Auszug - Menschenwürdiger Umgang mit dem Thema "Wohnungslosigkeit im Bezirk Mitte" / Vorschläge aus Sicht des Ordnungsamtes und des Sozialamtes Referenten: Herr Kummert, Leiter des Ordnungsamtes Herr Dr. Schlese, Leiter des Amtes für Soziales  

 
 
Gemeinsamen 18. (außerordentlichen) öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit und der 14. (außerordentlichen) öffentliche Situng des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Ordnungsamt und Gleichstellung
TOP: Ö 2
Gremium: Soziales und Gesundheit Beschlussart: erledigt
Datum: Fr, 27.04.2018 Status: öffentlich
Zeit: 16:00 - 18:00 Anlass: außerordentlichen Sitzung
Raum: BVV-Saal des Rathauses Mitte (1. Etage), Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
Ort:
 
Wortprotokoll

Herr BzBm von Dassel dankt für die Initiative, dass man sich diesem Thema im Ausschuss und fachübergreifend nähere, auch unter Beteiligung von externer Expertise. Er weist darauf hin, dass das Bezirksamt mit der einen oder anderen Berichterstattung zu BVV-Initiativen säumig war. Zur heutigen Ausschusssitzung werde man das vorlegen, deshalb haben die Ausschussmitglieder eine Vielzahl von Vorlagen zur Kenntnisnahmen erhalten. Das ersetze natürlich nicht die Vorlage zur Kenntnisnahme in der BVV. Das BA möchte das übermitteln, was das Bezirksamt letzten Dienstag beschlossen habe. Herr von Dassel teilt weiter mit, dass in der Diskussion berücksichtigt werde, dass von rd. 9.000 Personen gesprochen werde, die wohnungslos seien und um die sich das Bezirksamt Mitte kümmern müsse. Den zugeschickten Unterlagen könne man die Zahl der Menschen entnehmen, die obdachlos sind und draußen schlafen sowie mit dem bezirklichen Ordnungsamt Kontakt hatten. Man sollte die Relationen nicht ganz aus den Augen verlieren, obwohl man weiß, dass die prekäre Obdachlosigkeit für die Menschen eine ganz andere Herausforderung und eine existenzielle Bedrohung darstelle, als wenn sie in einer Obdachloseneinrichtung nicht optimal, aber auf einem gewissen Mindestniveau untergebracht seien.

 

Anschließend teilt Herr BzStR Gothe mit, dass die Liste zeige, dass es noch eine ganze Reihe von weiteren offenen Drucksachen zu dieser Angelegenheit gebe. Das Thema spiele im Ausschuss und in der BVV eine entscheidende Rolle. Er sagt zu, zeitnah die noch ausstehenden Drucksachen zu beantworten. Er bemühe sich, andere Quellen, die zu dem Themenkreis gehören, regelmäßig an den Ausschuss weiter zu leiten, wie die Protokolle aus der Strategiekonferenz oder auch Papiere aus der Stadträtekonferenz der Sozialstadträte. Er weist darauf hin, dass man sich mittlerweile in einem sehr guten gesamtstädtischen Prozess befinde. Daraus haben sich mehrere Arbeitsgruppe gebildet. Er sei Frau Senatorin Breitenbach dankbar, dass sie ihn zum Leiter einer Arbeitsgruppe 7 „Soziale Wohnhilfe“ ernannt habe. Die AG tagte nach der Strategiekonferenz 3 Mal. Danach werden Empfehlungen abschließend gebündelt und in der nächsten Strategiekonferenz im September beschlossen. Eine Arbeitsgruppe 3 beschäftige sich mit der Prävention. Die AG habe aus eigenen Stücken beschlossen, dass sie in der AG 7 aufgehe. Man werde die nächste Sitzung mit dem Themenschwerpunkt AG Prävention vor der Sommerpause bestreiten. Wichtig sei auch, dass in der AG alle 12 Bezirke, eine Reihe von Trägern und der Senat selbst vertreten seien. Eine gute Atmosphäre werde die gemeinsame Zielstellung sein, dass Ziele und Kernaufgaben für alle Bezirke in Übereinstimmung mit dem Senat für Berlin am Ende verabschiedet werden. Man sei auf dem Weg, eine einheitliche Politik und eine einheitliche Tätigkeit in den Sozialämtern zu vereinbaren. Beachtenswert sei, dass die inhaltliche Debatte zu keinen großen Streitpunkten geführt habe.

 

Anschließend stellen Herr Dr. Schlese und Herr Kummert anhand einer Powerpoint-Präsentation den Sachstand dar.

