsprecher im Amt für Herr Koch gebe. Den Eindruck, dass es nur Kollegen*innen gebe, die ihm das persönliche Budget nicht gönnen und ihn schlecht behandeln, sei nur halb richtig. Die Fachstellenleitung Qualitätssicherung, Risikomanagement habe sich sehr stark für Herr Koch eingesetzt. Sie sei rührend bemüht, diesen Fall zu klären. Es gebe ein Problem im Amt damit, weil nicht ganz ein Prozent der Klienten*innen. Die Kollegen*innen müssen eine sehr hohe finanzielle Verantwortung übernehmen und haben sehr wenig Erfahrung damit. Jede/r Mitarbeiter*in, die/der damit kontaktiert werde, ist darauf bedacht, nichts falsch zu machen. Deshalb möchte man das verändern in eine Zentrale Stelle, wo berlinweit diese Leistungen bearbeitet werden. Herr Dr. Schlese begrüßt die Bemühungen, zukünftig zu zentralisieren und damit zu normalisieren und das aus der Kosten- und Leistungsrechnung heraus zu nehmen. Die persönlichen Budgets bringen die gesamte Kosten- und Leistungsrechnung durcheinander. Man könne sie nicht adäquat in der Kosten- und Leistungsrechnung abbilden. Im Fall von Herrn Koch gebe es noch andere Beteiligte wie: Pflegeversicherung, der nicht kooperiere.

Es gebe einen Lösungsvorschlag zu zentralisieren und berlineinheitlich anzubieten, um zu vermeiden, dass Klienten*innen je nach dem, in welchem Bezirk sie leben, unterschiedliche Verfahrensweisen erleben.

 

Frau BD Herzig-Martens (DIE LINKE) fragt nach, wie viele Fälle es in Bezug auf das persönliche Budget in Mitte gebe? Sie meint, wenn es seit 10 Jahren ein Recht auf die persönliche Zulage gebe, es nicht um Gefühle gehe. Sie verstehe es nicht, dass ein Gesetz, welches seit 10 Jahren bestehe, so schwierig gehandhabt werde.

Auf die Frage, wie viele Fälle es in Mitte gebe, teilt Herrn Dr. Schlese mit, dass es ca. 30 Fälle gebe.

 

Die stellv. Vorsitzende, Frau Stein, bemerkt, dass sich der Ausschuss mit diesem Thema zukünftig wieder auseinander setzen werde. Die Bereitschaft des Amtes sei da, einzelne Prozesse, wenn sie dann auf dem Weg gebracht wurden und ein wenig in der Realität angekommen sind, dem Ausschuss wieder vorgestellt werden.

 

Herr Koch bedankt sich beim Ausschuss und bei Herrn Dr. Schlese. Falls der Eindruck entstanden sei, dass Mitarbeiter*innen des Sozialamtes es auf ihn abgesehen haben, sei das ein Missverständnis.

 
 

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