Auszug - Diskussion zur Situation der Roma im Bezirk  

 
 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Integration
TOP: Ö 6
Gremium: Ausschuss für Integration Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 11.06.2013 Status: öffentlich
Zeit: 18:00 - 20:00 Anlass: Ordentliche Sitzung
Raum: Nachbarschafts- und Familienzentrum "Kiek in"
Ort: Rosenbecker Straße 25-27, 12689 Berlin
 
Wortprotokoll

Frau Patzig (MSD) informiert den Ausschuss zunächst über die verschiedenen Beratungseinrichtungen in Marzahn-Nord. Frau Twarowska und Frau Lenhardt berichten im Anschluss über ihre Arbeit. Seit 2008 ziehen verstärkt Roma aus Polen in den Bezirk. Sie beherrschen in der Regel die polnische Sprache, kommunizieren untereinander jedoch auch auf Romanes oder Russisch. Es gibt drei Gruppen: Menschen mit deutschen Wurzeln, die die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen; Frauen mit deutschen Ehemännern und deutschen Kindern; Roma aus EU-Staaten, die das EU-Freizügigkeitsrecht wahrnehmen und in Berlin arbeiten, darunter viele alleinstehende Männer. Zum Kontakt mit der Zielgruppe kommt es über Mundpropaganda, aber auch über das Jobcenter und die Volkshochschule. Es gibt auch eine mobile Beratung an der Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf in polnischer Sprache. Inhaltliche Schwerpunkte sind Alphabetisierungskurse und die Unterstützung bei Antragstellungen sowie der Wohnungssuche. Mittlerweile sind Roma nicht mehr in Marzahn-Nord konzentriert, sondern leben überall im Bezirk. Der MSD kümmert sich um die Migrant*innen, die seit über drei Jahren in Deutschland leben. Es gibt mittlerweile einige Erfolge zu verzeichnen. So nutzen einige Klienten mittlerweile auch die Sprechstunden in deutscher Sprache. Der MSD leistet vor allem Hilfe in der Kommunikation mit Behörden, Bewerbungsschreiben und der Wahrung von Rechtsansprüchen z.B. Erwerbsunfähigkeitsrente, Grundsicherung. Für viele ist es jedoch sehr schwer Arbeit zu finden, da sie über eine lückenhafte Schulbildung verfügen und oft keine Abschlüsse haben. Weitere Probleme sind Verschuldung (Miete und Strom), der Besuch von Kita und Schule, Krankenversicherung und Strafsachen.

 

Herr Marburg (Peter-Pan-Grundschule) berichtet darüber, dass an den Schulen vor allem das Problem der mangelnden Sprachbeherrschung besteht. Vor diesem Hintergrund ist es ein Fortschritt, dass es in Berlin mittlerweile wieder Kleinklassen für "Neuankömmlinge" an Grund- und Oberschulen gibt (Haecker- und Thüringen-OS). In Marzahn-Hellersdorf werden die Schüler in Regelklassen und temporäre Lerngruppen unterrichtet. An der Peter-Pan-Grundschule in Marzahn-Mitte haben die Roma-Kinder vor allem Sprachprobleme. Sie haben kaum Sprachkenntnisse, sind zum Teil Analphabeten und haben keine oder kaum Schulerfahrung. An der Peter-Pan-Grundschule kommen die meisten Roma-Kinder aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die Familien sprechen in der Regel Romanes, aber auch Serbisch, Kroatisch und Mazedonisch. Die Verständigung ist dementsprechend schwierig. Die Grundschule ist jedoch im Wohngebiet gut vernetzt. Es gibt Dolmetscher (serbisch, kroatisch) an der Schule. Die Eltern sind mittlerweile auch offen gegenüber der Schule, verhalten sich jedoch eher passiv. Bisher gibt es nur zwei Fälle von Schuldistanz. Die Kinder, die an der Peter-Pan-Grundschule eingeschult werden, besuchen die Schule auch regelmäßig. Ein großes Problem ist der Umstand, dass die Eltern in der Regel keine Kenntnisse einer Schulstruktur haben und aufgrund der Bedeutung der Familie nicht offen gegenüber der Hort-Betreuung sind. Hier gilt es anzusetzen, denn die Schüler können zu Hause keine Hilfe erwarten. Es gibt bereits Projekte wie Schulmediatoren, die in einigen Bezirken durchgeführt werden und bereits einige Erfolge verzeichnen konnten. Es gibt dementsprechend bereits Erfolge wie etwa Kleinklassen und der Einsatz ausgebildeter Sonderpädagogen, jedoch weiterhin einige Probleme wie etwa starke Familienstrukturen, der unklare Aufenthaltsstatus der Familien und traumatische Erfahrungen der Familien (Ausgrenzung und Diskriminierung in ihren Herkunftsländern).