 

Herr Dr. Schlese berichtet, dass man sich dazu entschieden habe, eine gemeinsame Präsentation zu machen, auch um nach außen hin zu verdeutlichen, dass es ein gemeinsames Handeln gibt. Ziel sei „Bekämpfung von Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit im öffentlichen Raum“. Er vermittelt, dass Wohnungslosigkeit nicht gleich Obdachlosigkeit sei. Nach Informationen des Sozialamtes gebe es nur relativ wenig Klientel, die obdachlos seien. Der größere Teil sei wohnungslos.

Aus diesen Informationen ergeben sich unterschiedliche Rechte, Betreuungsangebote und Betreuungsnotwendigkeiten.

Es wurde im Vorfeld überlegt, ob es eine Strategie geben könnte, mit der das Bezirksamt Mitte gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit vorgehen könnte. In den letzten Monaten entwickelte sich aus der Praxis heraus eine Strategie, die im Wesentlichen aus zwei Säulen bestehe, das Durchsetzen von Recht, Ordnung und Sicherheit, zum anderen Beratungs- und Hilfsangebote. Beide Strategien gehören zusammen und ergänzen sich gegenseitig. Bei den Beratungs- und Hilfsangeboten müsse unterschieden werden nach der Zielgruppe und nach Art und Weise der Obdach- und Wohnungslosigkeit. Für bestimmte Entscheidungen spiele das eine Rolle, ob Obdachlosigkeit freiwillig oder unfreiwillig sei, jedoch kann dies nicht immer genau bestimmt werden.

Für das Sozialamt sei der aufenthaltsrechtliche Status sehr wichtig und ob besondere Merkmale der Situation vorliegen.

Anschließend werden drei wichtige Punkte hervorgehoben, die in der Diskussion im Kreise der Strategiekonferenz eine Rolle spielen. Dazu gehöre zum einen das Primat der Prävention, d.h. zu verhindern, dass Menschen überhaupt in eine solche Lage geraten. Bei bestimmten Zielgruppen, z.B. bei Menschen aus Kriegsgebieten etc. seien dem Bezirk jedoch die Hände gebunden, da der Bezirk nur bedingt in der Lage sei, eine echte Prävention zu betreiben. Konkret könne z. B. in Situationen, in denen es zu Mietschulden komme, etwas gemacht werden, wenn Menschen die Miete nicht pünktlich zahlen, vor allem, wenn Menschen, die in Betreuung des Sozialamtes und dem Jobcenter stehen, ihre Mietzahlungen nicht pünktlich nachkommen. Was Prävention sei, sei je nach Zielgruppe unterschiedlich zu beantworten. Der zweite Bereich befasse sich mit der Kooperation mit freien Trägern. Man bemühe sich, die Kooperationsbeziehungen mit freien Trägern und freien gemeinnützigen Trägern auf mehr Möglichkeiten zu prüfen. Der dritte Gedanken sei die Fragestellung, ob möglicherweise Unterkünfte für bestimmte Zielgruppen benötigt werden.

Prävention heißt ausreichend bezahlbaren Wohnraum, Vermeidung von Wohnungsverlust z.B. durch Kooperation mit dem Jobcenter und den Ursprungsregionen und auch konsequentes Vorgehen gegen Störungen der Ordnung und Sicherheit. Eine ältere Statistik der Berliner Stadtmission zeige auf, dass von 44.000 Übernachtungen nur ca. 24% Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft die Einrichtungen aufsuchen. Die Problematik sei deshalb eng mit der Frage der Zuwanderung verknüpft.

Herr Dr. Schlese erklärt, wenn man sich die offizielle Statistik der Wohnungslosen (ohne Geflüchtete) vom 31.12.2018 betrachte, könne man erkennen, dass ca. 2000 bis 3000 Personen wohnungslos seien. Obdachlose seien in dieser Statistik auch enthalten, da es auch Obdachlose gebe, die keinen Wohnraum besitzen, jedoch Leistungen vom Sozialamt beziehen. Diese Teilmenge der Obdachlosen könne man nicht genau beziffern.

Zusammenfassend könne man sagen, dass es wohnungslose Personen gebe, die vom Sozialamt untergebracht seien, und es wohnungslose Personen gebe, die tatsächlich zu der Gruppe der Straßenobdachlosen gehören. Aber es gebe auch Straßenobdachlose, die die Hilfe des Sozialamtes nicht in Anspruch nehmen. Das mache die Bestimmung der Straßenobdachlosen schwierig.

Man könne davon ausgehen, dass die Zahl der Straßenobdachlosen der Zahl der Personen entspreche, die sich im Winter in den Kältehilfeeinrichtungen aufhalten; für Berlin sind das zwischen 800 und 1200 Personen, je nach Auslastung der Einrichtung pro Tag.

