Auszug - Schwerpunktthema "Jugendhilfe und Soziale Hilfen - was hilft und was hält auf? (Individuelle Jugendhilfe, Kinderarmutsprävention, Kinder- und Jugendschutz, Gewaltprävention)" Begrüßung und Vorstellung der Gastgeber - abw-gemeinnützige Gesellschaft für Arbeit, Bildung und Wohnen mbH  

 
 
06. Sitzung in der IX. Wahlperiode des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 4
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 05.07.2022 Status: öffentlich
Zeit: 19:00 - 21:20 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: abw-gemeinnützige Gesellschaft für Arbeit, Bildung und Wohnen mbH
Ort: Franz-Jacob-Straße 16/18, 10369 Berlin
 
Wortprotokoll

Fr. Hoffmann ist im Jugendamt tätig und stellt uns den Bereich der Jugendhilfe vor.

Das Jugendamt ist im Bereich Jugendhilfe und Soziale Hilfe u.a. im Bereich Hilfe zur Erziehung tätig. In diesem Bereich werden bis zu 2000 Entscheidungen im Jahr getroffen, wobei je nach Einzelfall über die Vergabe von Fördermitteln und Hilfsmitteln entschieden werden muss.

Mit der Einführung des SGB VIII wurden die Rechte der Eltern zum Schutz der Kinder gestärkt. Daraus ist das Leistungsgesetz erwachsen, welches festlegt, dass Personensorgeberechtigte einen Rechtsanspruch auf Hilfe zur Erziehung haben.
Das Jugendamt entscheidet über die geeignete Hilfe, die den individuellen erzieherischen Bedarf decken soll. Darunter fallen z.B. pädagogische Hilfen, psychologische Hilfen, Hilfe in der Betreuung und mehr. Daraus entsteht ein Hilfedreieck zwischen Jugendamt, Leistungsberechtigten (Eltern und Kinder) und den Leistungserbringern.

Es handelt sich dabei um Hilfen, die freiwillig beantragt und individuell gewährleistet werden. Eine Grenze stellt hierbei eine Kindeswohlgefährdung dar – da muss dann das Jugendamt ans Gericht gehen, um dort Maßnahmen einleiten zu lassen, diese sind dann nicht mehr freiwillig.

Die Entscheidungen über die Entgelte, die durch die SenBFJ verhandelt werden, kann das Jugendamt nur wenig beeinflussen, ist aber davon abhängig.

Eingliederungshilfe für seelisch Behinderte oder von seelischer Behinderung bedrohte junge Menschen können sein: Ambulante Hilfen, bis hin zu therapeutischen Hilfen bei Kindern und Jugendlichen, bei denen die Teilnahme an Schule, Sozialem und Co durch psychische Beeinträchtigung eingeschränkt ist.

Fr. Hoffmann stellt kurz eine Grafik zu den Fallzahlen und Ausgaben zwischen 2018-2021 vor.
Ebenso die Ausgaben bei Stationären Hilfen im Vergleich zu den Fallzahlen von 2018-2021.
Der Anstieg von Fallzahlen zwischen 2020 zu 2021 wird mit der Corona-Pandemie in Verbindung gebracht.
Kinder und Jugendliche kommen am häufigsten in die stationäre Betreuung durch unzureichende Betreuung durch die Eltern – sei es durch mangelnde Aufmerksamkeit, Zeit, oder durch Gewalt usw.

Die Entwicklung der ambulanten Hilfen wird auch erläutert.
Sie stiegen ab 2019 stark, das lag an einer gewollten Umstrukturierung der Hilfsangebote. Man hat intensivere Hilfen und einen Ausbau der ambulanten Hilfen bezweckt.

Auch eine Grafik zur Entwicklung der Jahresergebnisse nach der Basiskorrektur wird vorgestellt. Dazu auch die Differenz zwischen Basiskorrektur und Ist-Ausgaben.
Zwischen 2007-2016 wurden die Ausgaben nach Basiskorrektur immer stark überzogen.
Aber seit 2017 hat sich das wieder erholt und man schreibt seitdem wieder grüne Zahlen.

Man hat nun angefangen ein neues Projekt anzugehen, das Projekt „Aktive Eltern“.
Dabei geht es darum, dass mit den Eltern kooperiert wird, um die größte Wirksamkeit der Maßnahmen zu erzielen. Ziel ist es, den Eltern zuzutrauen, dass sie die Probleme selbst lösen können, anstatt Hilfen anzubieten, die den Eltern diese Aufgabe abnehmen.
Ein Kontext, in dem auch die Eltern in der Verantwortung bleiben, ist wichtig, damit sich Zuhause auch langfristig etwas verändert. Es wird also veränderungsorientierte Unterstützung angeboten.

Das Rückkehrprojekt (also, dass Kinder aus stationärer Hilfe zurück ins Elternhaus gehen können) war sehr erfolgreich. Gleichzeitig werden ambulante Hilfen ausgebaut.
Dadurch konnte auch eine besser akzeptierte und sehr wirksame Form der Kooperation mit den Eltern erreicht werden. Auch die Eltern untereinander können dabei gut zusammenarbeiten. Bei den Eltern hat das oft nicht nur ihre Erziehungsfähigkeit verbessert, sondern auch teilweise positive Änderungen im beruflichen Umfeld gehabt, da auch Eltern sich dort als wirksam erleben.

