Drucksache - DS/1814/V
Das Bezirksamt bittet die
Bezirksverordnetenversammlung die als Anlage beigefügte Vorlage zur Kenntnis zu
nehmen. 10360
Berlin, 2006
Emmrich Räßler-Wolff Bezirksbürgermeisterin Bezirksstadtrat
für Jugend,
Bildung und Sport Bezirksamt Lichtenberg von Berlin .04.2006 Abteilung Jugend, Bildung und Sport
90296 6300 Bezirksstadtrat Übertragung von
wesentlichen Aufgaben des Pflegekinderwesens an einen anerkannten Träger der
Jugendhilfe Einleitung Die öffentliche Jugendhilfe befindet sich in einem
grundlegenden Strukturwandel, der sich durch eine zunehmende Beschränkung auf
Kernaufgaben insbesondere auf die Planung, Steuerung, Gewährung und
Gewährleistung von Leistungen auszeichnet. Die Verwaltung des Jugendamtes wird
künftig ihrer Verpflichtung mehr durch Fallmanagement und Gewährleistung der
Finanzierung von Leistungen bei freien Trägern und weniger durch eigene
Leistungserbringung nachkommen. Beschluss des JHA zur Auslagerung des Pflegekinderdienstes Der JHA hat am 14.08.2003 im Rahmen struktureller
Einsparmöglichkeiten beschlossen, eine Umsteuerung im Bereich Vollzeitpflege
durch eine Übertragung wesentlicher Aufgaben des Pflegekinderdienstes auf
anerkannte Träger der freien Jugendhilfe vorzunehmen. Der Bereich der Vollzeitpflege soll ausgebaut werden, um
damit eine Verlagerung von Unterbringungen im Heim auf die deutlich kostengünstigeren
Unterbringungen in Vollzeitpflege zu erreichen. Es wurde die Auslagerung folgender Aufgaben vorgesehen: -
Werbung,
Öffentlichkeitsarbeit, Überprüfung und Vorbereitung von Pflegeelternbewerbern -
Regionale
Beratung und Betreuung von Pflegeeltern, Kindern und ihren Eltern -
Fortbildung,
Supervision und Gruppenarbeit - Übernahme der bereits bestehenden
Pflegeverhältnisse (Zum 31.12.05 wurden durch den PKD im BA Lichtenberg 123
Pflegekinder betreut.) Umsetzung des Beschlusses Nach den Ausführungsvorschriften über Hilfe zur Erziehung in
Vollzeitpflege und teilstationärer Familienpflege können die Jugendämter alle
wesentlichen Aufgaben, die nicht zwingend aufgrund von Vorschriften des SGB
VIII beim öffentlichen Träger verbleiben müssen, anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe
übertragen. Bei der Umsetzung dieses Beschlusses war durch die
Verwaltung des Jugendamtes gemäß § 7 Absatz 2 der Landeshaushaltsordnung von Berlin zu
prüfen, ob durch anerkannte Träger der freien Jugendhilfe die Aufgaben des
Pflegekinderwesens in gleicher oder besserer Qualität erbracht werden können und
mit einer Auslagerung eine Einsparung im Bereich Hilfen zur Erziehung zu
erreichen ist. Nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit sind bei allen
finanzwirksamen Maßnahmen, angemessene Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen
vorzunehmen. Produktanalyse Vollzeitpflege und
Heimunterbringung
Durch den Steuerungsdienst/Finanz- und Kostencontrolling des
BA Lichtenberg wurde eine Kostenanalyse der Produkte Vollzeitpflege und
Heimunterbringung (Stand 30.06.2003) mit dem Ziel vorgenommen, das mögliche
Einsparpotential einer Umsteuerung zu ermitteln. Dieser Berechnung lag die Annahme zugrunde, dass 50 Kinder
und Jugendliche, die bisher im Heim betreut wurden, in Vollzeitpflege verlegt
würden. Danach könnten jährliche Einsparungen von 905.267 € -
1.396.962 € erzielt werden. Bei der Kostenanalyse wurden die Kostensätze des
freien Trägers „Pflegekinderoffensive Süd“, der in verschiedenen Bezirken die
Aufgaben des Pflegekinderwesens wahrnimmt, zugrunde gelegt. Allein aus diesem Einsparpotential empfahl sich eine
Umsteuerung. Fachhearing zur Umsteuerung im Bereich
Vollzeitpflege
Durch die Verwaltung des Jugendamtes wurden die
Möglichkeiten und Chancen einer solchen Umsteuerung kritisch eingeschätzt.