 

Der Vorsitzende, Herr Draeger, fragt nach dem Unterschied zwischen Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit? Herr Dr. Schlese teilt mit, dass es sich bei Wohnungslosen um Personen handele, die keine Wohnung haben oder in so schlechten Wohnverhältnissen leben, dass es besser wäre, wenn sie/er dort nicht leben würden. Obdachlos sei eine Person in dem Moment, wenn sie/er keine Notunterkunft habe. Besser man spreche von einer „Straßenobdachlosigkeit“, denn das machen das Bild noch mal deutlicher.

 

Herr Kummert, Leiter des Ordnungsamtes, vermittelt, dass Ordnung und Sicherheit durchgesetzt werden soll. Er sei erst 2 Jahre im Amt und habe viele Räumungen miterlebt und habe die entsprechenden Kommentare im Internet, in den sozialen Medien und in den Ausschüssen mitbekommen. Er habe das Gefühl bekommen, dem Ordnungsamt werde Unmenschlichkeit vorgeworfen. Er spricht die Rechtsgrundlage – Ordnungsdienstverordnung des Landes Berlin an, in der im § 3 die Aufgaben des AOD (Allgemeiner Ordnungsdienst) definiert sein. Welche Maßnahmen das betreffe, werde im Abs. 2 benannt, wie Identitätsfeststellungen, Platzverweise, Durchsuchungen von Personen und Sachen als auch Sicherstellung von Sachen. Das Ordnungsamt handele nicht gesetzeswidrig, sondern das Ordnungsamt sei die klassische Eingriffsverwaltung und vom Gesetzgeber so konzipiert und entsprechend handele es auf einer gesetzlichen Grundlage. Verwaltung habe sich immer an Recht und Gesetz zu halten und könne auch nur im Rahmen des rechtlich möglichen handeln.

Des Weiteren spricht Herr Kummert das Grünanlagengesetz an, welches klar definiere, dass deren Zweckbestimmung erhalten bleibe und dass niemand sie anderweitig beeinträchtige, beschmutze, nichts beschädige oder jemand unzumutbar gestört werde. Treten all diese Faktoren ein, entstehe eine Ordnungswidrigkeit und das Ordnungsamt sei gesetzlich geboten, zu handeln. Das Ordnungsamt sehe sich immer als das letzte Mittel, wenn alle anderen Stricke gerissen seien. Des Weiteren vermittelt Herr Kummert, dass sich das Ordnungsamt immer in einem Spannungsfeld bewege. Man versuche, allen gerecht zu werden. Man sei sich der beiden Pole bewusst. Eine große Mehrheit der Bevölkerung, die dem Ordnungsamt schreibe, vermittle Unzufriedenheit über die Obdachlosigkeit, die tagtäglich auf den Straßen in Mitte sei.

Anschließend gibt Herr Kummert einen kurzen Einblick, wenn eine Räumung stattfinde. Es gebe 2 Möglichkeiten. Das könne über eine/n Bürger*in, Mitarbeiter*innen des Straßen- und Grünflächenamtes, Polizei sein. Das Ordnungsamt prüfe durch eigene AOD-Kräfte vor Ort, insbesondere dann, wenn es von Bürger*innen komme. AOD-Kräfte laufen ständig Streife. Das OA sei Montag bis Sonntag von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr im Bezirk unterwegs. Sobald die AOD-Kräfte etwas sehen, unterscheiden sie die Frage nach der Größe. Handele es sich um eine Einzelperson, dann greifen die Kollegen*innen sofort ein. Ein Flyer werde verteilt, auf dem bezirkliche Hilfsangebote angeboten werden. Die Flyer gebe es in Deutsch, Englisch und Spanisch. Es werde eine Identitätsfeststellung vorgenommen. Die Person werde gebeten, weiter zu gehen. Komme sie dem nicht nach, werde ein entsprechender Platzverweis ausgesprochen.

Handele es sich um eine Gruppe, eine größere Ansammlung, werde man den Flyer verteilen. Es findet eine Maßnahme, eine Ankündigung statt. Den Betroffenen werde mitgeteilt, dass geplant werde, die Stätte zu räumen zum Zeitpunkt X. Die AOD-Kräfte nehmen Kontakt zum Sozialamt – Präventionsrat, Gesundheitsamt und der Polizei – auf, um beim Zeitpunkt T+X endlich eine Räumung durch zu führen (Platzverweis, Identitätsfeststellung, ggf. Sicherstellung von Wertsachen, die gefunden werden).

 

Da im Herbst des letzten Jahres Diskussionen über das Thema Obdachlosigkeit in den Ausschüssen, in der BVV und in den Medien geführt wurden, habe das OA Mitte zum Anlass genommen, seine eigenen Handlungsweisen zu überdenken und zu schauen, wo man besser helfen könnte, wie könnte man die Abläufe so strukturieren, dass man den Betroffenen tatsächlich helfen könnte.

Anschließend zeigt er, was auf dem Flyer in Zusammenarbeit mit dem Sozialamt gedruckt wurde.

 
 

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