Herausforderungen in den nächsten Jahren können sein:

-          Migration und die damit verbundene und notwendige interkulturelle Öffnung der Hilfen zur Erziehung;

-          Änderungen durch die Einführung des KJSG;

-          Qualitätsentwicklungsprozess mit den freien Trägern;

-          Weiterführung des Projektes unter den Bedingungen des umfassenden Personalwechsels.

Hier beendet Fr. Hoffmann ihre Präsentation und es gibt die Möglichkeit Fragen zu stellen.

 

Es gibt eine Frage zur Wirksamkeit der ambulanten Dienste mit Bezug auf die Grafik zu den Ausgaben, wobei sich die Ausgaben für ambulante Hilfe und stationäre Hilfe quasi gedreht haben. Kann man das so lesen, dass mehr Geld auch gleich mehr Wirksamkeit bedeutet, oder ist das zu einfach gedacht?

Fr. Hofmann beantwortet: Es ist nie so einfach den Erfolg genau einem Hilfsangebot zuzuordnen. Es kann auch rund um die Hilfen etwas ganz anderes passiert sein (zum Beispiel im privaten Umfeld), weshalb es den Kindern und Jugendlichen plötzlich besser geht – das weiß man nie zu 100% genau.

Trotzdem hat die Durchführung des Projektes „Aktive Eltern“ auch ein großes Umdenken mit sich gebracht, wie man nicht nur mit den Kindern, sondern auch mit ihren Eltern umgeht. Das ist mal von großem Erfolg gekrönt und mal nicht. Um ablesen zu können, woraus sich langfristige Erfolge ergeben, muss man das Projekt noch ein paar Jahre beobachten.

Hr. Zeddies knüpft daran an und bemerkt, dass keine Entwicklung im Bereich der Hilfen linear ist. Auch er würde lieber noch ein paar Jahre schauen, wie sich das Projekt entwickelt.

Hr. Nguyen stellt eine Nachfrage zu den Regionalteams, die es z.B. in Marzahn gibt. Gibt es sowas in Lichtenberg auch bzw. ist dies geplant?

Hr. Zeddies erklärt: So etwas hat man bereits. Man hat 4 Regionalteams, die dann unterwegs sind. Allerdings ist das Haus zusammenhängend, das ist besser für die Zusammenarbeit unter den Teams, auch wenn das nicht immer praktisch für die Familien ist, die ins Haus kommen müssen. Allerdings müssen die Familien das in der Regel auch nicht all zu oft.

Hr. Junkert fragt nach, wie es mit der Fachtagung mit den verschiedenen Trägern aussieht, und inwiefern es da schon mehr Informationen gibt.

Fr. Hoffmann erwähnt, dass dazu an den Kreis AG 78 schon die ersten Mails rausgegangen sind.

Fr. Usik fragt nach, ob die Mail auch an den Ausschuss weitergeleitet werden könnte, dies bejaht Fr. Hoffmann.

Hr. Einenkel stellt die Nachfrage, ob man nochmal spezifischer auf das Thema Kinderarmuts- und Gewaltprävention eingehen könnte und nimmt Bezug auf den Bericht von 2019.

Hr. Nguyen stellt noch eine Frage zu den ambulanten Hilfen: Gibt es offene Angebote, womit RSD, JA oder Andere direkt auf die Familien, quasi präventiv, zuzugehen können?

Hr. Zeddies erklärt an dieser Stelle das Flexibudget. Das ist dazu da, um raus zu gehen und zu helfen bevor jemand zum Fall wird. Das Jugendamt geht dazu mit Trägern in Kitas und macht dort Präventionsarbeit.

Das Jugendamt wäre bereit, eine Präsentation zum Bereich Kinderarmut als auch Armut und Bildung zu erstellen. Man geht ebenso kurz auf verschiedene Ideen ein, die dem Ausschuss vorgestellt werden könnten, an denen das Jugendamt arbeitet. Es wird entschieden, das Thema auch als TOP in einer der nächsten Sitzungen aufzunehmen.

Fr. Wildner nimmt noch kurz Bezug auf die Gewaltprävention.
Lichtenberg hat dabei den AK 3 zur Gewaltprävention. Der ist so zusammengesetzt, dass eine breite Mischung an Menschen aus Jugendarbeit, Bildung, BA, JA, Trägern und weiteren relevanten Akteuren zusammenkommen, die dann die Entscheidungen über die Maßnahmen zur Gewaltprävention treffen. In den verschiedenen Regionen werden die unterschiedlichsten Projekte durch die Mittel zur Gewaltprävention gefördert.
Fr. Wildner stellt kurz verschiedene Projekte vor, die in den letzten Jahren Mittel aus der Gewaltprävention erhalten haben.

Es gibt keine weiteren Redebeiträge.