Diese müsste sich insbesondere auf den Personenkreis der 6- bis 16-Jährigen
beziehen, da jüngere Kinder im Alter unter 6 Jahren in der Regel in Pflegefamilien untergebracht werden
konnten. Um zu einer genaueren Einschätzung zu gelangen, wurde durch
die Verwaltung des Jugendamtes ein Fachhearing durchgeführt, zu dem Experten
von freien Trägern, die sowohl im Bereich der Heimunterbringung als auch im
Bereich der Vollzeitpflege tätig sind, eingeladen waren. Die Referenten wurden
gebeten, sich zu der Frage zu äußern, wie eine Umsteuerung der bereits im Heim
untergebrachten 6- bis 16-jährigen Kindern und Jugendlichen in Vollzeitpflege
gelingen könnte. Im Ergebnis dieses Fachhearings ließ sich feststellen, dass
die Träger durchaus die Möglichkeit einer längerfristigen Umsteuerung
sahen. Eine kurzfristige Umsteuerung
durch Verlegung der Kinder und Jugendlichen in Vollzeitpflege wurde aus
fachlicher Sicht abgelehnt bzw. nur für eine begrenzte Anzahl von Kindern und
Jugendlichen gesehen. Für die Mehrzahl der
untergebrachten Kinder würde eine Pflegefamilie keine Alternative darstellen,
da es sich in hohem Maße um bindungsgestörte, traumatisierte Kinder und
Jugendliche handelt, die oft chronifizierte Verhaltensstörungen zeigen. Es bestünde die Gefahr, Pflegeeltern zu
überfordern. Der überwiegende Teil der Referenten bezweifelte auch , dass
man für die relevante Altersgruppe der 6- bis 16-Jährigen mit den genannten
Verhaltensauffälligkeiten, ausreichend Pflegefamilien finden würde. Vielmehr müssten mehr gut qualifizierte Pflegeeltern für neu
unterzubringende Kinder und Jugendliche zur Verfügung stehen. Durchführung einer Markterkundung Durch die Verwaltung des Jugendamtes wurde im Anschluss eine
Markterkundung durchgeführt. Ziel und Zweck der Markterkundung war es, eine Einschätzung
der Marktsituation für die gesuchte Leistung vorzunehmen und somit die Leistung
der Verwaltung in Bezug auf Kosten und Qualität mit der der freien Träger zu
vergleichen, um eine genauere wirtschaftliche Bewertung gewährleisten zu
können. Durch die Verwaltung des Jugendamtes wurde dazu eine sehr
detaillierte Verfahrensbeschreibung erarbeitet. Darin waren die auszulagernden
Aufgaben, die aktuelle Situation des Pflegekinderwesens und der stationären
Unterbringungen nach § 34 SGB VIII im
Bezirk Lichtenberg beschrieben. An die möglichen Interessenten richteten sich differenzierte
Fragestellungen. Sie sollten ihre fachlichen Konzepte zur Leistungserbringung
und die damit verbundenen Kosten darstellen. Eine der wichtigsten Fragen war
dabei, wie viele neue Pflegestellen sie vermutlich akquirieren könnten. Über die Durchführung dieses Verfahrens wurde am 28.01.2005
im Amtsblatt von Berlin und in anderen Medien (Internet, Fachzeitschriften)
informiert. Bis zum 21.03.2005 konnten die Interessenten ihre Konzepte
einreichen. Es gab eine breite Resonanz. Über 20 Interessenten forderten die
Verfahrensunterlagen zur Markterkundung ab. Auswertung und Ergebnisse der Markterkundung
Insgesamt haben sich 10 bereits in Berlin tätige Träger der