 

Auf Nachfrage von Herrn Krug erklären Frau Hayduk, Frau Marburg, Herr Marburg und Frau Patzig, dass es keine sicheren Daten über die Anzahl der im Bezirk lebenden Roma gibt, da die ethnische Herkunft nicht erfasst wird. Laut Herrn Marburg gehen in der Regel 20-30 Roma-Kinder auf die Peter-Pan-Grundschule. Die Kinder kommen aus beiden im Bezirk befindlichen Heimen. Frau Hayduk berichtet, dass ihre eigenen Recherche im Auftrag der "AG Roma" ergeben haben, dass etwa 70 Schüler in Marzahn-Hellersdorf Roma sind. Dies sind jedoch nur Vermutungen aufgrund von Sprache und Kleidung.

 

Auf Nachfrage von Frau Sandner erklärt Herr Marburg, dass sich die Schulen im Falle von Schuldistanz an die Heimleitung wenden, mit dem Vater reden oder sich z.B. an das Job-Center wenden. In den Heimen gibt es auch Probleme mit Verunreinigungen, aggressivem Verhalten der Männer, Beschädigungen und unerlaubten Übernachtungen.

 

Schuldistanz und öffentliche Konflikte mit den Familien in Marzahn-Mitte, haben laut Herrn Shukow 2008 zur Etablierung des Elternforums im "Haus der Begegnung - M3" geführt. Das Elternforum verfolgt das Ziel Kontakt mit dem Familienverband herzustellen. Die Eltern werden dazu eingeladen sich im M3 auszutauschen und Probleme zu diskutieren. Den Familien wurde im Rahmen des Forums vermittelt, dass das Bildungssystem sehr bedeutend für die Zukunft der Kinder ist. Es kann zwar bisher noch kein struktureller Wandel beobachtet werden, jedoch einzelne Erfolge wie der Beginn einer Ausbildung und  Maßnahmen der Erwachsenenbildung. Ein weiterer Erfolg besteht darin, dass immer mehr Kinder in den Kindergärten ankommen. Frau Marburg weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Elternforum aus ihren Mitteln für Öffentlichkeitsarbeit finanziert wird. Herr Marburg wünscht sich, dass es dieses Angebot nicht nur für polnische Roma sondern auch für andere Gruppen gibt.

 

Frau Dietz arbeitet ebenfalls mit polnischen Roma-Famlien zusammen. Die meisten sind Analphabeten und wollen in der Regel keine Öffentlichkeit für ihre Probleme haben. Sie gehen nicht selbstständig zu den Trägern. Frau Dietz begleitet die Familien zu Arzt-Terminen, bei der Freizeitgestaltung und kulturellen Ereignissen. Probleme sind insbesondere der Besuch der Schule, die starke Einbindung der Schüler in den Familienverband (keine Teilnahme der Kinder und Jugendlichen an Schulausflügen) und fehlende Möglichkeiten sich zu treffen.

 

Auf Nachfrage von Herrn Krug erklärt Frau Marburg, dass das Problem generell darin besteht, dass die Projekte abhängig von finanziellen Ressourcen und Zuständigkeiten sind und die Angebote dementsprechend beschränkt sind. Es werden in der Regel polnisch-sprachige Roma gefördert, weil kaum jemand andere Gruppen in den Blick nimmt. Sie weist darauf hin, dass eine Möglichkeit der Förderung über die Schulhaushalte besteht. Bisher gibt es jedoch keinerlei Förderung für den Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Insofern könne jedes Projekt erweitert werden, wenn die Finanzierung verstärkt wird.


 
 

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