 

Begrüßung und Vorstellung der Gastgeber - abw-gemeinnützige Gesellschaft für Arbeit, Bildung und Wohnen mbH

Es folgt eine kurze Begrüßung und Vorstellung durch Fr. Gravina (BD im JHA und Mitarbeiterin in der abw – gemeinnützige Gesellschaft für Arbeit, Bildung und Wohnen mbH.

Der Träger abw kommt ursprünglich aus Charlottenburg, man hat sich aber mittlerweile ausgeweitet. Man hat im Fennpfuhl zuerst eine Kita – und zwar eine deutsch-vietnamesische Kita, diese war eine der ersten bundesweit.
Daraus haben sich mit der Zeit weitere Projekte ergeben und dank einem guten Vermieter konnte man eigene Projekte zwischen den Hochhäusern im Fennpfuhl einrichten, so zum Beispiel das Flat Family oder auch Viet Family.

Man hat auch zwei Jugendwohnung und betreutes Einzelwohnen. In dem Objekt in dem der Ausschuss tagt (Franz-Jacob-Straße 16/18), gab es früher einen Ballsaal, in diesen wurde dann eine Wand eingezogen und dahinter liegt nochmal eine Jugendwohnung – in dieser lebt auch eine LGBTQI+ freundliche Wohngemeinschaft.
Alles ist also an einem Ort verankert.

Herr Dr. Wölck von abw stellt ein kurzes Video zu den Arbeitsschwerpunkten vor, das Video ist auch online abrufbar (abw – gemeinnützige Gesellschaft für Arbeit, Bildung und Wohnen mbH (abw-berlin.de).
Herr Dr. Wölck war selbst erst vor Kurzem wieder für 3 Monate in Vietnam.

Er stellt kurz die Arbeit von Flat Family vor.
Man ist vor allem mit den ambulanten Hilfen verbunden – besonders im Projekt Viet Family, das Angebot ist spezifisch auf vietnamesische Familien ausgerichtet.
Das Projekt der Stadtteilmutter ist auch eines der ambulanten Projekte – dabei helfen Mütter mit Migrationserfahrung anderen Müttern mit Migrationserfahrung bei medizinischen Fragen oder Fragen der Kinderbetreuung und viel mehr.

Man begleitet solche Angebote oft auch noch mit Sprachkursen und auch mit Migrationsberatung. Die Angebote sind eng miteinander verzahnt, obwohl alle für sich unterschiedlich sind.

Die Migrationsberatung wird vom BAMF finanziert und regelmäßig angeboten, da gab es neulich auch eine Aufstockung der Mittel durch das BAMF nach einer Prüfung.

Die flexible Kinderbetreuung ist auch hier ein ganz wichtiges Projekt, das angeboten wird.

Am Anfang musste man in der vietnamesischen Community wirklich werben, das Angebot der flexiblen Kinderbetreuung auch aktiv zu nutzen.
Personell ist man dort etwas knapp aufgestellt leider. Wäre da mehr möglich, würde man es auch gern ausbauen.

Es wurde eine Selbsthilfegruppe aufgemacht – da sind die Nachfragen auch je nach Altersgruppe sehr unterschiedlich. Das Angebot in Präsenz wird eher von älteren Menschen genutzt, das Angebot online wird viel von jungen Menschen genutzt.

Ebenso gibt es ein Sprachcafé. Ein großes Anliegen ist dort, dass die eigenen Kinder vietnamesisch lernen, damit sie es nicht später verlernen.
Es bestehen auch Kooperationen mit dem polnischen Sprachcafé.

Seit Ende des letzten Jahres ist man auch mit einem Projekt „Brot für die Welt“ unterwegs.
Man möchte versuchen herauszufinden, wie Migration erfolgreich gelingen kann, ohne sich in Abhängigkeiten oder Zwänge oder finanzielle Belastung begeben zu müssen.

Die Qualität der Arbeit dieses Hauses ergibt sich daraus, dass es so viele verschiedene Stellen gibt, die so gut zusammenarbeiten auf dem kurzen Wege und gut strukturiert miteinander funktionieren. Man klärt Probleme und trifft Entscheidungen gemeinsam über die verschiedenen Bereiche hinweg.

Hier ist die Vorstellung beendet und es gibt die Möglichkeiten für Fragen.

Fr. Usik möchte wissen: Wie setzt sich die Förderung vom BAMF zusammen?

Fr. Gravina beantwortet dies: Die Mittel kommen durch die Förderungen für die Flexiblen Kinderbetreuung. Das hier vor Ort ist leider ein Minus-Projekt, aber trotzdem kann man finanziell durchhalten und will die Arbeit definitiv weiterführen.

Fr. Keküllüoğlu dankt abw für die wichtige Arbeit. Und selbst wenn man keine schwarzen Zahlen schreiben kann, so ist man dennoch ein „Plus-Projekt“ im Sinne dessen, dass man einen großen Mehrwert für die Menschen schafft, die die Angebote nutzen.

Es gibt keine weiteren Fragen.

 

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 2022_07_05_JHA_HzE (1126 KB)      
 
 

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