freien Jugendhilfe an diesem Verfahren beteiligt und sehr detaillierte Konzepte
zu den verschiedenen Aufgaben, deren Übertragung vorgesehen ist, dargelegt. Im Anschluss erfolgten eine wirtschaftliche und inhaltliche
Bewertung der eingereichten Konzepte und ein Vergleich mit der Leistung des
Jugendamtes. Da die Leistungserbringung sehr differenziert erfragt wurde,
galt es, eine umfangreiche Materialsammlung auszuwerten und eine
Vergleichbarkeit der Aussagen herzustellen. Die Auswertung der einzelnen Leistungsangebote der Träger
der freien Jugendhilfe und der Leistung
der Verwaltung des Jugendamtes hat folgendes Ergebnis gezeigt: -
Durch
die Leistungsangebote der freien Träger wird eine deutliche Qualifizierung des Bereiches
angestrebt. -
Von
den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe wird ein Ausbau der Vollzeitpflege
in Aussicht gestellt, wobei es unterschiedliche Aussagen zu dessen Umfang gibt.
Der Vergleich der freien Träger ergibt, dass jährlich 20 neue Pflegestellen
akquiriert werden könnten. - Der
Verwaltung des Jugendamtes ist es mit dem zur Verfügung stehenden Personal
bisher gelungen, 10 neue Pflegestellen im Jahr bereitzustellen. Besonders schwierig ist es, Pflegestellen
für ältere Kinder, Geschwisterkinder und Kinder mit erweitertem Förderbedarf zu
finden. Insofern ist einer intensiveren
Pflegestellenwerbung innerhalb unseres eigenen Bezirkes besondere Bedeutung
beizumessen, die unter den gegenwärtigen personellen Voraussetzungen von der
Verwaltung des Jugendamtes nicht leistbar ist. Auf der Grundlage der ausgewerteten Konzepte wurde eine
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt, die gezeigt hat, dass die
Auslagerung des PKD auf einen anerkannten Träger der freien Jugendhilfe, dann
wirtschaftlicher ist, wenn der Träger tatsächlich 20 neue Pflegestellen pro
Jahr akquiriert. Das führt mittelfristig zu einer Kostenersparnis. Die Auswertung der vorgelegten Konzepte nutzte die
Verwaltung des Jugendamtes weiterhin dazu, ein detailliertes Sollkonzept zu
erarbeiten. Darin ist genau beschrieben, in welcher Qualität die Hilfe zur
Erziehung in Vollzeitpflege zukünftig durch einen Träger der freien Jugendhilfe
im Bezirk Lichtenberg erbracht werden soll. Ausblick Zur Auslagerung der Aufgaben des Pflegekinderwesens wird
sich ein öffentlicher Wettbewerb anschließen. Die vorangegangene
Markterkundung hatte ausdrücklich keine Vergabe zum Ziel. Es wurde bereits in
der Bekanntmachung der Durchführung des Verfahrens dargelegt, dass sich ein
öffentlicher Wettbewerb anschließt, wenn im Rahmen der Markterkundung
zielerreichende und wirtschaftliche Lösungen gefunden werden. Ziel dieses Wettbewerbes wird die Vergabe einer
Dienstleistungskonzession an einen anerkannten Träger der freien Jugendhilfe
sein. |
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Legende
Ausschuss | Tagesordnung | Drucksache | |||
Bezirksparlament | Aktenmappe | Drucksachenlebenslauf | |||
Fraktion | Niederschrift | Beschlüsse | |||
Kommunalpolitiker | Auszug | Realisierung | |||
Anwesenheit | Kleine Anfragen |